Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Medizin 173<br />
Die Kirche mag eine einheitliche dogmatische Lehre haben, die<br />
audi die Kultur, d. i. die der Herrschenden, prägt, was bei Jones aber<br />
fehlt, ist eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Grundlagen<br />
und Funktionen des Christentums. Ekkehard Kurth (Bonn)<br />
Medizin<br />
Strotzka, Hans: E i n f ü h r u n g in d i e S o z i a l p s y c h i a t r i e .<br />
Rowohlts deutsche Enzyklopädie Bd. 214. Reinbek bei Hamburg<br />
»1970 (152 S., kart., 2,70 DM).<br />
Beim Lesen des Büchleins drängt sich die Frage auf, <strong>für</strong> wen es<br />
eigentlich bestimmt ist. Für ein gebildetes Laienpublikum ist es zu<br />
langweilig geschrieben; <strong>für</strong> eine Aufklärungsschrift fehlt ihm die Einfachheit<br />
und Eindringlichkeit; <strong>für</strong> ein Pamphlet ist es zu konventionell,<br />
zu vorsichtig und rückversicherungsbedürftig; und <strong>für</strong> einen wissenschaftlichen<br />
Anspruch schließlich zu oberflächlich und zu lückenhaft<br />
dokumentiert. Am ehesten ähnelt es einem nicht besonders guten<br />
Kompendium. Hier liegt angesichts der Tatsache, daß Sozialpsychiatrie<br />
in die Lernziele der neuen medizinischen Approbationsordnung<br />
aufgenommen werden soll, auch seine Gefahr.<br />
Will man auf 132 Seiten (der Rest sind Register und Literatur)<br />
einen Gesamtüberblick über die Sozialpsychiatrie geben, so bieten<br />
sich da<strong>für</strong> zwei Möglichkeiten an: den Gegenstand entweder mehr<br />
oder weniger willkürlich und praxisbezogen einzuteilen und in jedem<br />
Kapitel die wichtigsten Erkenntnisse protokollartig zusammenzufassen;<br />
oder aber, eine theoretische Konzeption zu entwerfen, die<br />
den mitgeteilten Fakten ihren Stellenwert zuweist und die sozialpsychiatrische<br />
Praxis aus der gesellschaftlichen Entwicklung begreiflich<br />
macht. Strotzka hat keines von beidem getan. Neben epidemiologischen<br />
Daten und Beschreibungen der <strong>Institut</strong>ionen stehen ungeprüfte<br />
Meinungsäußerungen und private Meditationen des Autors<br />
z. B. über „die kaum je beeinflußbaren sozialpsychologischen Grundtatsachen<br />
menschlichen Zusammenlebens, daß mit zunehmender Distanz<br />
Interesse und Verantwortungsgefühl <strong>für</strong> die Mitmenschen abnehmen"<br />
(35) oder über „unausweichliche Folgen der Technisierung,<br />
daß immer größere Schichten in eine rein rezeptive Passivität gedrängt<br />
werden" (129).<br />
Daß es sich hier nicht um belanglose Schnörkel handelt, über die<br />
man hinweglesen könnte, davon zeugen die 4 Seiten „Sozialpsychiatrie<br />
der Arbeit". Nach Strotzka können „einige objektive Faktoren<br />
der gegenwärtigen Arbeitssituation, wie Wechselschichten . . . , Monotonie,<br />
etwa von Fließbandarbeit, starke Lärmbelastung usw." (76)<br />
zwar „eine erhebliche vegetative Irritation schaffen, die die Basis<br />
auch <strong>für</strong> die Auslösung schwerer psychischer Störungen darstellen<br />
könnte" — aber: „Die prägenden Früherlebnisse in ihrer disponierenden<br />
Einwirkung (haben) . . . ohne Zweifel . . . eine größere Rele-