193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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20914 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />
(A) werden sollen und die EU-Kommission von entspre- Kampf gegen den sogenannten internationalen Terroris- (C)<br />
chenden Plänen erst einmal Abstand genommen hat, wie mus wird eine Vielzahl sicherheitspolitischer Maßnah-<br />
aus Brüssel zu hören war, sind sie noch lange nicht vom men auch durch die europäische Ebene beeinflusst.<br />
Tisch.<br />
Hierzu gehören zwangsläufig auch die Sicherheit auf<br />
europäischen Flughäfen und Sicherheitsbestimmungen<br />
im internationalen Luftverkehr. Entsprechende Maßnahmen<br />
sollen den Bürgerinnen und Bürgern Schutz bieten,<br />
beispielsweise vor terroristischen Anschlägen.<br />
So prescht nämlich die Bundesregierung mit diesem<br />
Thema nun doch voran. Zuerst hieß es ja im Tonfall inbrünstiger<br />
Ablehnung von Herrn Schäuble, man wolle<br />
diesen „Unfug“ nicht mitmachen. Doch nun hat die Bundesregierung<br />
zugegeben: Die Nacktscanner sollen für<br />
den Praxiseinsatz getestet werden. Die Bundesregierung<br />
hat die Menschen in Deutschland getäuscht. Das muss<br />
man hier einmal ganz klipp und klar festhalten.<br />
Und wenn ich dann Sie, geschätzter Herr Kollege<br />
Wiefelspütz, in der Tagesschau sehe, wo Sie letzten<br />
Sonntag wiederum im Brustton der Überzeugung vorgetragen<br />
haben, dass Nacktscanner mit der Menschenwürde<br />
unvereinbar sind, dann frage ich mich, ob Ihnen<br />
schon einmal aufgefallen ist, dass Ihre Fraktion in der<br />
Regierungskoalition ist. Aber das ist ja wohl die neue<br />
Taktik der SPD: sich aufspielen als zähnefletschender<br />
Tiger, der die Bürgerrechte verteidigt, und dann als Bettvorleger<br />
landen, wenn Herr Schäuble böse guckt. Beim<br />
BKA-Gesetz haben Sie es ja gerade vorgemacht.<br />
Ich fordere die Bundesregierung an dieser Stelle<br />
nochmals nachdrücklich auf: Setzen Sie sich in Brüssel<br />
dafür ein, dass die Flugsicherheitsregelungen gründlich<br />
geprüft und unverhältnismäßige Regelungen wie die zu<br />
Flüssigkeiten im Handgepäck schnellstmöglich abgeschafft<br />
werden!<br />
Jan Korte (DIE LINKE): Der Raum der Freiheit, der<br />
Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union<br />
greift seit einigen Jahren Raum in den Debatten des<br />
Deutschen <strong>Bundestag</strong>es – zu Recht; denn nicht nur im<br />
Vor diesem Hintergrund beschloss die Europäische<br />
Kommission eine Verordnung (EG) Nr. 1546/2006 zur<br />
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 622/2003 zur Festlegung<br />
von Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen<br />
grundlegenden Normen für die Luftsicherheit. Im<br />
Klartext geht es hierbei um das Mitführen von Flüssigkeiten<br />
in Flugzeugen. Hiernach dürfen Behältnisse, die<br />
mehr als 100 Milliliter Füllmenge haben, nicht mehr im<br />
Handgepäck mitgeführt werden. Was am Anfang eine<br />
durchaus vernünftige Überlegung war, entpuppte sich in<br />
der Praxis als vollkommen bürgerunfreundlich. Dies<br />
wird auch in dem von der FDP-Fraktion vorgelegte Antrag<br />
festgestellt.<br />
(B)<br />
Ich empfehle der Bundesregierung übrigens einmal<br />
einen Blick in die Unterlagen des Workshops zu Nacktscannern,<br />
der am 6. November in Brüssel stattgefunden<br />
hat. Die Ergebnisse sind eindeutig: Nacktscanner, die die<br />
Menschenwürde durch Unkenntlichmachung zum Beispiel<br />
des Gesichts oder durch Überblendung des tatsächlichen<br />
Körperumrisses mittels Modellen wenigstens ansatzweise<br />
besser schützen sollen, taugen nichts. Daraus<br />
wird klar: Wer auf Nacktscanner setzt, ist auf dem Holz-<br />
Dieser Feststellung möchte sich die Fraktion Die<br />
Linke anschließen. Viele Flugreisende haben es in den<br />
vergangenen Jahren miterleben müssen: Im Flughafenshop<br />
gekaufte Geschenke für die Daheimgebliebenen<br />
mussten an den Kontrollpunkten zurückgelassen werden,<br />
ebenso wie Parfümflakons, Kosmetika und Ähnliches.<br />
Dieser Umstand hat nicht nur Bürgerinnen und<br />
Bürger verärgert. Auch der Nutzen und die Verhältnismäßigkeit<br />
dieser Maßnahme sind fraglich. Auch, so<br />
wurde in einer Sachverständigenanhörung im Europäischen<br />
Parlament deutlich, ist der Gewinn an Sicherheit (D)<br />
weg. Daran werden auch Tests nichts ändern, zumal Sie durch diese Verordnung nur schwer nachweisbar, unter<br />
doch niemandem vormachen können, dass die Bundes- anderem auch deshalb, weil die hierfür notwendigen<br />
polizei neuerdings Grundlagenforschung betreibt. Das Kontrollen an Flughäfen innerhalb der EU Lücken auf-<br />
sind Praxistests. Das ist die Vorbereitung zum tatsächliwiesen.chen Einsatz am lebenden Objekt, am Reisenden an<br />
deutschen Flughäfen.<br />
Bei verschiedenen Stichproben der Kontrollen an<br />
deutschen Flughäfen wurde deutlich, dass durch die zu-<br />
Sicherheit im Flugverkehr ist von größter Bedeutung. nehmende Privatisierung der Gepäckkontrollen und<br />
Aber Maßnahmen, die gegen Art. 1 unseres Grundgesetzes,<br />
gegen die unantastbare Würde des Menschen verstoßen,<br />
können und dürfen dazu nicht zur Debatte stehen.<br />
Ich fordere die Bundesregierung auf, jegliche Tests<br />
an Nacktscannern umgehend einzustellen. Vielmehr<br />
muss verstärkt daran geforscht werden, gefährliche von<br />
nicht gefährlichen Flüssigkeiten unterscheiden zu können.<br />
Nicht Menschen müssen durch die Scanner geschleust<br />
werden, sondern die Flüssigkeiten, die analysiert<br />
werden sollen. Das wäre eine sinnvolle, effektive<br />
und verhältnismäßige Maßnahme.<br />
durch den damit verbundenen Lohn-, Zeit- und Abfertigungsdruck<br />
massive Sicherheitslücken entstehen. Die<br />
Linke forderte vor diesem Hintergrund in einem Antrag<br />
die Re-Verstaatlichung der Gepäckkontrollen an Flughäfen<br />
bzw. die Einführung eines Mindestlohns für Beschäftigte<br />
in diesem Sicherheitssegment und deren bessere<br />
Ausbildung. Zusätzlich werden die erheblichen<br />
Mehrkosten zur Kontrolle von im Handgepäck mitgeführten<br />
Flüssigkeiten nun durch die damit beauftragten<br />
Unternehmen an die Beschäftigten weitergegeben. Dieser<br />
Zustand ist unzumutbar und sicherheitspolitisch äußerst<br />
bedenklich.<br />
Bereits am 5. September 2007 hat das Europäische<br />
Parlament die EU-Kommission aufgefordert, die entsprechende<br />
Verordnung einer Prüfung zu unterziehen<br />
und gegebenenfalls außer Kraft zu setzen. Dieses Ansinnen<br />
teilt die Fraktion Die Linke. Wir sind darüber hinaus,<br />
wie auch die FDP-Fraktion, der Meinung, dass mit<br />
der angesprochenen Maßnahme der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />
nicht gegeben ist. Vor diesem Hintergrund<br />
teilt meine Fraktion das Ansinnen der Liberalen,<br />
die Verordnung (EG) 1546/2006 aufzuheben oder zu-