02.01.2013 Aufrufe

193. Sitzung - Deutscher Bundestag

193. Sitzung - Deutscher Bundestag

193. Sitzung - Deutscher Bundestag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

20854 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />

(A)<br />

Dr. Kirsten Tackmann<br />

Zum Klagerecht: Aufgrund des ausschließlich indivi- Bereits im April dieses Jahres haben wir Grünen einen (C)<br />

duell bestehenden Klagerechts gelingt es derzeit nur ein- Antrag vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass wir uns mit<br />

zelnen Frauen und auch nur ausnahmsweise, diskriminie- dem Stillstand der Gleichberechtigung beim Lohn nicht<br />

rende Entgeltsysteme oder Bewertungsverfahren durch zufrieden geben. Wir haben im Ausschuss eine Anhörung<br />

Klagen zu Fall zu bringen. Auf diesem Weg löst sich das zu unserem Antrag beantragt, die Ende Januar 2009<br />

grundsätzliche Problem nicht. Das soll die kleinen Er- stattfinden wird. Nun haben auch Linke und FDP in diefolge<br />

von mutigen Frauen, die das individuelle Klageser Woche ihre Anträge formuliert.<br />

recht nutzen und diesen teils mit Mobbing begleiteten<br />

Prozess auch durchstehen, überhaupt nicht schmälern.<br />

Im Gegenteil: So gab es in dieser Woche ein sehr bemerkenswertes<br />

gerichtliches Urteil. Das Landesarbeitsgericht<br />

in Berlin hat zum Beweis der Diskriminierung einer<br />

Frau am Arbeitsplatz erstmalig in Deutschland einen statistischen<br />

Beweis zugelassen. Das heißt, die hohe Wahrscheinlichkeit<br />

einer Diskriminierung wurde als ausreichender<br />

Beweis zugelassen. Und zusätzlich wurde die<br />

Klägerin aufgrund von Mobbing entschädigt. Dies ist ein<br />

ermutigendes und deutliches Zeichen an alle Frauen, sich<br />

gegen Diskriminierungen zur Wehr zu setzen. Derzeit<br />

wird der Rechtsweg viel zu selten beschritten, weil es<br />

Frauen zum Beispiel unnötig schwer gemacht wird, die<br />

Einleitung eines Verfahrens wegen Diskriminierung zu<br />

begründen, da sie jegliche Fakten und Sachverhalte vollständig<br />

beibringen müssen, die ihre Klage unterstützen.<br />

Beim Antrag der Linken gibt es hinsichtlich unserer<br />

Forderungen eine Reihe von Übereinstimmungen. Auch<br />

wir Grünen sehen in der Einführung eines gesetzlichen<br />

Mindestlohns eine Möglichkeit zur Verringerung des<br />

Lohngefälles zwischen Frauen und Männern, auch wenn<br />

wir mit dem von Ihnen genannten Betrag nicht übereinstimmen.<br />

Immerhin würde jede vierte Frau davon profitieren.<br />

Während Frauen derzeit nur 35 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten<br />

ausmachen, stellen sie fast 60 Prozent<br />

der vollzeitbeschäftigten Geringverdiener. Aktuelle Studien<br />

zeigen, dass vor allem Frauen der Aufstieg in besser<br />

bezahlte Tätigkeiten selten gelingt.<br />

Die Ausweitung der geringfügigen Beschäftigung verstärkt<br />

die Probleme bei der Entgeltgleichheit. Minijobs<br />

sind nicht existenzsichernd, können allenfalls als ein Zuverdienst<br />

gesehen werden. Darum müssen sie eingeschränkt<br />

und langfristig abgeschafft werden. Wir Grüne<br />

Zu den Tarifverträgen: Wir schlagen proaktive Verfah- haben ein Progressivmodell entwickelt, das kleinere Einren<br />

vor, die in einem eigenen Gesetz zur Durchsetzung der kommen ohne Abstriche bei der sozialen Sicherung ent-<br />

Entgeltgleichheit in Kollektivverträgen geregelt werden lastet und Anreize für mehr Jobs setzt.<br />

(B)<br />

sollten. Dies gilt dann als Leitfaden für die Privatwirtschaft<br />

und den öffentlichen Dienst zur Durchsetzung des<br />

Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher und<br />

gleichwertiger Arbeit. Zweitens schlagen wir vor, den Tarifpartnern<br />

starke und unabhängige Institutionen mit eigenen<br />

Beratungs- und Untersuchungskompetenzen zur<br />

Seite zu stellen.<br />

Die Eingruppierungskriterien in die Tarifverträge<br />

müssen auf direkte und vor allem indirekte Diskriminierung<br />

hin geprüft werden. Hier sollte der öffentliche<br />

Dienst eine Vorreiterrolle einnehmen. Wir stehen zur Tarifautonomie,<br />

aber so kann es nicht weitergehen. Sowohl<br />

Arbeitgeber als auch die Gewerkschaften müssen diese<br />

Aufgabe endlich ernst nehmen. Gleichstellung auf dem<br />

(D)<br />

Es ist unser aller Aufgabe, endlich den Weg zur Entgeltgleichheit<br />

konsequent zu gehen. Ohne diese notwen-<br />

Arbeitsmarkt kann nur durch die Mitarbeit aller Verantwortlichen<br />

erreicht werden.<br />

digen politischen Maßnahmen und proaktiver Gesetzes- Wir fordern die Einführung eines Verbandsklagerechts<br />

regelung werden wir den gesellschaftlichen Skandal der für Vereinigungen im Sinne von Art. 9 Abs. 3 GG und für<br />

Lohndiskriminierung von Frauen nicht beenden. Übri- Verbände, die sich für die Gleichstellung der Geschlechgens,<br />

Gleichstellungspolitik ist eine Querschnittsaufter einsetzen. Dies hätte zur Folge, dass die Arbeitnehmegabe.<br />

Sie darf weder der Familienpolitik untergeordnet rinnen gegen kollektive Lohndiskriminierungen nicht im-<br />

noch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf redumer individuell klagen müssten.<br />

ziert werden. Frauen wollen und haben das Recht auf fair<br />

bezahlte und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.<br />

Sie brauchen sie zur Sicherung ihrer<br />

Existenz und zum Aufbau einer eigenständigen Altersversorgung.<br />

Darum hat die Linke einen eigenen Antrag eingebracht.<br />

Die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes<br />

ist derzeit intransparent und nicht besonders effektiv. Wir<br />

wollen auch, dass den schönen Worten endlich mehr Taten<br />

folgen. Doch eine Entkopplung vom Bundesministerium<br />

für Familie, Senioren, Frauen und Jugend würde<br />

nicht viel bringen. Vielmehr sind deutlich mehr finanzielle<br />

Mittel und ein engagierteres Auftreten für Diskrimi-<br />

Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nierte erforderlich. Wir fordern ein Gutachten, das die<br />

NEN):<br />

Ursachen direkter Diskriminierung aufgrund des Ge-<br />

Das Statistische Bundesamt hat uns im November die<br />

Zahlen vorgelegt: In Deutschland besteht zwischen<br />

Frauen und Männern ein durchschnittlicher Lohnunterschlechts<br />

aufzeigt. Daran muss eine umfassende Kampagne<br />

anschließen, die in den Unternehmen für diskriminierungsfreie<br />

Entlohnung wirbt.<br />

schied von 23 Prozent. Dass die Differenz nicht noch hö- Gemeinsam mit den Tarifparteien wollen wir prüfen,<br />

her ausfällt, haben wir den neuen Ländern zu verdanken, ob wir von der Schweiz lernen können. Wir müssen ja<br />

denn da liegt der Verdienstabstand lediglich bei 6 Pro- nicht alles neu erfinden, sondern können bei guten Ideen<br />

zent. Dass sich an diesem Zustand seit Jahren nichts än- auch einmal bei den Nachbarn abschauen. Die Lohnstrukdert,<br />

ist ein Skandal.<br />

turerhebung des schweizerischen Bundesamtes für Statis-<br />

Zu Protokoll gegebene Reden

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!