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193. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20947<br />

(A) Vertriebenen auf die inhaltliche Ausrichtung nehmen wechselseitigen Vertrauens und des gegenseitigen Re- (C)<br />

wird und welche Versatzstücke des „Zentrums gegen spekts auch der polnischen Seite erläutert. Die polnische<br />

Vertreibung“ womöglich in die Konzeption einfließen. Regierung hält eine beratende wissenschaftliche Begleitung<br />

polnischer Historiker für denkbar. Damit ist ein<br />

wichtiger Schritt für die Einbindung in europäische Bezüge<br />

geleistet, auf die ich großen Wert lege.<br />

Das Projekt sollte keine nationale Angelegenheit sein<br />

und auf keinen Fall Argwohn im Ausland wecken. Wir<br />

wünschen uns deshalb eine enge Abstimmung mit unseren<br />

europäischen Nachbarn. Wir setzen uns deshalb nach<br />

wie vor für ein europäisches Forschungsnetzwerk ein.<br />

Die Leiden der Vergangenheit dürfen nicht für nationale<br />

Interessen instrumentalisiert werden.<br />

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Anmerkung<br />

machen. Wir sprechen oft von der Integration der Muslime<br />

in Deutschland. Wäre es deshalb nicht wünschenswert,<br />

wenn ein Vertreter der Muslime in Deutschland im<br />

Stiftungsrat oder zumindest im wissenschaftlichen Beirat<br />

der Stiftung vertreten wäre? Das wäre ein wichtiges<br />

„sichtbares Zeichen“ für die Integration heute.<br />

Ziel ist es, die Erinnerung und das Gedenken an das<br />

„Jahrhundert der Vertreibungen“ und das damit verbundene,<br />

uns alle berührende menschliche Leid wachzuhalten.<br />

Dabei soll die gesellschaftliche wie historische Aufarbeitung<br />

im Geist der Versöhnung geschehen. Es soll<br />

eine Ausstellungs- und Dokumentationsstätte eingerichtet<br />

werden, mit der nicht nur die Erlebnisgeneration angesprochen<br />

wird. Auch den jüngeren Menschen im Inund<br />

Ausland soll dieser Teil unserer Geschichte näher<br />

gebracht werden. Im Vordergrund der Ausstellung stehen<br />

Flucht und Vertreibung der Deutschen insbesondere<br />

aus den ehemaligen Ostgebieten während und nach dem<br />

Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin:<br />

Heute bringen wir eine geschichtspolitische<br />

Initiative von besonderer Bedeutung auf den Weg: die<br />

Gründung der Stiftung Deutsches Historisches Museum<br />

und damit verbunden die Gründung der unselbstständigen<br />

Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Ausgangspunkt<br />

ist der Koalitionsvertrag von 2005, in dem<br />

den Regierungsparteien der Auftrag erteilt wird, in Berlin<br />

ein „sichtbares Zeichen“ zu setzen, um an das Unrecht<br />

von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibungen<br />

für immer zu ächten. Flucht und Vertreibung wirken<br />

auch über sechs Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Welt-<br />

Zweiten Weltkrieg. Aber nicht nur Deutsche waren vom<br />

Schicksal der Vertreibung betroffen, deshalb wird sich<br />

die Ausstellung nicht nur auf sie konzentrieren. Von<br />

Flucht, Vertreibung und von den sogenannten Zwangsmigrationen<br />

waren im 20. Jahrhundert viele Millionen<br />

Menschen in ganz Ostmitteleuropa und in der damaligen<br />

Sowjetunion betroffen. Aus diesem Grund gehören die<br />

gesamteuropäischen Aspekte dieses Themas als genuine<br />

Bestandteile selbstverständlich zu dessen Aufarbeitung.<br />

Auch die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge<br />

in West und Ost und ihre Aufbauleistungen sollen<br />

einbezogen werden.<br />

(B) krieges in Politik und Gesellschaft, ja im Alltag und<br />

auch in den Medien nach. Wir müssen uns mit diesem<br />

Thema verantwortungsbewusst auseinandersetzen, ist es<br />

doch Bestandteil der deutschen Geschichte, aber auch<br />

der Biografien vieler unserer Bürgerinnen und Bürger.<br />

Es gehört zur Aufbaugeschichte der Bundesrepublik<br />

Deutschland und gleichzeitig zur europäischen Geschichte<br />

als Folge eines von den Nationalsozialisten entfesselten<br />

verbrecherischen Krieges mit bis heute zum<br />

Teil schmerzlichen Implikationen für die Beziehungen<br />

Deutschlands zu seinen östlichen Nachbarn.<br />

Für all diese konzeptionellen Elemente galt es, einen<br />

passenden rechtlichen und organisatorischen Rahmen zu<br />

finden. Mit der Schaffung einer unselbstständigen Stiftung<br />

in der Trägerschaft des Deutschen Historischen<br />

Museum ist dies, wie ich meine, in optimaler Weise gelungen.<br />

Die gewählte Rechtsform ermöglicht nicht nur<br />

die bedeutungsgebende Namensgebung Stiftung „Flucht,<br />

Vertreibung, Versöhnung“, sondern steht auch für Kontinuität<br />

und Gewicht dieser Einrichtung. Dass es sich bei<br />

dem Träger – dem Deutschen Historischen Museum –<br />

um eine Einrichtung handelt, die sich sowohl durch<br />

(D)<br />

Die Aufarbeitung von Flucht und Vertreibung der<br />

Deutschen muss daher im Kontext der Geschichte des<br />

20. Jahrhunderts insgesamt und insbesondere im Zusammenhang<br />

mit dem Zweiten Weltkrieg erfolgen.<br />

fachwissenschaftliche als auch gesellschaftliche Akzeptanz<br />

auszeichnet, steht außer Frage. Ein ganz besonders<br />

geeigneter Träger ist das DHM aber insbesondere auch<br />

deshalb, weil die adäquate Einbettung der Thematik der<br />

Vertreibungen in den allgemeinen historischen Zusammenhang<br />

dadurch nochmals verdeutlicht wird.<br />

Bei der Umsetzung des Auftrags aus dem Koalitionsvertrag<br />

habe ich von Anfang an gleichermaßen Wert auf<br />

die Einbindung der Betroffenen als auch auf die wissenschaftliche<br />

Expertise gelegt. Deshalb waren an dem Beraterkreis,<br />

der uns bei der Erstellung der Konzeption<br />

unterstützt hat, einerseits parteiübergreifend Persönlichkeiten<br />

beteiligt, die über langjährige politische Erfahrung<br />

verfügen und den legitimen Anliegen der Vertriebenen<br />

verbunden sind. Andererseits waren insbesondere<br />

auch Wissenschaftler aus dem In- und Ausland in diesen<br />

Kreis eingebunden. Es ist als großer Erfolg zu bezeichnen,<br />

dass im Ergebnis ein Konsens zwischen den Regierungsparteien<br />

hergestellt werden konnte. Zudem habe<br />

ich die Konzeption des sichtbaren Zeichens im Februar<br />

dieses Jahres in Warschau in einer Atmosphäre des<br />

Die unselbstständige Stiftung „Flucht, Vertreibung,<br />

Versöhnung“ wird einen eigenen Direktor bzw. eine eigene<br />

Direktorin und eigene Gremien haben. Eine wichtige<br />

Rolle wird dem Stiftungsrat zukommen. In ihm werden<br />

neben der Bundesregierung und dem Deutschen<br />

<strong>Bundestag</strong> Vertreter des Bundes der Vertriebenen, die beiden<br />

großen Kirchen und der Zentralrat der Juden mitwirken.<br />

Die auch bisher schon herausgehobene Bedeutung<br />

wissenschaftlicher Beratung setzt sich nach Errichtung<br />

der unselbstständigen Stiftung in institutionalisierter<br />

Form fort, indem die Einrichtung einen eigenen wissenschaftlichen<br />

Beraterkreis haben wird. Mir ist es ganz<br />

wichtig hervorzuheben, dass dieses Gremium für die

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