193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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20712 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />
(A)<br />
Dr. Gregor Gysi<br />
Darüber können wir diskutieren, wenn Sie wirklich an geht manchmal mit Emotionen einher, was auch nicht (C)<br />
einer Lösung interessiert sind und nicht nur reden wol- schlimm ist. Aber letzten Endes muss man in diesem<br />
len.<br />
Hause sachlich und vernünftig darüber sprechen und<br />
(Stephan Hilsberg [SPD]: Das ist nicht ge-<br />
nach Wegen suchen.<br />
recht! Das hat mit Gerechtigkeit nichts zu Es geht um ein geschichtsträchtiges Thema, ein<br />
tun!)<br />
Thema, das die Menschen ursächlich berührt,<br />
Sie können aber den Rentnerinnen und Rentnern im<br />
Osten nach 18 Jahren Einheit nicht erklären, dass sie<br />
nach wie vor für die gleiche Leistung eine geringere<br />
Rente bekommen.<br />
(Stephan Hilsberg [SPD]: Das ist wohl wahr!)<br />
und es ist ein sehr komplexes Thema, sowohl für Ost- als<br />
auch für Westdeutschland.<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was will die<br />
Bundesregierung denn jetzt tun?)<br />
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das<br />
stimmt doch nicht!)<br />
Sie müssen denen, die heute arbeiten, erklären, dass sie<br />
bei längerer Arbeitszeit und niedrigeren Löhnen, die sie<br />
heute beziehen, später eine niedrigere Rente bekommen.<br />
Das ist nicht gerecht. Wir müssen endlich zu der Lösung<br />
kommen, dass es in Deutschland für gleiche Arbeit in<br />
etwa den gleichen Lohn und auch die gleiche Rente gibt.<br />
Abgesehen von den anderen Ungerechtigkeiten bei der<br />
Rente, über deren Beseitigung wir demnächst diskutieren<br />
werden – ich habe am Anfang meiner Rede darauf<br />
hingewiesen, worüber wir alles nicht reden –, ist das ein<br />
Minimum, das man erreichen muss.<br />
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister<br />
für Arbeit und Soziales:<br />
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!<br />
Ich fange gleich mit dem an, um das es geht.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)<br />
Es geht darum, dass wir in der Tat fast zwei Jahrzehnte<br />
nach der deutschen Wiedervereinigung etwas einzulösen<br />
haben, was damals diskutiert worden ist, nämlich dass es<br />
irgendwann in Deutschland zu einem gemeinsamen<br />
Rentensystem mit gleichen Regelungen in Ost und West<br />
kommt. Das ist diskutiert worden. Jetzt wird wieder darüber<br />
gesprochen, weil Menschen es als Diskriminierung<br />
begreifen, wenn dies nach langer Zeit noch nicht der Fall<br />
ist.<br />
Gleichwohl ist es nicht einfach – das haben meine<br />
Vorredner schon deutlich gemacht –, weil etwas zu beachten<br />
ist, das sich geschichtlich entwickelt hat. Das<br />
Deswegen sind wir gut beraten – das ist zum Teil schon<br />
geschehen – einen Blick in die Geschichte zu werfen.<br />
Wie war es am 30. Juni 1990? Damals lag die monatliche<br />
Eckrente in den alten Ländern bei 1 616 DM. Im Osten<br />
lag sie zwischen 470 und 602 Mark. Der Verhältniswert<br />
neue Länder zu alten Ländern lag damals zwischen<br />
29,1 und 37,3 Prozent.<br />
Wir sind jetzt im 19. Jahr der Einheit. Wenn Sie wenigstens<br />
sagen würden, im 20. Jahr der Einheit wird das<br />
Problem gelöst sein, dann wäre mir auch das zwar zu<br />
spät, aber es wäre ein gemeinsames Ziel. Lassen Sie uns<br />
Zum 1. Juli 1990 stellte sich das Bild bereits wie folgt<br />
dar: Knapp 1 667 DM im Westen standen 672 DM im<br />
Osten gegenüber. Damit ergab sich ein Verhältnis von<br />
40,3 Prozent. Über die Jahre 1991 und 1992 bis zum<br />
1. Juli 1993 kam es in Halbjahresschüben in den neuen<br />
Ländern zu Angleichungsraten von zweimal plus 15 Prozent<br />
sowie 11,65 Prozent, 12,73 Prozent, 6,1 Prozent<br />
und 14,12 Prozent.<br />
(B)<br />
gemeinsam daran arbeiten, meinetwegen auch in kleinen<br />
internen Gruppen. Das ist mir alles wurscht; Hauptsache,<br />
es kommt als Ergebnis heraus, dass in Deutschland diesbezüglich<br />
endlich Gerechtigkeit hergestellt ist.<br />
Danach war am 1. Juli 1993 bereits ein Verhältniswert<br />
von 72,3 Prozent erreicht. Das ist – da kann ich die Kollegin<br />
Michalk nur unterstützen – ein Beweis für die gemeinsame<br />
innere deutsche Solidarität, die an dieser<br />
(D)<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Stelle geleistet worden ist<br />
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)<br />
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:<br />
Für die Bundesregierung hat nun der Parlamentarische<br />
Staatssekretär Franz Thönnes das Wort.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]:<br />
Butter bei die Fische!)<br />
und die auch von unserer ökonomischen Stärke her<br />
machbar gewesen ist; denn wir wollten, dass auch hier<br />
das zusammenwächst, was zusammengehört.<br />
Die Angleichung sollte – so die damals beschlossene<br />
gesetzliche Grundlage; das ist ja in den Parlamenten beschlossen<br />
worden – der Lohnentwicklung in Ostdeutschland<br />
folgen. Um jedoch den Angleichungsprozess nicht<br />
nur darauf basieren zu lassen und auch vor dem Hintergrund<br />
niedrigerer Einkommen in den neuen Ländern galt<br />
und gilt bis heute ergänzend eine Höherwertung der<br />
Einkommen in den neuen Ländern bei der Ermittlung<br />
der jährlichen Entgeltpunkte. Ich komme gleich darauf<br />
zurück.<br />
Diese Berechnungsgrundlage hat dazu geführt, dass<br />
sich der Verhältniswert der Eckrente der neuen Länder<br />
dem in den alten Ländern zum 1. Juli 2008 auf 88,1 Prozent<br />
angenähert hat. Es ist richtig, aufgrund der geringeren<br />
Lohnentwicklung im Osten hat sich dieser Prozess in<br />
den letzten Jahren verlangsamt, und die Menschen fragen:<br />
Wann kommt denn die Angleichung?<br />
Aber diese Bestandsaufnahme ist um folgende Punkte<br />
zu ergänzen, wenn man die aktuelle Situation bewerten<br />
will: Die Beitragseinnahmen in den neuen Ländern reichen<br />
gegenwärtig nicht aus, um die Rentenausgaben in