Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
18 Rainer Seidel<br />
mit den psychohygienischen Bestrebungen, besonders der sog. Mental-Health-Bewegung<br />
in den USA. Diese Entwicklung wird im Abschnitt<br />
6.3 dargestellt.<br />
3. Ein Schema der Beziehungen zwischen gesellschaftlichen<br />
Strukturen und den Möglichkeiten von Prävention<br />
3.1. Begriff der Prävention<br />
Die neueren Überlegungen zur Prävention psychischer Störungen,<br />
die seit etwa Anfang der 60er Jahre in den USA entwickelt wurden,<br />
sind am besten durch G. Caplan herausgearbeitet und dargestellt<br />
worden 14 . Nach seiner Terminologie, die auf der Beratung einer internationalen<br />
Kommission beruht und inzwischen weitgehend akzeptiert<br />
ist 14 , unterscheidet man primäre, sekundäre und tertiäre Prävention.<br />
Dies ist eine Einteilung nach dem Zeitpunkt des Eingriffs<br />
oder der Wirkung präventiver Kräfte und enthält — wie die Bezeichnungen<br />
andeuten — eine Rangfolge der Wünschbarkeit oder der<br />
Güte des Erfolges. „Primäre Prävention" ist als die höchste Stufe<br />
präventiver Wirkung anzusehen und meint die Verhinderung einer<br />
Erkrankung von vorneherein, d. h. so, daß auch keine Anfangssymptome<br />
auftreten. „Sekundäre Prävention" zielt auf Verkürzung beginnender<br />
oder bestehender Erkrankungen, hauptsächlich durch Früherkennung<br />
und Frühbehandlung. „Tertiäre Prävention" ist die Verhinderung<br />
von Schäden, die als Folge einer bestehenden Störung<br />
auftreten.<br />
3.2. Möglichkeiten präventiver Maßnahmen<br />
Zunächst ist festzustellen, daß die bekannten psychiatrischen Maßnahmen<br />
zu jeweils unterschiedlichem Ausmaß präventive Funktion<br />
besitzen: Psychiatrische oder psychologische Individualberatung, besonders<br />
die sog. Erziehungsberatung geschieht in Absicht auf primäre<br />
oder sekundäre Prävention; jegliche erfolgreiche Therapie bereits<br />
eingetretener Erkrankungen verkürzt die Krankheitsdauer und wirkt<br />
damit im Sinne tertiärer und — je rechtzeitiger sie einsetzt — im<br />
Sinne sekundärer Prävention; Rehabilitation (der Versuch, die sozialen<br />
Funktionen des Patienten zu erhalten oder wiederherzustellen,<br />
besonders seine Arbeitsfähigkeit) ist wesentlicher Inhalt tertiärer<br />
Prävention; Früherkennung, Frühbehandlung, Krisenintervention<br />
sind Inhalt der sekundären Prävention; Nachbetreuung (Nachbehandlung,<br />
Katamnese) zielt im Rahmen der Rehabilitation auf tertiäre<br />
Prävention und kann, sofern sie die Verhütung eines möglichen<br />
Rückfalls erreicht, auch als primäre Prävention angesehen werden.<br />
14 Ausführlich in der Monographie 1964; eine schnelle Orientierung<br />
ermöglicht der Artikel von Caplan & Grunebaum 1967; s. auch PREVEN-<br />
TION OF MENTAL DISORDERS IN CHILDREN 1961. Einige Definitionen<br />
des Begriffs „preventive psychiatry" finden sich in CONCEPTS OF COM-<br />
MUNITY PSYCHIATRY 1965, S. 202—203; kurze Darstellungen bringen<br />
u. a. Braceland 1961, Sanders 19<strong>71</strong>, Beier 1969.<br />
15 Caplan 1961, in PREVENTION OF ..., ix.