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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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186 Besprechungen<br />

104), und daß dieses erst in einer fortgeschrittenen Entwicklungsphase<br />

voll in das sozialistische System integriert werden kann.<br />

Unter den Stichworten „Eindämmung", „Aufreiben" und „Überfluß"<br />

sind zu diesem Zweck bereits <strong>für</strong> die landwirtschaftliche Produktionssphäre<br />

politische Strategien entworfen worden, und auch im<br />

Dienstleistungsbereich hat die Regierung etliche Anstrengungen unternommen,<br />

um neue privatwirtschaftliche Ansätze zu ersticken, weil<br />

sie mit Recht be<strong>für</strong>chten muß, daß solche Entwicklungen regressiv<br />

auf die politische Struktur durchschlagen. Den Erfolg dieser Initiativen<br />

schätzen die Verfasser allerdings recht skeptisch ein. Sie vermuten,<br />

daß das Profitmotiv in einigen gesellschaftlichen Bereichen auch<br />

weiterhin dominieren und zur Etablierung eines illegalen Privatsektors<br />

führen wird (123).<br />

Zu diesem Problemkomplex gehört auch die Frage der Anreize,<br />

die in Kuba Gegenstand einer langdauernden Debatte mit fraktionistischen<br />

Tendenzen war. Daß die Verfasser auf diese zentrale und<br />

<strong>für</strong> das Selbstverständnis der revolutionären Führung in vieler Hinsicht<br />

konstitutive Diskussion selbst nicht näher eingehen, gehört zu<br />

den wenigen Mängeln der Darstellung. Immerhin sind jedoch die<br />

Möglichkeiten außer-materieller Anreize, die das Wirtschaftswachstum<br />

in einem unterentwickelten Land zu stimulieren vermögen —<br />

Disziplinierung durch Förderung des gesellschaftlich-politischen Bewußtseins<br />

— genannt und auf ihre faktische Instrumentalisierung im<br />

kubanischen Sozialismus hin analysiert; dieser Teil der Monographie<br />

hat in seiner empirischen Anlage um so mehr politisches Gewicht, als<br />

er eine Destruktion des Totalitarismus-Verdachts möglich macht, der<br />

in der bürgerlichen Literatur durchgängig gegen die kubanische Revolution<br />

erhoben wird.<br />

Ähnlich breiten Raum wie die Frage der Anreize nimmt in der<br />

Analyse ein zentrales Problem der politischen Ökonomie ein, nämlich<br />

die Frage, wie sich der Markt als gesamtwirtschaftlicher Koordinierungsmechanismus<br />

zugunsten eines größeren Maßes von Rationalität<br />

in den gesellschaftlichen Folgen individueller wirtschaftlicher Betätigung<br />

ersetzen läßt (135 ff.). In diesem Zusammenhang geben die<br />

Verfasser einen informativen historischen und strukturellen Überblick<br />

über das kubanische Planungssystem, über seine Praxis zwischen<br />

den Polen anarchischer Dezentralisierung und autoritärer<br />

Zentralisierung (157). Es gelingt ihnen auf dieser Ebene einsichtig zu<br />

machen, daß die zahlreichen „Schwierigkeiten und Mängel im kubanischen<br />

System der Ressourcennutzung" weniger auf Insuffizienzen<br />

des Planungssystems zurückverweisen, sondern zunächst vielmehr<br />

auf einen elementaren Tatbestand: wie die meisten unterentwickelten<br />

Länder operiert Kuba auf einer relativ niedrigen Stufe der Technologie<br />

(160). Dieses Faktum eines immensen technologischen Defizits<br />

bringt es mit sich, daß die kubanischen Entwicklungsstrategien<br />

in lebenswichtigen Bereichen — so etwa im Falle der mechanisierten<br />

Zuckerernte und der Bewässerung — auf kompakte Hindernisse<br />

treffen.

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