Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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34 Rainer Seidel<br />
nommen werden. Dabei war u. a. wichtig, ein Modell psychiatrischer<br />
Versorgung zu wählen, das die Bezeichnung „System" auch verdient,<br />
d. h. es sollte sich um eine Versorgung handeln, die im ganzen Land<br />
oder doch in allen wesentlichen Gebieten konsequent aufgebaut ist;<br />
denn Modelle, die sozusagen in einer psychiatrischen Wüste als vereinzelte<br />
Oasen dastehen — wie z. B. die sozialpsychiatrischen Einrichtungen<br />
in Heidelberg/Mannheim 61 — sind wesentlich weniger aufschlußreich<br />
über die Möglichkeiten und Perspektiven einer präventiv<br />
orientierten psychiatrischen Versorgung. Schon von daher bietet sich<br />
das psychiatrische Versorgungssystem der Sowjetunion zur Darstellung<br />
an. Noch wichtigere Gründe <strong>für</strong> dessen exemplarischen Charakter<br />
sind allerdings die gesellschaftlichen Voraussetzungen, die in der<br />
SU <strong>für</strong> Errichtung und Wirksamkeit einer präventiv orientierten<br />
psychiatrischen Versorgung bestehen.<br />
Die folgende Darstellung bezieht sich nur auf die Organisation und<br />
die institutionellen und gesellschaftlichen Zusammenhänge, nicht auf<br />
die psychiatrische <strong>Theorie</strong>, etwa die Lehre von der Ätiologie, das<br />
diagnostische System o. ä.<br />
Zunächst einige Literaturhinweise: Seit in den USA verstärkte Bemühungen<br />
um die Überwindung der Misere in der psychiatrischen Krankenversorgung<br />
einsetzten, besonders seit dem „Community Mental Health<br />
Centers Act" 1963 (s. S. 45 f.), ist ein verstärktes Interesse der amerikanischen<br />
Psychiatrie an der psychiatrischen Versorgung der SU festzustellen.<br />
Die folgende Darstellung bezieht sich vorwiegend auf Angaben von<br />
Wissenschaftlern aus kapitalistischen Ländern, besonders den USA. Der<br />
vermutlich beste ausländische Kenner der sowjetischen medizinischen<br />
Versorgung dürfte der Bostoner Soziologe Field sein. Er gibt in Field<br />
(1967) eine gründliche Darstellung von Fakten und diskutiert wesentliche<br />
Probleme. Eine kurze Darstellung findet sich bei Field & Aronson (1964).<br />
Am bekanntesten dürfte die Studienreise einer Gruppe von sechs führenden<br />
Psychiatern und Mental-Health Experten der USA und einem Juristen<br />
geworden sein. Die Expedition wurde vom US-Gesundheitsministerium<br />
organisiert; die sieben Berichte der Teilnehmer erschienen in einer „Special<br />
Section" des „American Journal of Psychiatry" (s. IMPRESSIONS OF<br />
SOVIET PSYCHIATRY, 1968). Eine Zusammenfassung dieser Berichte<br />
wurde von M. Gorman, Direktor des „National Committe against Mental<br />
Illness", auf dem 7. Internationalen Kongreß der WFMH vorgetragen<br />
(s. Gorman 1969).<br />
Einen Eindrucksbericht eines ISmonatigen Forschungsaufenthalts in der<br />
SU 1963—64 gibt Ziferstein 1966. Einen kurzen Bericht einer Studienreise<br />
gibt im deutschsprachigen Bereich Kulenkampff 1967.<br />
Berichte von Autoren sozialistischer Länder in englischer Sprache wurden<br />
in dem Band PSYCHIATRIE IN THE COMMUNIST WORLD von<br />
A. Kiev herausgegeben. Über die sowjetische Psychiatrie ist darin ein Beitrag<br />
von A. G. Galach'yan enthalten, der vorwiegend über die historische<br />
Entwicklung der sowjetischen Psychiatrie orientiert. Verwiesen sei hier<br />
noch auf zwei kürzere Beiträge von D. E. Melehov in der Zeitschrift „Social<br />
Psychiatry" (Melehov 1968 und 1967), worin sich auch Hinweise auf<br />
sowjetische Originalliteratur finden. Spezielle Probleme der Psychohygiene<br />
behandelt ein Beitrag von Lebedev (1966). Statistische Angaben sind den<br />
61 s. Häfner 1967.