193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20883<br />
(A)<br />
Dieter Grasedieck<br />
industriellen Nutzung von Biomasse können wir die Bun- Ich bin deshalb sehr froh, dass in den letzten Jahren (C)<br />
desrepublik langfristig an der Spitze dieses Wettbewerbs sowohl in der chemischen Industrie als auch in der Politik<br />
positionieren. Das Ministerium für Bildung und For- ein Umdenken erfolgt ist. Die Chancen und Potenziale<br />
schung hat angekündigt, die Erforschung der Weißen der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe wer-<br />
Biotechnologien an Hochschulen und außeruniversitären den inzwischen erkannt. Dafür sprechen das Verbund-<br />
Einrichtungen in den kommenden Jahren mit 100 Milliovorhaben „Bioraffinerie“ des Bundeslandwirtschaftsnen<br />
Euro unterstützen zu wollen. In großer Übereinstimministeriums, das Programm „BioEnergie 2021“ des<br />
mung mit den Forderungen der Regierungsfraktionen von Bundesforschungsministeriums, der Bioraffineriekon-<br />
SPD und CDU/CSU hat die Bundesregierung außerdem gress, unterstützt durch das Bundesumweltministerium,<br />
ressortübergreifend ein Cluster zur Förderung der Bio- oder die enormen Forschungsanstrengungen der chemiraffinerie<br />
in Mitteldeutschland erarbeitet. Nun bleibt zu schen Industrie selbst. Das zeigt, dass wir bereits ein gro-<br />
hoffen, dass dieses Konzept im Rahmen der Klimaschutzßes Stück vorangekommen sind.<br />
initiative des Umweltministeriums realisiert wird.<br />
Jetzt muss es aber darum gehen – und das ist auch<br />
All diese Teilerfolge machen deutlich: Es bewegt sich<br />
vieles in Deutschland, um den Herausforderungen in der<br />
Energiepolitik gewachsen zu bleiben. Noch sind viele<br />
Fragen offen, wenn wir über eine verstärkt industrielle<br />
Nutzung nachwachsender Rohstoffe sprechen. Das sind<br />
vor allem Fragen nach möglichen Konflikten des Biomasseausbaus<br />
mit der Nahrungsmittelproduktion und Fragen<br />
nach möglichen Konflikten zwischen Biomasse und bewährten<br />
Energieträgern. Diese Fragen sollten uns erst<br />
recht ermuntern, die Erforschung von Biomasse gerade<br />
an unseren Hochschulen strategisch voranzubringen.<br />
Kern des vorliegenden Koalitionsantrages –, die bestehenden<br />
Forschungs- und Entwicklungspotenziale auf nationaler<br />
und europäischer Ebene zu bündeln und in ein<br />
Gesamtkonzept zur Biomassenutzung einzubetten. Wie<br />
kann das geschehen? Zunächst brauchen wir schnellstmöglich<br />
eine ressortübergreifende Biomassestrategie des<br />
Bundes. Diese muss im nationalen Biomasseaktionsplan<br />
des zuständigen Bundeslandwirtschaftsministeriums enthalten<br />
sein. Daraus müssen konkrete Zielvorgaben und<br />
Schwerpunkte für die weitere Forschungsförderung abgeleitet<br />
werden.<br />
(B)<br />
In unserem Antrag wird besonderer Wert auf eine verstärkt<br />
wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den<br />
flankierenden Themen Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit<br />
und Wirkungsgrad von Biomasse gelegt. Auch in diesen<br />
Punkten gibt es zahlreiche Übereinstimmungen mit den<br />
Förderprogrammen der Bundesregierung. Dieser Konsens<br />
ist Grundlage für einen verantwortungsvollen poli-<br />
Darüber hinaus muss zügig ein Bioraffineriecluster<br />
mit Sitz in Ostdeutschland aufgebaut werden, das länderübergreifend<br />
die vielfältigen Kompetenzen im Bereich der<br />
Bioraffineriesystemtechnik bündelt. Im Osten deshalb,<br />
weil hier seit über einem Jahrzehnt Forschung und Entwicklung<br />
zum Thema „industrielle stoffliche Verwertung<br />
nachwachsender Rohstoffe“ stattfindet, die Institute bereits<br />
in engem Verbund mit Hochschulen und Unterneh-<br />
(D)<br />
tischen Umgang mit den Energieträgern der Zukunft. men zusammenarbeiten und auch das Deutsche Bio-<br />
Lassen Sie uns daher in diesen Bereichen die Forschung<br />
intensiver fördern! Lassen Sie uns die notwendigen<br />
Rahmenbedingungen für eine verstärkt industrielle<br />
Nutzung von Biomasse schaffen, und lassen Sie uns auch<br />
weiterhin gemeinsam überlegen, wie wir vorhandene<br />
Forschungskompetenzen strategisch aufeinander abstimmen<br />
können. Dann ist Deutschland auf den globalen<br />
Wandel in der Energiepolitik bestens vorbereitet.<br />
masse-Forschungszentrum hier beheimatet ist.<br />
Schließlich müssen wir die Ergebnisse des Sachstandsberichts<br />
des Büros für Technikfolgenabschätzung<br />
ernst nehmen, in dem enormer Entwicklungsbedarf bei<br />
der technischen Umsetzung festgestellt worden ist. Konkret<br />
bedeutet das, dass wir ganz gezielt mit Pilot- und Demonstrationsanlagen<br />
die bestehenden Verfahren prüfen<br />
und deren Machbarkeit untersuchen müssen.<br />
Um es deutlich zu sagen: Für den Technologie- und<br />
Andrea Wicklein (SPD):<br />
Warum die Biomasse nur in Wärme, Energie oder<br />
Kraftstoffe umwandeln, wenn daraus auch hochwertige<br />
Biokunststoffe hergestellt werden können? Ist es nicht viel<br />
sinnvoller, den Rohstoff Pflanze mehrfach zu nutzen, für<br />
die Chemie und als Energieträger? Und warum befinden<br />
sich in den Regalen unserer Supermärkte bisher kaum<br />
Verpackungen, die aus Pflanzen hergestellt sind?<br />
Forschungsstandort Deutschland wird ganz entscheidend<br />
sein, wie wir diesen Innovationsprozess gestalten.<br />
Deutschland ist in Europa der Chemiestandort Nummer<br />
eins. Wir müssen darauf achten, dass dies auch in den<br />
Zeiten des Rohstoffwandels hin zu den nachwachsenden<br />
Rohstoffen so bleibt. Dafür müssen wir schon jetzt die<br />
Weichen richtig stellen, übrigens auch in Ausbildung und<br />
Lehre an Schule und Universitäten, um die Fachkräfte<br />
von morgen schon heute für das Thema Chemie aus Bio-<br />
Diese Fragen beschäftigen mich, seit ich in meinem<br />
masse zu begeistern.<br />
Wahlkreis ein Forschungsinstitut besucht habe, dass sich Uns muss klar sein: Im Energiebereich gibt es mit der<br />
mit der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe Sonnenenergie, der Windkraft oder der Geothermie<br />
beschäftigt. Dort und auch an vielen anderen Orten in durchaus Alternativen zur Biomasse. Im Chemiebereich,<br />
Deutschland findet Grundlagenforschung statt. Dort dessen erdölbasierte Produkte unseren Alltag heute mehr<br />
werden Verfahren entwickelt, den Rohstoff Biomasse in denn je bestimmen, ist Biomasse die einzige Alternative<br />
einer Bioraffinerie für die Chemie nutzbar zu machen – zum Erdöl. Deshalb ist es wichtig, nach den effizientesten<br />
übrigens lange Zeit ohne staatliche Förderung, ohne Nutzungsmöglichkeiten und Nutzungsfolgen der nach-<br />
staatliche Zielvorgaben und klare Strategien.<br />
wachsenden Rohstoffe zu suchen und dafür politisch die<br />
Zu Protokoll gegebene Reden