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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Soziale Rolle und politische Emanzipation 127<br />

nisbefriedigung bei prinzipiell knappen Ressourcen mit Hilfe gesellschaftlicher<br />

Sanktionsgewalt zu etablieren. Daher sind individuelle<br />

oder kollektive Bedürfnisse und Rolleninteressen aufeinander verwiesen:<br />

in Gestalt gesellschaftlicher Interessen können sich Bedürfnisse<br />

legitimieren wie umgekehrt die Bedürfnisse in Gestalt gesellschaftlicher<br />

Interessen in die Motivation der Rollenspieler eingehen<br />

8S .<br />

Behält man diesen Zusammenhang im Auge, so zeigt sich, daß die<br />

Rollenanalyse sich nicht etwa auf eine irreale Sphäre herrschaftsfreier<br />

Interaktionen bezieht, sondern vielmehr von ihrem Ansatz her<br />

besonders dazu geeignet erscheint, das Netzwerk gesellschaftlicher<br />

Machtverhältnisse detailliert zu analysieren. Während hierarchische<br />

Herrscha/tsstrukturen sich verhältnismäßig leicht an den Vorschriften<br />

der formalisierten Rollenbeziehungen in industriellen und bürokratischen<br />

Organisationen untersuchen lassen, ist allerdings die<br />

amorphe Machtstruktur industrieller Gesellschaften schwerer zu fassen.<br />

Die Rollentheorie vermag hier die Frage, worauf Macht als „die<br />

Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch<br />

gegen Widerstreben durchzusetzen" (Max Weber), beruht, zu präzisieren,<br />

indem sie nach den Quellen der mit den Rollenerwartungen<br />

verbundenen Sanktionsgewalt fragt und die Ursache ihrer Wirksamkeit<br />

untersucht. Sie wird dabei wiederum auf den Besitz knapper<br />

Ressourcen stoßen, gleichviel ob diese in Eigentum, Wissen oder traditionalem<br />

Prestige bestehen. Damit gerät aber die Frage nach der<br />

Ursache des offenen oder geheimen Einverständnisses der Unterworfenen<br />

mit den sie unterwerfenden Normen, das sich nach innen<br />

als Identifikation mit dem Aggressor darstellt und nach außen die<br />

Gestalt legitimierender Ideologien annimmt, aufs neue in den Blick.<br />

Erst auf diesem Hintergrund können die Möglichkeiten einer Veränderung<br />

bestehender Machtverhältnisse soziologisch sinnvoll analysiert<br />

werden.<br />

Damit komme ich zu meiner letzten These:<br />

Die Rollentheorie kann einen spezifischen Beitrag zur Untersuchung<br />

von Emanzipationsprozessen leisten, und ZWEIT auf dreierlei<br />

Weise: erstens ermöglicht sie es, bei Rollenkonflikten zu unterscheiden<br />

zwischen einem Rollenverhalten, das bloßer Abwehrmechanismus<br />

ist, und einem Rollenverhalten, in dem der Widerstand zum<br />

Agens der Veränderung wird. Zweitens ermöglicht es die Rollentheorie<br />

zu erkennen, ob und unter welchen Umständen die Interessen<br />

der Unterdrückten sich nur in der Konstitution von subkulturellen<br />

oder politischen Gegenrollen behaupten und eventuell durchsetzen<br />

können und trägt damit bei zur konkreten Analyse möglicher Strategien<br />

des Klassenkampfes 34 . Und drittens schließlich enthält der<br />

33 Vgl. dazu meine Überlegungen zu Positionsinteressen und Bedürfnislagen<br />

in: op. cit., S. 245 und 249 ff.<br />

34 Erste Vorüberlegungen zu solcher Analyse habe ich entwickelt,<br />

a.a.O., S. 274 (allgemein zur Emanzipation) und S. 364 f. (individuelle<br />

Emanzipationschance durch Konfliktprovokation), sowie in der Differenzierung<br />

zwischen nomischen und anomischen Konflikten, S. 97 f., 363 f.

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