193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20975<br />
(A) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Nun wird Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C)<br />
es ernst. Als Zusatzpunkt zur nächtlichen Tagesordnung NEN): Ein Denkmal für Freiheit und Einheit in Berlin ist<br />
wird nun Deutschlands wichtigstes Denkmal der ein großes und ehrbares Unterfangen. Ein Platz, an dem<br />
Jetztzeit auf Deutschlands wichtigstem Platz, dem wir uns der guten Momente unserer Geschichte erinnern<br />
Schlossplatz, und auf Deutschlands teuerstem Sockel, können, aus dem Inspiration erwächst, an dem Debatten<br />
der 10-Millionen-Euro-Erhebung, auf der früher Kaiser angestoßen werden über Freiheit, über Demokratie, über<br />
Wilhelm I. stand, gesetzlich fundiert und finanziert. Die die Wiedergewinnung der Einheit und wie wir mit ihr<br />
Koalitionsparteien und die FDP haben das so beschlos- umgehen.<br />
sen – ein Konstrukt, das an die friedliche Revolution im<br />
Herbst 1989 einerseits und andererseits an die Wiedererlangung<br />
der deutschen Einheit 1990 erinnern – und<br />
zudem noch „eingebettet“ werden soll in die deutsche<br />
Freiheits- und Einheitsgeschichte des 19. und<br />
20. Jahrhunderts.<br />
Viele honorable Persönlichkeiten haben sich zu dem<br />
Denkmalprojekt geäußert. Bereits vor mehr als einem<br />
Jahr hat der <strong>Bundestag</strong> dann quasi über Nacht beschlossen,<br />
ein solches Denkmal 2009 zu errichten. Wir haben<br />
damals gesagt: Ein Denkmal, das an die friedliche Revolution<br />
erinnern soll, an den demokratischen Urruf „Wir<br />
Wer die friedliche Revolution im Herbst 1989 mit der sind das Volk“, kann nicht einfach von oben verordnet<br />
Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands werden. Wir brauchen dafür eine breite Debatte, an der<br />
1990 in eins setzt, wird diesem Erbe nicht gerecht, weil<br />
beide Vorgänge zwei Stufen eines komplexen internationalen,<br />
historischen Prozesses darstellen, die nicht unmittelbar<br />
aufeinander bezogen werden können. Diese Revolution<br />
mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ ist singulär in<br />
der deutschen Geschichte, sodass sie erst recht nicht mit<br />
den freiheitlichen Bewegungen und Einheitsbestrebungen<br />
der vergangenen Jahrhunderte vermengt werden<br />
kann. Ich habe schon einmal festgestellt, dass dieses<br />
Vorhaben einer Verwischtechnik entspricht, die alles<br />
sich viele beteiligen können, in der über das Ob und über<br />
das Wie eines so ernsthaften Anliegens diskutiert wird,<br />
in der der demokratische Impuls von unten ernst genommen<br />
wird. Denn es zeichnet doch die Genese von Denkmälern<br />
aus, dass gerade die Debatte über die Errichtung<br />
ebenso wichtig sein kann für die eigene Selbstverständigung<br />
wie das errichtete Denkmal selbst. Ich halte das<br />
noch immer für einen ganz zentralen Punkt. Doch die<br />
Mehrheit im Hause hat sich damals dagegen und stattdessen<br />
für ein Hauruckverfahren entschieden.<br />
(B)<br />
Mögliche zusammenbringen will, ohne zu fragen, ob das<br />
überhaupt geht. Aber das macht nichts, Hauptsache wir<br />
bekommen ein Denkmal in Berlin, Kostenpunkt mit Sockel<br />
15 Millionen Euro. Das nenne ich dreiste Verschwendung<br />
in schwerer Zeit.<br />
Und heute? Obwohl die von uns eingeforderte breite<br />
Diskussion nun weitestgehend ausblieb, ist der von der<br />
Koalition vorgelegte Zeitplan längst Makulatur geworden.<br />
In dem uns jetzt vorliegenden Antrag wird die Ausschreibung<br />
eines Gestaltungswettbewerbs gefordert, der (D)<br />
Und dann „würdigen wir gemeinsam mit dem Land<br />
Sachsen und der Stadt Leipzig den Beitrag der Bürgerinnen<br />
und Bürger dieser Stadt zur friedlichen Revolution<br />
auf angemessene und sichtbare Weise“. Da kann man<br />
sehr gespannt sein, wie dies wohl geht: fern wirkend<br />
oder virtuell oder mit Hinweisschildern und lieber doch<br />
nur verbal.<br />
vor mehr als einem halben Jahr schon hätte beginnen<br />
sollen. Das liegt nun aber gerade nicht etwa daran, dass<br />
eine intensive Denkmalsdebatte stattgefunden hätte; das<br />
liegt daran, dass die Kosten entgegen aller uns bisher<br />
präsentierten Zahlen Stück für Stück immer weiter in die<br />
Höhe geschraubt worden sind. Noch im Sommer wurden<br />
5 Millionen Euro genannt. Heute entscheidet der <strong>Bundestag</strong><br />
mal eben über das Dreifache der ursprünglichen<br />
Kalkulation.<br />
Die Fraktion Die Linke hat ein Erinnern an Leipzig in<br />
Leipzig vorgeschlagen: Erinnern an diejenigen, die oft<br />
unter großer persönlicher Gefahr Demokratie und Freiheit<br />
in der DDR einforderten, Erinnern an die Abertausend<br />
Bürger und Bürgerinnen in Leipzig, die demonstriert,<br />
protestiert, geredet und andere überzeugt haben,<br />
Erinnern an diejenigen, die in den Kasernen und Polizeiwachen<br />
geblieben sind und dafür gesorgt haben, dass die<br />
Demokratie ohne Blutvergießen begann. Und da aus unserer<br />
Sicht eine solche unblutige Revolution keinen<br />
herkömmlichen Denkmalkult erlaubt, möchten wir in<br />
Leipzig ein Denkzeichen zusammen mit einem „Ort der<br />
Information“ und einem „aktiven Museum“ errichtet sehen,<br />
welches den Nachgeborenen die grundsätzliche<br />
Auseinandersetzung mit der Idee der Freiheit eröffnet.<br />
Vergeblich bisher. Vielleicht wird eines Tages dennoch<br />
dieser Vorschlag aufgenommen, nach ausführlicher, groß<br />
angelegter Diskussion im ganzen Land. Das wäre dann<br />
wirklich etwas anderes als diese klandestine Vollzugsnummer<br />
heute am frühen Morgen, der wir entschieden<br />
unsere Zustimmung verweigern.<br />
Diese Nachlässigkeiten bei einem Denkmal, das sicher<br />
nicht nur in Deutschland, sondern weit darüber hinaus<br />
für Schlagzeilen sorgen wird, dienen nicht dazu,<br />
Vertrauen aufzubauen. Ein Denkmal von solcher Tragweite<br />
ist nicht nebenbei zu machen, und der heute vorliegende<br />
Antrag zeigt nicht unbedingt, dass aus den bisherigen<br />
Fehlern viel gelernt wurde.<br />
Warum etwa muss ein Denkmal für Freiheit und Einheit<br />
trotz aller Kritik und trotz der enormen Kostensteigerungen<br />
auf dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal-Sockel errichtet<br />
werden? Sollte es uns nicht um die Erinnerung an<br />
friedliche Revolution und demokratische Erneuerung gehen<br />
statt um Referenzen an ein Nationaldenkmal preußisch-militaristischer<br />
Geschichte? Es gibt gute Alternativvorschläge,<br />
nicht zuletzt den Pariser Platz, die kaum<br />
näher beleuchtet wurden. Hier wäre ein wahrhaft historischer<br />
Ort, ganz in der Nähe des Brandenburger Tores,<br />
das nicht nur für die Teilung Deutschlands, sondern ganz<br />
Europas stand. Hier ließe sich auch deutlich machen,