193. Sitzung - Deutscher Bundestag
193. Sitzung - Deutscher Bundestag
193. Sitzung - Deutscher Bundestag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
20846 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />
(A)<br />
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)<br />
können wir ja noch nicht – anders als die Koalitionsfrak- Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE):<br />
(C)<br />
tionen – auf die Ressourcen mehrerer Bundesministerien Heute geht es wieder einmal um die dringend notwen-<br />
zurückgreifen.<br />
dige Novellierung des Telemediengesetzes (TMG). Das<br />
TMG gibt es erst seit Februar 2007. Da der Gesetzgeber<br />
Der von uns vorgelegte Gesetzentwurf stellt noch einmal<br />
die grundsätzliche Nichtverantwortlichkeit für In-<br />
aber an vielen Stellen geschlampt hat, besteht nach wie<br />
vor dringender Nachbesserungsbedarf. Bereits im Mai<br />
halte Dritter heraus. Dennoch können Anbietern von Te- dieses Jahres haben wir über die Anträge der Grünen und<br />
lemedien Sorgfaltspflichten auferlegt werden, um meiner Fraktion zur Verbesserung des TMG beraten. Die<br />
Rechtsverletzungen zu beenden oder zu verhindern. Die- Probleme sind allen bekannt. Lassen Sie es mich sehr<br />
ses Verfahren wird durch den Entwurf formalisiert und deutlich sagen: Dass wir bis heute keine Novellierung des<br />
präzisiert, was Rechteinhaber und in ihren Rechten Ver- Gesetzes haben, ist nicht nachvollziehbar und ein Arletzte<br />
stärkt. Mit den gesetzlichen Klarstellungen werden mutszeugnis für die Regierungskoalition.<br />
demnach bestehende Defizite im Telemedienrecht korrigiert.<br />
Die Neuregelungen begründen ein formalisiertes<br />
Verfahren zur Durchsetzung von Rechtsgütern durch Entfernung<br />
oder Sperrung der Nutzung von Inhalten durch<br />
Diensteanbieter.<br />
Das TMG ist im übertragenen Sinne das deutsche Straßenverkehrsgesetz<br />
des Internets. Allerdings ist im aktuellen<br />
Gesetz nicht geregelt, wer die Pflicht zur Haftung<br />
trägt oder unter welchen Voraussetzungen Informationen<br />
über Autofahrerinnen und Autofahrer gespeichert oder<br />
Das Verursacherprinzip wird im haftungsrechtlichen<br />
Kontext gestärkt. Bestehende Rechtslücken im Bereich<br />
der Suchmaschinen und Hyperlinks werden geschlossen.<br />
Beide müssen als unverzichtbare und grundlegende Mechanismen<br />
für eine sinnvolle Nutzung der unübersehbaren<br />
Informationsfülle im Internet angesehen werden und<br />
dürfen daher haftungsrechtlich nicht schlechter gestellt<br />
werden als andere Dienste. Mit der Gesetzesänderung<br />
würde somit diesen unverzichtbaren Diensten eine haftungsrechtliche<br />
Absicherung zukommen, die sie benötigen,<br />
um den freien Zugang zu Informationen und Meinungen<br />
zu gewährleisten.<br />
gelöscht werden. Das aktuelle TMG ist nichts weiter als<br />
niedergeschriebene Rechtsunsicherheit. Nun liegt ein<br />
erster Gesetzesentwurf mit Änderungswünschen von der<br />
FDP vor. Wesentliche Aspekte insbesondere hinsichtlich<br />
der ungeklärten Frage der Haftung von Inhalteanbietern<br />
und Providern sieht der Entwurf vor, allerdings fehlen aus<br />
Sicht der Linken etliche Gesichtspunkte.<br />
Gerne nenne ich Ihnen noch einmal unsere wichtigsten<br />
Forderungen. Es fehlt eine ausdrückliche Definition des<br />
Begriffes „Telemedien“. Es ist deswegen auch ungeklärt,<br />
wie digitale Inhalte in der Folge klassifiziert werden – je<br />
nachdem gelten unterschiedliche gesetzliche Vorschriften<br />
– und wer beispielsweise für die Aufsicht der Inhalte<br />
(B) Die Option zur Schaffung von Schwerpunktgerichten<br />
dient der sachgerechten Weiterentwicklung des Rechts.<br />
zuständig ist, wenn es um Fragen des Jugendschutzes<br />
geht.<br />
(D)<br />
Die Regelungen ermöglichen die Konzentration des im<br />
Telemedienbereich unverzichtbaren Sachverstands bei<br />
Auch der Schutz von persönlichen Daten ist durch das<br />
aktuell gültige Gesetz nicht gewährleistet. Wir brauchen<br />
gleichzeitigem Ausschluss negativer Begleiterscheinun- einen bürgerfreundlichen Datenschutz, der die Belange<br />
gen eines sogenannten fliegenden Gerichtsstands. der Nutzerinnen und Nutzer schützt. Deswegen fordern<br />
Der Datenschutz wird mit unserem Entwurf, insbesondere<br />
durch die erweiterten Transparenzvorschriften sowie<br />
die Pflicht zur Angabe der Erreichbarkeit des gegebenenfalls<br />
bestellten Datenschutzbeauftragten als<br />
Grundvoraussetzung für die effektive Durchführung ein-<br />
wir Linken klare und eindeutige Regelungen. So sollten<br />
Nutzerprofile nur bei ausdrücklicher Einwilligung der<br />
Betroffenen erstellt werden dürfen. Wir halten auch nach<br />
wie vor ein Kopplungsverbot zwischen der zwangsweisen<br />
Erhebung einer Vielzahl von Daten als Voraussetzung für<br />
die Nutzung von Systemen für ein sinnvolles Instrument<br />
schlägiger Aufgaben, ebenfalls gestärkt.<br />
zur Sicherung von Datensparsamkeit. Gerade die aktuel-<br />
Schließlich wird die bisher exzessive Ermächtigung<br />
zur Weitergabe sensibler Nutzerdaten in rechtsstaatlich<br />
notwendiger und wirtschaftlich vertretbarer Weise eingeschränkt.<br />
Die Kompensationspflicht bei Bestandsdatenabfragen<br />
stellt nämlich sicher, dass Diensteanbieter in einem<br />
angemessenen Umfang für Auskünfte gegenüber<br />
berechtigten Behörden entschädigt werden. Ein sinnvoller<br />
Nebeneffekt ist der ökonomische Anreiz, das Instrument<br />
Bestandsdatenauskunft seitens des Staates nicht zu<br />
exzessiv zu nutzen. Ein solcher Anreiz wirkt regulierend<br />
und ist rechtsstaatlich geboten.<br />
len Datenschutzskandale zeigen: Hier sind klare Regeln<br />
notwendig. Datenschutz ist ein Bürgerrecht, das nicht mit<br />
Füßen getreten oder beiläufig abgehandelt werden darf.<br />
Der hier debattierte Gesetzesentwurf der FDP legt einen<br />
Schwerpunkt auf die Frage der Haftung. Dies ist<br />
richtig, da sowohl die technischen Provider als auch die<br />
Inhalteanbieter wissen müssen, was erlaubt und was verboten<br />
ist. In den vergangenen 13 Monaten nach Inkrafttreten<br />
des TMG haben viele Gerichte in Deutschland in<br />
ähnlichen bzw. teilweise gleichen Fragen völlig unterschiedlich<br />
entschieden. Hier muss eine gesetzliche Klarstellung<br />
erfolgen, damit beispielsweise Inhalteanbieter<br />
Alles in allem bin ich der Auffassung, dass die FDP einen<br />
tragfähigen und ausgewogenen Entwurf vorgelegt<br />
hat. Ich appelliere an Sie, unseren Entwurf zu unterstüt-<br />
und Webseitenbetreiber in der Zukunft keinen präventiven<br />
Überwachungspflichten für fremde Inhalte ausgesetzt<br />
sind.<br />
zen, um ein modernes und zukunftssicheres Internetrecht Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, es<br />
zu schaffen.<br />
wird Zeit, dass Sie aus Ihrer Erstarrung erwachen und die<br />
Zu Protokoll gegebene Reden