193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20951<br />
(A) Frau Künast gleichzeitig alle EU-Agrarsubventionen unklar, wie der Milchfonds denn wirklich konkret wir- (C)<br />
von heute auf morgen abschaffen wollen. Das ist völlig ken wird. Ob so das angebliche Ziel der Stärkung der<br />
unglaubwürdig und wäre ein Schlag gegen die Landwirt- Dörfer und kleinen Städte erreichbar ist, kann mit gutem<br />
schaft und damit gegen die ländlichen Räume in Recht bezweifelt werden. Eher werden Landwirtschaft<br />
Deutschland. Noch unglaubwürdiger wird die Position und ländliche Räume gegeneinander ausgespielt.<br />
von Bündnis 90/Die Grünen, wenn man sich ansieht,<br />
wofür die Mittel des EU-Agrarhaushaltes herhalten sollen,<br />
die Frau Künast ja eigentlich alle abschaffen wollte.<br />
So möchten die Grünen die EU-Agrarmittel für die Stärkung<br />
des ländlichen Raumes, die Milchbauern, den Urwaldschutz,<br />
den Klimaschutz und vieles andere ausgeben.<br />
Damit haben die Grünen den EU-Agrarhaushalt<br />
zum „Jäger 90“ ihrer populistischen und unausgegorenen<br />
Politik gemacht.<br />
In den Beschlüssen zum Haushalt 2009 sind von der<br />
Koalition die Mittelzuweisungen des Bundes für die<br />
GAK um 40 Millionen Euro erhöht worden. Das hört<br />
sich erst einmal viel an. Aber: Die Mittel sind in erster<br />
Linie dem Küstenschutz vorbehalten. Nicht dass das<br />
nicht auch eine wichtige Aufgabe wäre, keine Frage!<br />
Nur, eine wirkliche Aufstockung der Mittel für die<br />
Strukturförderung in den ländlichen Räumen findet damit<br />
nicht statt. Die Linke enthält sich beim Antrag der<br />
Für die FDP-<strong>Bundestag</strong>sfraktion ist die beste und Koalition und lehnt den Antrag der Grünen ab, da in die-<br />
wichtigste Maßnahme zur Stärkung des ländlichen Rausem ein Finanzierungsmodell vorgeschlagen wird, das<br />
mes, dass mittelständische Unternehmen der Land- und wir ablehnen. Mit beiden Anträgen kommen wir hin-<br />
Forstwirtschaft, des Gartenbaus, der Ernährungswirtsichtlich der Förderung der ländlichen Räume nicht weischaft<br />
und des Weinbaus durch marktwirtschaftliche Reter. Solange wesentliche Faktoren vollkommen ausgeformen<br />
und Bürokratieabbau gestärkt werden. Es ist beblendet oder nicht wichtig genommen werden, die zu<br />
dauerlich, dass die Bundesregierung diese Chance im den Problemen in den ländlichen Gebieten beitragen,<br />
Rahmen der Beratungen zur Gesundheitsüberprüfung werden diese nicht gelöst.<br />
(B)<br />
der Gemeinsamen Agrarpolitik nicht genutzt hat. Im Gegenteil:<br />
Die Erhöhung der Modulation und noch mehr<br />
Bürokratie über Cross Compliance verschlechtern die<br />
agrarpolitischen Rahmenbedingungen für die mittelständischen<br />
Betriebe in Deutschland. Der Kompromiss<br />
kostet die deutsche Landwirtschaft noch einmal über<br />
200 Millionen Euro. Die Bundesregierung hat damit ihre<br />
zentralen agrarpolitischen Ziele verfehlt, nämlich Planungssicherheit<br />
und Verlässlichkeit in der Agrarpolitik<br />
für die deutschen Landwirte herzustellen.<br />
So ist ein zentrales Problem die selektive Abwanderung<br />
junger und qualifizierter Frauen aus den ländlichen<br />
Gebieten mit gravierenden langfristigen Folgen für die<br />
Regionen. Der Ex-Agrarminister Seehofer schien im<br />
Frühjahr 2008 das Problem der ländlichen Räume wenigstens<br />
erkannt zu haben, als er eine interministerielle<br />
Arbeitsgruppe zum Thema gründete. Acht Ministerien<br />
sollten mitarbeiten, darunter das Wirtschafts-, das Umwelt-,<br />
das Bildungs- und das Verkehrsministerium. Aber<br />
ausgerechnet das für Frauen zuständige Bundesministerium<br />
fehlte. Aber wie sollen denn vernünftige Ergebnisse<br />
in der Politik für ländliche Räume erzielt werden,<br />
wenn die Politik hier nicht gleichstellungspolitisch ansetzt,<br />
zum Beispiel durch eine geschlechtergerechte Förderpolitik?<br />
Gleichstellung im ländlichen Raum müsste<br />
doch angesichts der aktuellen Situation das Topthema<br />
der Bundesregierung sein.<br />
(D)<br />
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die beiden<br />
Anträge zur Förderpolitik im ländlichen Raum, um die<br />
es hier geht, sind von der Zeit längst überholt worden.<br />
Beispiel: Die Grünen forderten eine Erhöhung der obligatorischen<br />
Modulation, um Fördergeld aus den Landwirtschaftsbetrieben<br />
in die Förderung im Rahmen der<br />
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur<br />
und des Küstenschutzes (GAK)“ umzuverteilen. Der<br />
europäische Agrarrat hat nun nach monatelangen kontroversen<br />
Debatten und gegen die Argumentation auch der<br />
Linken vor wenigen Tagen diese Umverteilung beschlossen:<br />
5 Prozent bis zum Jahr 2013. Die Entscheidung<br />
wurde mit „neuen“ Aufgaben der europäischen<br />
Agrarpolitik begründet. Gemeint sind Maßnahmen zum<br />
Klimaschutz, Wassermanagement und zum Erhalt der<br />
Biodiversität. Es wurde bei dieser Gelegenheit gleich<br />
eine neue Ungerechtigkeit beschlossen; denn diese Umverteilung<br />
trifft über den progressiven Berechnungsmechanismus<br />
vor allem die ostdeutsche Landwirtschaft,<br />
ohne ihre besonderen Bedingungen zu berücksichtigen.<br />
Die Bundesregierung hatte irgendwann nach dem<br />
Sommer offensichtlich ihren Widerstand gegen diese<br />
Regelungen gegen die Zusage eines Milchfonds aufgegeben,<br />
mit dem der Ausstieg aus dem Milchquotensystem<br />
2015 gedämpft werden soll, aber nicht etwa mit frischem<br />
Geld, sondern mit einem Teil des umverteilten<br />
Geldes. So spielt man Milchbauern gegen ostdeutsche<br />
Landwirtschaftsbetriebe aus! Dabei ist noch weitgehend<br />
Der Ansatz, die verschiedenen Akteurinnen und Akteure<br />
im ländlichen Raum unter einen Hut zu bringen<br />
und die verschiedenen Politikfelder besser aufeinander<br />
abzustimmen, ist ja im Prinzip richtig und wird auch seitens<br />
der Linken unterstützt. Er muss allerdings ernst genommen<br />
werden, und das ist nicht erkennbar. Außer großen<br />
Konferenzen zum Thema ist praktisch kaum etwas<br />
passiert. Im Gegenteil: Nach wie vor wird die Verkehrsinfrastruktur<br />
weiter ausgedünnt, Bahnstrecken werden<br />
abbestellt, Verbindungen zwischen Ballungsgebieten<br />
und ländlichen Regionen reduziert. Das Programm zum<br />
Ausbau des schnellen Internets kommt für die Betroffenen<br />
in den ländlichen Regionen gar nicht oder nur sehr<br />
schleppend voran und ist unterfinanziert, mal davon abgesehen,<br />
dass es mit dem Agrarressort dem verkehrten<br />
Politikressort zugeordnet ist, weil es eigentlich zum Infrastrukturministerium<br />
gehört. Die lebensnotwendige Infrastruktur<br />
im Gesundheitswesen und bei den Bildungsangeboten,<br />
aber auch im kulturellen Bereich wird weiter<br />
ausgedünnt, und damit schwinden wichtige Standortfaktoren<br />
für die Menschen, die in den ländlichen Regionen<br />
leben und leben wollen. Das gilt auch für Unternehmen,