193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20755<br />
(A)<br />
Britta Haßelmann<br />
Warum sage ich das? Natürlich ist nichts dagegen ein- durchs Land und propagieren überall: Die Hartz-IV-Re- (C)<br />
zuwenden, wenn Familien eine Kindergelderhöhung begelsätze, die Kinderregelsätze, alles ist viel zu niedrig;<br />
kommen. Diejenigen, die sie zu Beginn des nächsten der <strong>Bundestag</strong> muss jetzt handeln.<br />
Jahres bekommen werden, werden sich darüber freuen.<br />
Auch aus Sicht derjenigen, die vom Schulstarterpaket<br />
letztlich profitieren, spricht nichts dagegen; sie werden<br />
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:<br />
Recht haben sie!)<br />
sich über 100 Euro mehr freuen. Und auch diejenigen,<br />
denen die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen<br />
zugutekommt, werden sich freuen. Für Familien und<br />
Kinder, die diese Leistungen erhalten – ich betone: die<br />
diese Leistungen erhalten –, ist das sicher positiv. Wir<br />
Damit bekommen sie dicke Schlagzeilen in den regionalen<br />
Zeitungen der unterschiedlichen Länder. Aber hier,<br />
im <strong>Bundestag</strong>, kneifen Sie.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
haben hier aber auch über diejenigen zu reden – das hat<br />
von den Rednern aus der Großen Koalition bisher niemand<br />
getan –, die diese Leistungen nicht erreichen. Das<br />
ist doch der Punkt. Sie machen ein Familienleistungsgesetz<br />
und verkaufen es als die Maßnahme, als Konjunkturprogramm<br />
und als Erfolgsgeschichte für Familien,<br />
Deshalb werden wir heute genau diesen Antrag zur<br />
Abstimmung stellen. Sie können sich hier nicht einfach<br />
aus der Verantwortung stehlen, im Land sagen, dass eine<br />
Erhöhung des Kinderregelsatzes dringend notwendig ist,<br />
hier aber erklären, dass eine solche Erhöhung nicht infrage<br />
kommt.<br />
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Luft holen!)<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
dabei wird ein großer Teil der Familien und Kinder in<br />
Deutschland nicht erreicht. Das ist das Problem, über das<br />
wir heute zu sprechen haben.<br />
Und jetzt sage ich noch etwas zu der Posse um das<br />
Schulbedarfspaket: Sie bringen ein Schulbedarfspaket<br />
für Kinder von der 1. bis zur 10. Klasse, die aus armen<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Familien kommen, auf den Weg. Was ist das für eine bil-<br />
sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE dungspolitische Botschaft? Sind Kinder aus diesen Fa-<br />
LINKE])<br />
milien nicht auch in der Lage, Abitur zu machen?<br />
Das Gesetz erreicht die Kinder, die am dringendsten<br />
Unterstützung brauchen, nicht. Kinder in prekären Situationen,<br />
die auf Hilfe angewiesen sind, profitieren in kei-<br />
Sollten sie nicht auch die Chance bekommen bis zum<br />
Abitur oder zum Abschluss einer berufsbildenden<br />
Schule geführt zu werden?<br />
ner Weise davon. Es gibt genügend Familien mit Kin- In den Zeitungen kann man lesen, was Sie sich in den<br />
dern – das wissen Sie ganz genau –, die von der letzten zwei Tagen geleistet haben: einen offenen Koali-<br />
(B)<br />
Kindergelderhöhung nicht einmal ansatzweise profitieren.<br />
Warum klopfen Sie sich kurz vor Weihnachten hier<br />
eigentlich ständig selbst auf die Schultern? Erläutern Sie<br />
tionsstreit darüber, ob man sich die Ausgabe der<br />
17 Millionen Euro leisten kann, die es kosten würde, die<br />
Kinder aus ärmeren Familien zu unterstützen, die weiter-<br />
(D)<br />
doch einmal, warum Sie meinen, einen großen Teil der führende Schulen besuchen, und ob diese 17 Millio-<br />
Kinder ausgrenzen zu müssen.<br />
nen Euro mit der Verlängerung bei der Absetzbarkeit der<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –<br />
Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:<br />
Ungerecht ist das! – Johannes Singhammer<br />
[CDU/CSU]: Einfach zuhören!)<br />
betrieblichen Betreuungskosten gegengerechnet werden<br />
können. In Klammern füge ich hinzu: Diese Maßnahme<br />
verursacht locker 70 bis 100 Millionen Euro Mindereinnahmen.<br />
Das haben Sie als Große Koalition nicht hinbekommen.<br />
Das muss man den Leuten draußen erzählen.<br />
Was ist das für ein Maßstab? Was ist das für eine Politik<br />
im Sinne der Gerechtigkeit, die alle Kinder erreicht? Jedes<br />
Kind muss uns doch gleich viel wert sein in seinem<br />
Zugang zu Bildungschancen, in seiner Teilhabe an Bildung<br />
und in seiner materiellen Absicherung.<br />
Damit endlich einmal Schluss damit ist, dass Sie sich<br />
in dieser Debatte hier ständig selbst beweisen, wie stark<br />
Sie agiert haben, will ich auch in Richtung der Zuhörerinnen<br />
und Zuhörer sagen: Hier wird etwas vorgegaukelt;<br />
denn in Wirklichkeit wird nur ein Teil der Familien<br />
erreicht. Wir legen heute einen Entschließungsantrag<br />
vor, der im Bundesrat einstimmig beschlossen worden<br />
ist. Im Bundesrat haben die CDU- und SPD-geführten<br />
Länder die Mehrheit. Dort ist einstimmig beschlossen<br />
worden, den <strong>Bundestag</strong> dazu aufzufordern, die Eckregelsätze<br />
für Kinder neu zu fassen, die Kinderregelsätze zu<br />
erhöhen und dies umgehend, sofort und nicht erst in<br />
zwei oder drei Jahren zu tun.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Das werden wir heute zur Abstimmung stellen. Wir entlassen<br />
Sie an dieser Stelle nicht mit warmen Worten aus<br />
Ihrer Verantwortung.<br />
Wissen Sie eigentlich, was passiert? Von Nordrhein-<br />
Westfalen bis Bayern gehen die Sozialminister der<br />
Union und der SPD, Karl-Josef Laumann und andere,<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Sie liefern ein Armutszeugnis ab mit dem, was Sie<br />
sich in den vergangenen zwei Tagen mit Ihrem Streit geleistet<br />
haben. 17 Millionen Euro zusätzliche Ausgaben<br />
gegen 100 Millionen Euro Mindereinnahmen. Das waren<br />
Ihnen die Kinder an dieser Stelle nicht wert. Das<br />
finde ich wirklich fatal.<br />
Was bleibt also unter dem Strich bei diesem fulminanten<br />
Familienleistungsgesetz? Es bleibt die Kindergelderhöhung,<br />
die die Familien erreicht und für die Familien<br />
gut ist, die davon profitieren. Es bleiben 100 Euro als<br />
Einmalhilfe für die Schüler von der 1. bis zur 10. Klasse,<br />
die unterstützungsberechtigt sind. Außerdem sind haushaltsnahe<br />
Dienstleistungen künftig eher absetzbar als<br />
bisher.