193. Sitzung - Deutscher Bundestag
193. Sitzung - Deutscher Bundestag
193. Sitzung - Deutscher Bundestag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20847<br />
(A)<br />
Dr. Lothar Bisky<br />
Belange der digitalen Welt ernst nehmen. Wenn Sie das machen sind, diese aber entfernen müssen, sofern ihnen (C)<br />
machen, wird die Linke Sie gern unterstützen.<br />
das zumutbar ist. Solche Regelungen müssen auch auf<br />
Suchmaschinenanbieter ausgeweitet werden. Sie sind<br />
Grietje Staffelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Leider beraten wir heute nicht den von uns seit langem<br />
ebenso Zugangsdienstleister, die selbst keine Inhalte produzieren.<br />
(B)<br />
geforderten überarbeiteten Gesetzentwurf der Regierung<br />
zum Telemediengesestz, sondern einen der FDP. Bereits<br />
im Februar 2007, also vor fast zwei Jahren, hat die Koalition<br />
das Gesetz mit dem schönen Namen „Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz“verabschiedet.<br />
Aber schon damals hieß es: Wir müssen das<br />
Gesetz bald wieder aufschnüren, weil wichtige Fragen<br />
wie zum Beispiel die Haftungsregeln für Diensteanbieter<br />
nicht geklärt sind und die Anpassung an die neue EU-<br />
Fernsehrichtlinie verpasst wurde. So hat die Koalition<br />
uns nun schon zweimal hängen lassen: Erst verabschiedet<br />
sie ein Gesetz, das sie selbst nicht für gut hält, dann<br />
bleibt die versprochene Nachbesserung einfach aus.<br />
Vorschläge für ein funktionierendes Telemediengesetz<br />
aber liegen längst auf dem Tisch. So haben wir Grünen<br />
bereits zwei Anträge in den <strong>Bundestag</strong> eingebracht mit<br />
ganz klaren Forderungen, was im Telemediengesetz wie<br />
geregelt werden sollte. Dazu gehören auch Vorschläge<br />
zur Anbieterhaftung. Für uns ist klar: Es muss eindeutige<br />
Haftungsregeln für Diensteanbieter geben. Zugangsprovider<br />
dürfen nicht dazu verpflichtet werden, die von ihnen<br />
zugänglich gemachten oder transportierten Inhalte zu<br />
überwachen oder gar vorab nach rechtswidrigen Inhalten<br />
zu suchen. Das kann man von keinem Diensteanbieter<br />
ernsthaft verlangen. Das ist so, als würde man die Post<br />
verpflichten, die von ihr transportierten Briefe zu öffnen,<br />
um nachzuschauen, ob die Sendungen legal sind, und sie<br />
dann noch dafür haftbar zu machen, wenn ein Inhalt<br />
rechtswidrig war. Das kann natürlich nicht sein. Deshalb<br />
unterstützen wir hier die Vorschläge der FDP ganz eindeutig.<br />
Es muss zudem endlich klar definiert werden, wie eigentlich<br />
Blogs und Foren behandelt werden sollen. Auch<br />
sie bieten letztendlich eine Plattform für fremde Meinungen<br />
an. Das ist ja gerade ihr Charakteristikum. Wenn nun<br />
aber Blog- oder Forenbetreiber genötigt werden, jede Sekunde<br />
die Beiträge auf ihren Seiten auf mögliche rechtswidrige<br />
Inhalte zu prüfen, dann machen wir damit eine<br />
Szene kaputt, die für Vielfalt in der öffentlichen Debatte<br />
sorgt und eine Alternative zum Mainstreamjournalismus<br />
darstellt. Unzumutbare inhaltliche Kontrollen bedrohen<br />
hier ganz klar die Meinungsvielfalt, die das Netz ermöglicht.<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, Vorschläge,<br />
die Spamming härter bestrafen und die Verfolgung von<br />
Spam möglich machen, sind mitnichten Symbolpolitik.<br />
Die von uns Grünen seit langem unterbreiteten Lösungen<br />
können mit Sicherheit zu einer effektiven Bekämpfung von<br />
Spam beitragen. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern<br />
wäre schon viel gedient, wenn unerwünschte Werbemails<br />
in ihrem Postfach mit einem „W“ gekennzeichnet<br />
würden. Dann wüsste so manche und so mancher, dass es<br />
sich hier oft um bloße Abzocke handelt, die man getrost<br />
ignorieren sollte. Außerdem muss in Sachen Werbemails<br />
ein generelles Opt-in-Verfahren her. Das heißt, nur wer<br />
der Zusendung von Werbung vorher ausdrücklich zugestimmt<br />
hat, darf ebensolche erhalten. Jede Zusendung unerwünschter<br />
Werbung muss als Ordnungswidrigkeit geahndet<br />
und mit hohem Bußgeld belegt werden. Sie muss<br />
außerdem durch die Bundesnetzagentur verfolgt werden.<br />
Nur wenn es hier spürbare Sanktionen gegen die Versender<br />
gibt, kann Spam effektiv eingedämmt werden.<br />
(D)<br />
Eines aber muss gelten – und so sieht das ja auch der<br />
Großteil der aktuellen Rechtsprechung – Diensteanbieter<br />
sollen rechtswidrige Links und Inhalte entfernen, sobald<br />
sie davon Kenntnis erlangt haben und es ihnen technisch<br />
zumutbar ist. Mit dem sogenannten Notice-and-take-<br />
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt Lösungen,<br />
die einfach und effektiv sind. Aber Verbraucherschutz<br />
scheint weder das Thema der Koalition noch der<br />
FDP zu sein.<br />
down-Verfahren kann, wer zum Beispiel ein rechtswidri- Das Telemediengesetz hat noch unzählige weitere<br />
ges Video auf YouTube findet, dies dem Betreiber melden. Baustellen, die es endlich zu beheben gilt. Bis heute ist<br />
Der prüft es dann und muss es gegebenenfalls von der unklar, welche Angebote nun unter Telemedien und wel-<br />
Seite entfernen.<br />
che unter Rundfunk fallen. Das schafft keine Rechts-<br />
Eines müssen Sie sich klarmachen: Vorabkontrollen<br />
und -entfernungen durch die Diensteanbieter sind im Internet<br />
schlichtweg anachronistisch. Es ist ein Armutszeugnis<br />
der Bundesregierung, dass sie dies nicht von Anfang<br />
an klar ins Gesetz geschrieben hat. Das zeigt wieder<br />
einmal, wie wenig Glos und Co im Internetzeitalter angekommen<br />
sind. Das ganze Web 2.0 wäre mit Vorabkontrolsicherheit<br />
und führt zu eklatanten Regelungslücken.<br />
Genauso unzumutbar ist die verwirrende Gerichtszuständigkeit.<br />
Außerdem bedarf es einer dringenden Anpassung<br />
des Telemediengesetzes an die europäische Richtlinie für<br />
audiovisuelle Mediendienste und die dort festgelegte abgestufte<br />
Regelung zwischen linearen und nonlinearen Inhalten.len<br />
überhaupt nicht mehr möglich, denn es lebt doch da- Nicht zuletzt entspricht das TMG keinesfalls unseren<br />
von, dass Diensteanbieter eine Onlineplattform oder den Vorstellungen in Sachen Datenschutz. Um nur ein Bei-<br />
Zugang hierzu zur Verfügung stellen, die die Nutzerinnen spiel zu nennen: Die Zugriffsmöglichkeiten auf persönli-<br />
und Nutzer mit Inhalt und damit auch mit Leben füllen. che Daten für die Gefahrenabwehr im Bereich der poli-<br />
Ganze Geschäftsmodelle von Ebay über YouTube bis Stuzeilichen Vorbeugung stellt aus grüner Sicht eine uferlose<br />
diVZ leben von dieser Technologie.<br />
Zweckentfremdung personenbezogener Daten dar.<br />
Deshalb muss gesetzlich festgehalten werden, dass Anstatt sich dieser Fragen anzunehmen, wird nun über<br />
Diensteanbieter zwar nicht für fremde Inhalte haftbar zu den populistischen Schnellschuss von der Leyens, Kin-<br />
Zu Protokoll gegebene Reden