193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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20828 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />
Gert Weisskirchen (Wiesloch)<br />
(A) damit das, was wir in diesem Fünftagekrieg gesehen haderen Zusammenhängen – der Kollege Lamers freut sich; (C)<br />
ben, der Vergangenheit angehört.<br />
er kennt sie sicherlich auch –,<br />
Im südlichen Kaukasus stecken viele Potenziale.<br />
Diese Region sollte nun zu ihrer eigentlichen Bestimmung<br />
zurückfinden, nämlich eine Region zu sein, in der<br />
die Menschen zueinanderfinden und versuchen, nicht<br />
nur die historischen Verbindungen, sondern auch die gegenwärtig<br />
bestehenden Verbindungen zu beleben. Ich erinnere<br />
in diesem Zusammenhang an die Energielieferungen,<br />
die von Baku in Aserbaidschan durch die südliche<br />
Kaukasusregion über Rumänien in die Türkei gehen.<br />
Dies ist sozusagen eine Klammer. Die Europäische<br />
Union kann mithelfen, dass diese Klammer fester hält.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU und des Abg. Rainder<br />
Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])<br />
Wenn man sich die Potenziale Georgiens anschaut,<br />
stellt man fest, dass Georgien ein Land mit einer guten<br />
Substanz an Kultur und Offenheit gegenüber anderen ist.<br />
Wenn diese Substanz richtig genutzt würde, könnte beispielsweise<br />
das, was wir mit Blick auf Aserbaidschan,<br />
Georgien und Armenien an Gefahren erkennen, im Fall<br />
einer Kooperation so verwandelt werden, dass im südlichen<br />
Kaukasus fast so etwas wie eine Boomregion entsteht.<br />
(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])<br />
Das wäre eine Zukunftsvision für diese Region.<br />
Aber ich darf hinzufügen: Es gibt in der politischen<br />
Klasse Georgiens durchaus auch vernünftige, rationale<br />
Politiker. Seit vielen Wochen kommen einige etwas näher<br />
zu uns, als das vorher der Fall war. Nino Burjanadze beispielsweise,<br />
die wir seit vielen Jahren kennen, etwa aus<br />
der OSZE-Parlamentarierversammlung oder auch aus an-<br />
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Er kennt viele<br />
hübsche Frauen, auch Julija Timoschenko!)<br />
ist eine sehr kluge Frau. An solchen Politikern bzw. Politikerinnen<br />
erkennt man, wo die Lösung des Problems<br />
liegt, nämlich darin, dass man auch gegenüber dem großen,<br />
schwierigen, manchmal aggressiven – wie wir bei<br />
dem Fünftagekrieg gesehen haben – Partner oder Gegner<br />
im Norden, nämlich Russland, versuchen muss, ein<br />
neues, kooperatives Verhalten aufzubauen. Ich glaube,<br />
dass das einer der Schlüssel ist, die in die Hand genommen<br />
werden müssen, um aus dieser Krise herauszukommen.<br />
Wenn man über diese Situation nachdenkt, fallen einem<br />
sofort die folgenden Fragen ein: Warum geschieht<br />
das nicht? Warum ist es nicht möglich, dass die in dieser<br />
Region vorhandenen Potenziale von den Menschen dort<br />
Dabei bleibt unabdingbar klar: Die Annexion, wenn<br />
man es so nennen will, die dort stattgefunden hat – Südossetien<br />
und Abchasien –, kann und darf von uns nicht<br />
prämiert werden. Das ist aus unserer Sicht ein – man<br />
darf es wohl zu Recht so nennen – völkerrechtswidriges<br />
Verhalten.<br />
genutzt werden? An den positiven Ereignissen wie beispielsweise<br />
der Rosenrevolution in Georgien hat man<br />
gesehen, dass es in dieser Region durchaus demokratische<br />
Potenziale gibt. Aber bei keiner dieser Revolutionen<br />
konnte man erkennen, dass es eine mögliche Entgleisung<br />
geben könnte. Man muss einmal mit den<br />
entscheidenden Personen sprechen. Als Beispiel nenne<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/<br />
DIE GRÜNEN)<br />
Aber wir sollten auch ehrlich uns selbst gegenüber<br />
sein, zumal zu so später Stunde außer uns niemand mehr<br />
da ist.<br />
(B)<br />
ich nur – ich denke, dass man das kritisch und offen sagen<br />
darf – Präsident Saakaschwili. Wenn man mit ihm<br />
über bestimmte Vorgänge debattiert, stellt man fest, dass<br />
er manche Realitäten einfach ausblendet, zum Beispiel –<br />
der Wunsch danach ist in der Region durchaus vorhanden<br />
– dass die Kooperation zwischen Georgien, Armenien<br />
und Aserbaidschan Politiker braucht, die in der<br />
Lage sind, eine Basis dafür zu schaffen.<br />
(Zuruf von der SPD: Wir sind doch da!)<br />
– Ich meine, außer uns, die wir an dieser Debatte teilnehmen.<br />
– Wir müssen vermeiden, bei solchen Konflikten<br />
mit einem Doppelstandard zu operieren. Ich darf das<br />
ganz offen und kritisch fürs Protokoll sagen; diejenigen,<br />
die im Ausschuss sind, haben das schon mitbekommen.<br />
Wenn wir über die Entwicklung im Kosovo noch einmal<br />
neu nachgedacht hätten, hätten wir es vielleicht vermei-<br />
(D)<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
den können, Russland die Chance zu geben, sich, wenn<br />
Leider blendet er das aus. Wir müssen erkennen: Auch<br />
gewählte Präsidenten können in ein Fahrwasser abrutschen,<br />
das am Ende sogar dem eigenen Lande schaden<br />
könnte.<br />
auch – das will ich hier noch einmal deutlich betonen –<br />
mit dem falschen Argument und am falschen Platz,<br />
strukturell oder jedenfalls formal auf Kosovo zurückzuziehen.<br />
Mit welchem Argument ist das gegenüber Russland<br />
anders zu bewerten, wenn dieser Vorwurf geäußert<br />
wird?<br />
Ich glaube – das will ich damit sagen –, dass gerade<br />
wir als Europäische Union künftig vor all diesen Konflikten<br />
– man nennt sie Frozen Conflicts; wie wir sehen,<br />
sind sie nicht frozen, sondern lodernd, gefährlich, und<br />
sie können jederzeit ausbrechen – dafür sorgen und mithelfen<br />
müssen, dass jene Frozen Conflicts, die in Wahrheit<br />
lodernde, gefährliche Konflikte sind, eben nicht ausbrechen.<br />
(Abg. Dr. Rainer Stinner [FDP] meldet sich zu<br />
einer Zwischenfrage)<br />
– Kollege Stinner, ich darf den Gedanken noch zu Ende<br />
führen.<br />
Gerade in diesem Zusammenhang möchte ich darauf<br />
verweisen, dass ich es gut finde – wenn der Hintergedanke<br />
in Moskau vielleicht auch ein anderer ist –, dass<br />
es Anfang November zumindest eine gemeinsame Erklä-