193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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20908 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />
(A) cherungspflichtiger Beschäftigung und haushaltsnahen kannte Kennedy, dass er ein Berliner sei, und Reagan (C)<br />
Dienstleistungen einschließlich Pflege- und Betreuungs- forderte den Fall der Mauer. Willy Brandt war der legenleistungen.<br />
Es sind wesentliche familienpolitische Leisdäre regierende „Frontstadt“-Bürgermeister, der für die<br />
tungen. Ich begrüße, dass laut Regierungsentwurf Fami- meisten Ostdeutschen bis 1989 die verkörperte Hofflien<br />
gefördert und steuerlich entlastet werden. Dem nung auf Freiheit und Demokratie blieb. Westberlin war<br />
Familienleistungsgesetz werde ich zustimmen.<br />
für die SED der Stachel im Fleisch des kommunistischen<br />
Systems, für viele Menschen in der DDR war es das<br />
Schaufenster in den freien Westen, die freie Informationsquelle<br />
und die ständige Nahrung für die Hoffnung<br />
auf demokratische Entwicklungen.<br />
Allerdings erachte ich es auf der Grundlage dieses<br />
Gesetzes für notwendig, weitere familienpolitische Leistungen<br />
einzuführen. Ich sehe es als politisches Ziel, in<br />
einem weiteren Gesetzgebungsverfahren folgende Erweiterungen<br />
des Familienleistungspakets umzusetzen:<br />
Erstens, die Ausweitung des Schulbedarfspakets<br />
– jährliche Leistung von 100 Euro im Rahmen des<br />
SGB II und des SGB XII – auf Schülerinnen und Schüler<br />
über die 10. Jahrgangsstufe hinaus. Dabei sollen Schülerinnen<br />
und Schüler an allgemeinbildenden und an berufsbildenden<br />
Schulen in gleicher Weise gefördert werden.<br />
Zudem soll geprüft werden, ob die Förderung über<br />
den Kreis von SGB-II- und SGB-XII-Empfängern hinaus<br />
Familien mit geringen Einkommen zugutekommen<br />
kann.<br />
Der <strong>Bundestag</strong> beschließt heute über den Antrag<br />
„Freiheits- und Einheitsdenkmal gestalten“ (Drucksache<br />
16/11200). Dem stimmen wir aus folgenden Gründen<br />
sehr gerne zu: Wir haben seit dem November 2007<br />
für ein gemeinsames Denkmal in Berlin und Leipzig geworben.<br />
Wir haben in diesem Kontext dafür gekämpft,<br />
für ein Denkmal zu stimmen, welches in beiden Städten<br />
den langen Weg von deutscher Teilung im besonderen<br />
Abbild der Teilung Berlins über die ostdeutsche Freiheit<br />
infolge der friedlichen Revolution 1989/90 mit ihrem gewaltigem<br />
Anteil der Leipziger Montagsdemonstrationen<br />
und letztlich bis zur Vereinigung beider deutscher Staaten<br />
am 3. Oktober 1990 aufzeigt.<br />
Sinnbild der 40-jährigen deutschen Teilung war die<br />
blutige Grenze inmitten Deutschlands, inmitten Berlins.<br />
In besonders brutalem Maße zerschnitt hier die Grenze<br />
durch die deutsche Hauptstadt, stand die Einmauerung<br />
des freiheitlichen Westteiles von Berlin für das deutsche<br />
Nachkriegstrauma. An der Blockade Westberlins, am<br />
Mauerbau 1961 nahmen die gesamte deutsche und die<br />
Weltöffentlichkeit großen Anteil. Der Volksaufstand von<br />
1953, der unsere von 1989 politischen Forderungen vorwegnahm<br />
und in Ostberlin begann, sowie das geteilte<br />
Berlin wurden weltweit zum Synonym für die deutsche<br />
Teilung, für die Ost-West-Blockkonfrontation. Hier be-<br />
In Ostberlin etablierte sich frühzeitig eine rege Untergrundszene<br />
samt einer reichen Samisdatliteratur. Die<br />
Umweltbibliothek wurde 1987 von der Stasi gestürmt,<br />
und die staatlich zelebrierten Luxemburg-Liebknecht-<br />
Demonstrationen wurden von der Opposition mutig auf<br />
ihre Weise in Anspruch genommen. Beispielhaft sei hier<br />
die Kundgebung vom Januar 1989 genannt – wenn auch<br />
den Demonstranten damals nicht bekannt war, dass sie<br />
mit Luxemburg ausgerechnet eine Gegnerin von freien<br />
Wahlen auf ihr Schild hoben.<br />
Zweitens, die Ausweitung der Steuerbefreiung von<br />
Leistungen von Arbeitgebern zur Unterbringung und Betreuung<br />
von Kindern ihrer Beschäftigten auf Kinder bis<br />
zum vollendeten 14. Lebensjahr, statt dies – wie bisher –<br />
auf noch nicht schulpflichtige Kinder zu beschränken.<br />
In Berlin wurde die Grenze zuerst löchrig, in Berlin<br />
beschloss die freie Volkskammer gemäß dem Willen der<br />
meisten Deutschen in Ost und West den Beitritt zur Bundesrepublik<br />
Deutschland, und in dieser Stadt wurde<br />
dieser Beitritt der endlich freien und tatsächlich demokratischen<br />
DDR nach Art. 23 GG der Bundesrepublik<br />
Deutschland im Einvernehmen mit den Siegermächten<br />
und unseren Nachbarn vollzogen. Mit dem weltweit<br />
Anlage 8<br />
spektakulären Fall der Mauer kam bildhaft das Ende des<br />
Kalten Krieges, kam die Chance auf die europäische<br />
(B)<br />
Erklärung nach § 31 GO<br />
der Abgeordneten Gunter Weißgerber und Rainer<br />
Fornahl (beide SPD) zur Abstimmung über<br />
den Antrag: Freiheits- und Einheitsdenkmal gestalten<br />
(Zusatztagesordnungspunkt 8)<br />
Einigung auf friedlichem Wege. Für die Welt steht das<br />
vereinigte Berlin, die vereinigte deutsche Hauptstadt als<br />
Symbol für die Überwindung der Blockkonfrontation,<br />
für das Gelingen freiheitlicher und demokratischer<br />
Volksbewegungen in Mittel- und Osteuropa. Deshalb<br />
muss Berlin ein Standort des Nationalen Freiheits- und<br />
Einheitsdenkmales werden.<br />
(D)<br />
Leipzig muss aber seinerseits eine Würdigung erfahren,<br />
die in erkennbaren Sinnzusammenhang zum Berliner<br />
Denkmal steht. Die Leipziger Nikolaikirche mit<br />
ihren Friedensgebeten seit 1982 war der „Zünder der<br />
friedlichen Revolution 1989/90“, der Leipziger Augustusplatz<br />
war mit seinen machtvollen Massendemonstrationen<br />
bis zu den Volkskammerwahlen 1990 der wichtigste<br />
Garant für den Bestand des am 9. Oktober<br />
Erreichten und der unablässig drehende „Motor der deutschen<br />
Einheit“.<br />
Bereits im September 1989 schwollen die Leipziger<br />
Demonstrationen unter dem selbstbewussten Ruf „Wir<br />
sind das Volk“ zu Zehntausenden Teilnehmern an. Ein<br />
Anschwellen, welches in Verbindung mit der Begeisterung<br />
über die Massenausreisen aus Ungarn und der Wut<br />
über die Ignoranz der DDR-Staatsführung, die Botschaftsausreisenden<br />
mit Zügen quer durch den Süden der<br />
DDR zu transportieren, zu bürgerkriegsähnlichen Zusammenstößen<br />
am Dresdner Hauptbahnhof und zu weiteren<br />
bedrohlichen Situationen an der gesamten Bahnstrecke<br />
bis Plauen führten.<br />
Nach der am 5. Oktober 1989 in der Leipziger Volkszeitung<br />
(LVZ) veröffentlichten Drohung des Kampfgrup-