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193. Sitzung - Deutscher Bundestag

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20740 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />

(A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: stellen, dass es nicht wirkt, wenn man sich bereits in ei- (C)<br />

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Axel Troost, ner größeren Krise befindet.<br />

Fraktion Die Linke.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Was wir nicht brauchen, sind große Versprechungen<br />

in Bezug auf Steuersenkungen, die man sowieso schon<br />

Dr. Axel Troost (DIE LINKE):<br />

machen wollte und die dann letztlich in Form einer hö-<br />

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! heren Sparquote bei den Reichen landen. Auch die Frage<br />

Auch wenn manche es nicht hören wollen: Ich denke, es der Steuerschecks scheint mir völlig zielungenau zu<br />

ist gesichert, dass wir vor der größten Weltwirtschafts- sein. Wenn dies nicht nur bei den untersten Einkommen<br />

krise seit 1945 stehen. Zum ersten Mal sind alle drei ankommt, ist mit keinen Konjunkturimpulsen, sondern<br />

Zentren, die USA, Europa und die größten Teile Asiens, nur mit großen Mitnahmeeffekten zu rechnen.<br />

betroffen. Das hat es in dieser Form noch nicht gegeben.<br />

Hinzu kommt die Finanzmarktkrise.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Das wird dazu führen – und das hat überhaupt nicht<br />

viel mit Psychologie zu tun –, dass wir auch in der Bun-<br />

Insofern sagt die Linke, dass Handeln dringend erforderlich<br />

ist, und zwar auf drei Ebenen.<br />

desrepublik den seit 1949 schärfsten Rückgang bei den<br />

Wachstumsraten erleben werden. Zur Erinnerung: 1975<br />

hatten wir einen Rückgang um 0,9 Prozent. Das war der<br />

bisher stärkste Rückgang. Ich denke, in einem Jahr werden<br />

wir gemeinsam feststellen, dass wir auch aufgrund<br />

der Untätigkeit der Bundesregierung bei minus<br />

2 Prozent oder noch mehr landen werden. Das ist keine<br />

Frage des privaten Verbrauchs – der stagnierte in den<br />

letzten Jahren sowieso schon aufgrund der Schaffung<br />

Erstens. Wir brauchen dringend eine Stärkung der<br />

Massenkaufkraft. Dazu schlagen wir erstens die sofortige<br />

Anhebung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes<br />

auf 435 Euro vor und zweitens die Aufhebung der<br />

Rentendämpfungsfaktoren in der Rente. Das würde insgesamt<br />

zu einer zusätzlichen Nachfrage von 15 Milliarden<br />

Euro führen. Dies würde in der Tat eine sofortige<br />

Ankurbelung des Konsums bedeuten.<br />

des Niedriglohnsektors und der schlechten Tarifab-<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

(B)<br />

schlüsse, bei denen noch nicht einmal der verteilungsneutrale<br />

Spielraum ausgeschöpft wurde –, sondern Folge<br />

des Einbruchs bei den Exporten; und das in einer Wirtschaft,<br />

die voll auf den Export getrimmt worden ist und<br />

in der der Binnenmarkt seit zehn Jahren völlig vernachlässigt<br />

wurde. Das ist sozusagen das Resultat.<br />

Zweitens. Wir sollten so schnell wie möglich – spätestens<br />

Mitte nächsten Jahres – die Gewerbesteuerumlage<br />

zugunsten des Bundes aussetzen. Das würde bedeuten,<br />

dass den Städten und Gemeinden sofort 4 Milliarden<br />

Euro zusätzlich zur Verfügung stünden, die vor Ort ausgegeben<br />

werden können und die dort direkt ankommen,<br />

ohne dass wir Angst haben müssen, dass die Länder zulasten<br />

der Gemeinden sparen.<br />

(D)<br />

Deswegen ist dringend aktives Handeln notwendig.<br />

Herr Oswald, gestern ist das von Ihrem neuen Ministerpräsidenten<br />

Seehofer genauso angemahnt worden,<br />

(Zuruf von der FDP: Das ist auch ein Sozialist!)<br />

weil er in der Tat von vornherein erkannt hat, dass das,<br />

was man jetzt nicht macht, die Krise nur verschärft und<br />

anschließend in Form von höherer Arbeitslosigkeit und<br />

geringeren Steuereinnahmen sowieso wieder auf uns zukommt.<br />

Insofern stellt in der gegenwärtigen Situation die<br />

Aussage, es sei kein Geld da, schlicht und einfach die<br />

Aussage dar: Im Augenblick passt uns die Wirtschaftskrise<br />

nicht so richtig. Es ist aber nun einmal so, dass in<br />

einer Marktwirtschaft bzw. im Kapitalismus Zyklen<br />

existieren. Diese kann man entweder aktiv bekämpfen,<br />

oder man kann sie hinnehmen, was zur Konsequenz hat,<br />

dass die Folgen umso schwerwiegender sind. Das haben<br />

wir in den 80er-Jahren erlebt, das haben wir unter Herrn<br />

Eichel erlebt, und das werden wir das nächste Mal bei<br />

Ihnen erleben.<br />

(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Im Sozialismus<br />

geht es allen gleich schlecht!)<br />

Insofern ist die Politik aus unserer Sicht völlig verfehlt,<br />

zunächst einmal abzuwarten und zu schauen, wie<br />

das Progrämmchen wirkt, dann Mitte des Jahres festzu-<br />

Drittens. Das ist der Kern und mit das Wichtigste: Wir<br />

brauchen ein großes und sehr schnell eingeleitetes Investitionsprogramm,<br />

und zwar in Richtung Energie, in<br />

Richtung Bildung, in Richtung ökologischer Umbau, in<br />

Richtung Gesundheit und vieles andere mehr.<br />

Es geht nicht darum, Strohfeuer zu entfachen. Es geht<br />

nicht darum, in Bereiche zu investieren, die dann wieder<br />

aufgegeben werden. Sondern wir brauchen den Einstieg<br />

in diese Bereiche. In diesen Bereichen ist die Expansion<br />

nachgewiesenermaßen am größten. So können wir versuchen,<br />

Beschäftigung zu halten, und so können wir versuchen,<br />

die Konjunktur zu stützen.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Wenn nun die Frage nach der Finanzierung aufkommt,<br />

dann sage ich, dass dies mittelfristig natürlich<br />

über Steuern und Steuererhöhungen zu finanzieren ist.<br />

Die Linke hat hierzu Vorschläge entwickelt. Wir sagen,<br />

dass wir die Wiedererhebung der Vermögensteuer brauchen.<br />

Wir sind nach wie vor verärgert darüber, was in<br />

der vergangenen Woche im Hinblick auf die Erbschaftsteuer<br />

beschlossen worden ist. Hierbei sind mindestens<br />

4 Milliarden Euro Mehreinahmen möglich.<br />

Wir brauchen eine Wiederanhebung des Spitzensteuersatzes.<br />

Außerdem brauchen wir eine breit angelegte

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