193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Rolf Stöckel<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20773<br />
(A) Im Gegensatz zu den falschen Behauptungen, die auf Ich kann Ihnen ganz klar sagen: Unabhängig davon, (C)<br />
dem jüngsten CDU-Parteitag aufgestellt wurden, versi- welche Kriterien wir anlegen, wird es letztendlich polichere<br />
ich Ihnen, dass meine Fraktion diese Familienförtisch normiert werden müssen. Ich mache ganz deutlich,<br />
derungsmaßnahmen ausdrücklich unterstützt. Wir möch- dass die SPD-Fraktion keine Kürzungen der Regelsätze<br />
ten sogar weitere Kindergelderhöhungen ermöglichen. in den Grundsicherungssystemen möchte. Wir wollen<br />
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]:<br />
vielmehr ein bedarfsgerechtes System.<br />
Echt?)<br />
Sie fordern die Nichtanrechnung der Kindergelderhöhung.<br />
Das ist in der Tat – da gebe ich dem Kollegen von<br />
der FDP recht – ein politisches Ritual. Zudem ist dieses<br />
Vorgehen parteitaktisch motiviert, eigentlich nur, um einen<br />
billigen moralischen Vorteil zu erlangen. Deshalb<br />
wird dies von den Chefdemagogen von den Linken in allen<br />
Talkshows gebetsmühlenartig vorgetragen.<br />
Herr Ernst, wir möchten vor dem Hintergrund der Gerechtigkeitsfrage<br />
auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,<br />
zum Beispiel bei Daimler, unterstützen. Das<br />
kann man zum Beispiel dadurch machen, dass man anstatt<br />
der jetzigen Freibeträge einen Kindergrundfreibetrag<br />
in das Steuerrecht einführt und das Ehegattensplitting<br />
abschmilzt.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />
Wir wollen, dass die staatlichen Leistungen vor allen<br />
Dingen bei den Familien ankommen, die sie am meisten<br />
benötigen. Dazu fehlen unserem Koalitionspartner aber<br />
offensichtlich noch der Mut und die Orientierung. Das<br />
kann nach der nächsten <strong>Bundestag</strong>swahl aber noch werden.<br />
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wir wollen<br />
die Älteren, deren Kinder aus dem Haus<br />
sind, nicht durch Kürzung des Ehegattensplittings<br />
bestrafen!)<br />
(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]:<br />
Berufliche Bildung!)<br />
Insofern hätten wir es gern gesehen, wenn Sie nicht unzumutbare<br />
Gegenleistungen eingefordert hätten.<br />
(Zuruf der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/<br />
CSU]: Das für berufliche Bildung auch zu machen,<br />
ist unzumutbar?)<br />
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat<br />
gleichzeitig mit den Beschlüssen zur Familienförderung<br />
Minister Scholz mit der Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit<br />
und einer spezifischen Kinderregelleistung in der<br />
Systematik der Grundsicherung beauftragt. Ich möchte<br />
noch einmal daran erinnern, dass die jetzt geltenden Regelsätze<br />
nicht nur vom Bundessozialgericht als angemessen<br />
beurteilt worden sind, sondern dass das Bundesverfassungsgericht<br />
grundsätzlich auch das SGB II für<br />
verfassungsgemäß erklärt hat.<br />
Zu den Überprüfungen. Sie tun alle so, als sei dies<br />
selbstverständlich und es sei in der Wissenschaft unumstritten<br />
– trotz aller Unterschiedlichkeit der Zahlen, die<br />
uns auch von den Wohlfahrtsverbänden vorgelegt werden<br />
–, dass das automatisch eine Erhöhung der Regelsätze<br />
beinhaltet. Das ist äußerst umstritten.<br />
Das kommt vordergründig auch gut an, weil man einen<br />
scheinbaren Widerspruch, eine scheinbare Ungerechtigkeit<br />
in einem Teilausschnitt der Grundsicherungssysteme<br />
konstruiert. Dabei setzt man auf die allgemeine<br />
Unkenntnis hinsichtlich der Gesamtzusammenhänge,<br />
der Systematik der Grundsicherung und der Fakten.<br />
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-<br />
NEN]: So ist es!)<br />
Meine Damen und Herren, genau das wird mit diesem<br />
Antrag gemacht, in dem behauptet wird, Kinderarmut<br />
könne mit einer Nichtanrechnung von 10 Euro bekämpft<br />
werden.<br />
(B)<br />
Beim Schulstarterpaket, geschätzte Kollegin Fischbach,<br />
war die Regelung kein Vorschlag von Olaf Scholz, sondern<br />
sie ist im Koalitionsausschuss vonseiten der CDU/<br />
CSU-Fraktion vorgeschlagen worden. Wir wollten aushandeln,<br />
dass es den Kindern, die in Familien aufwach-<br />
Ich will Ihnen die Zahlen und Fakten gern liefern. Der<br />
Staat fördert Familien, die aufgrund hoher Einkommen<br />
den vollen Steuerfreibetrag ausschöpfen können, im<br />
nächsten Jahr pro Kind mit monatlich 226 Euro.<br />
(Zuruf von der LINKEN: Ja!)<br />
(D)<br />
sen, die Transferleistungen beziehen, bis zum 13. Schuljahr<br />
gewährt wird. Die Schulpflicht ist nun wirklich kein<br />
Argument. Auch diesen Kindern muss selbstverständlich<br />
das Abitur ermöglicht werden.<br />
Wer hingegen auf das Kindergeld als Steuerabschlag<br />
oder staatlichen Zuschuss angewiesen ist, weil er keine<br />
Einkommensteuer bezahlt, erhält für das erste Kind<br />
164 Euro, für das dritte Kind 170 Euro und für jedes<br />
weitere Kind 195 Euro.<br />
(Zuruf von der LINKEN: Wir können ja<br />
lesen!)<br />
Wer auf die Grundsicherung, also auf Sozialhilfe oder<br />
Arbeitslosengeld II, angewiesen ist, bekommt für ein<br />
Kind unter 14 Jahren derzeit 211 Euro und für ein Kind<br />
ab 14 Jahren 281 Euro im Monat. Nach der jetzt geschätzten<br />
Anpassung der Renten und Regelsätze der<br />
Grundsicherung zum 1. Juli 2009 erhöhen sich die Beiträge<br />
auf 217 Euro und 289 Euro; das sind, wie gesagt,<br />
Schätzungen.<br />
Meine Damen und Herren, wer die erste Kindergelderhöhung<br />
seit dem Jahr 2002 mit einem Plus von<br />
6,5 Prozent für die Arbeitnehmerfamilien berechnet und<br />
daraus die Forderung der Nichtanrechnung ableitet, der<br />
muss auch zur Kenntnis nehmen, dass die Kinderregelsätze<br />
seit dem Jahr 2002, also vor der SGB-II-Reform,<br />
aber vor allen Dingen seit dem Jahr 2005 ebenfalls gestiegen<br />
sind und ab dem 1. Juli 2009 weiter steigen werden.<br />
Dazu hat auch die politische Entscheidung der Großen<br />
Koalition beigetragen, die Regelsätze im Westen<br />
und Osten unabhängig von der Datenbasis auf derselben