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Das Argument 71 - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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204 Besprechungen<br />

Roth,Jürgen: A r m u t in d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h -<br />

land. Beschreibungen, Familiengeschichten, Analysen, Dokumentationen.<br />

Joseph Melzer Verlag, Ffm. 19<strong>71</strong> (256 S., br., 12,— DM).<br />

Der marxistischen Einsicht in den Klassencharakter der BRD-<br />

Gesellschaft wird in der bürgerlichen Propaganda nicht nur mit der<br />

Phrase von der „pluralistischen" oder „nivellierten Mittelstandsgesellschaft"<br />

begegnet, sondern sehr viel wirkungsvoller mit dem Verweis<br />

auf den Fernseher, den Kühlschrank, das Automobil und alle<br />

jene Güter, die sich im Unterschied zu „früher" und im Gegensatz zu<br />

„drüben" heute gerade auch „der kleine Mann" leisten könne.<br />

Wird damit auch nicht die These vom Klassencharakter der Gesellschaft<br />

widerlegt — denn dieser erweist sich schließlich nicht an der<br />

Existenz oder Nichtexistenz einer bestimmten Konsumgütermenge,<br />

sondern an der Art ihrer Produktion, daran, wer über die Produktionsmittel<br />

verfügt, wie und wozu sie eingesetzt werden etc. — so<br />

findet diese „<strong>Argument</strong>ation" doch deshalb Glauben, weil sie sich<br />

auf gewisse Erscheinungen in der BRD-Gesellschaft berufen kann,<br />

deren Wesen zu analysieren sie allerdings nicht in der Lage ist.<br />

Doch selbst die Ebene der Erscheinung ist, wie Jürgen Roth in<br />

seinem vorliegenden Buch zeigt, anders strukturiert, als es die<br />

Phrase von der Überflußgesellschaft glauben machen will:<br />

„Es gibt in der BRD<br />

1 100 000 Menschen in ländlichen Gebieten, die ihre sozialen Bedürfnisse<br />

soweit reduzieren müssen, daß sie mit 100—400 DM<br />

pro Monat auskommen (es sind die Familien der Kleinbauern,<br />

der Altenteiler usw.),<br />

600 000 Bewohner der Armenanstalten,<br />

450 000 Nichtseßhafte,<br />

5 000 000 Erwerbstätige und Familien mit einem monatl. Einkommen<br />

unter 600 DM,<br />

5 397 300 Rentenabhängige mit einer monatl. Rente bis zu 350 DM,<br />

100 000 Geisteskranke in psychiatrischen Anstalten,<br />

50 000 erwachsene Kriminelle in Haftanstalten,<br />

100 000 Heimkinder,<br />

49 658 Jugendliche in Fürsorgeerziehung bzw. freiwilliger Erziehungshilfe,<br />

80 000 Künstler und andere freischaffende Berufstätige,<br />

1 884 000 Kinder, die durch das soziale Schicksal ihrer Eltern in ihrer<br />

weiteren Entwicklung erheblich gestört werden und über<br />

die soziale Rolle ihrer Eltern nicht hinauskommen werden.<br />

Mehr als 14 Millionen Menschen . . . leben heute in der BRD in Armut"<br />

(70), womit die Kontinuität der Armut bei ca. 20 % der Bevölkerung<br />

gewahrt bleibt: War bereits 1954 jeder Fünfte arm, so hat<br />

sich an diesem Verhältnis bis heute nichts geändert.<br />

J. Roth untersucht die Lage der „deklassierten Proletarier" (73)<br />

anhand exemplarischer Fälle (Teil I) — etwa: „Errichtung neuer

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