193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20851<br />
(A)<br />
Dr. Eva Möllring<br />
gesellschaftlichen Rollenerwartung heraustreten und sich nur 38 Prozent der Lohndifferenz unter vollbeschäf- (C)<br />
ihre Interessen und Fähigkeiten optimal entfalten können. tigten Frauen und Männern durch Ursachen wie Teilzeit-<br />
Diese Punkte haben sich aus zahlreichen Fachgesprächen<br />
ergeben, die ich seit Beginn der Legislaturperiode<br />
geführt habe. Die CDU/CSU-Fraktion hat daraufhin gemeinsam<br />
mit der SPD zu diesen Punkten bereits am<br />
7. März 2007 einen Antrag eingebracht. Wir werden diesen<br />
Antrag in Kürze konkretisieren.<br />
arbeit, Kinder, Berufserfahrung oder den sinkenden<br />
Frauenanteil bei steigenden Hierarchiestufen erklären.<br />
Die restlichen 62 Prozent können rational nicht erklärt<br />
werden. Ursachen hierfür sind nach Ansicht der Forscherinnen<br />
unter anderem institutionelle und kulturelle Rahmenbedingungen,<br />
die sich diskriminierend auswirken.<br />
Dass die Verbesserung der Rahmenbedingungen auf dem<br />
Noch ein Wort zum Mindestlohn, den ja die Linke als<br />
Königsweg zur Bekämpfung des Lohngefälles heute wieder<br />
proklamiert. Gerade im Niedriglohnbereich sind die<br />
Arbeitsmarkt auch Aufgabe der Politik ist, spiegelt sich in<br />
den beiden Anträgen der Linken und der FDP wider, über<br />
die wir heute diskutieren.<br />
(B)<br />
Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern äußerst<br />
gering. Trotzdem ist es natürlich wünschenswert,<br />
dass Frauen und Männer, die in diesen Berufen arbeiten,<br />
mehr Lohn für ihre Arbeit erhalten. Mit einem flächendeckenden<br />
Mindestlohn von 8,71 Euro würden wir allerdings<br />
nach verschiedenen Berechnungen zwischen<br />
160 000 und 600 000 Stellen in den unteren Lohnbereichen<br />
aufs Spiel setzen. Ich habe dazu in einer Besuchergruppe<br />
ein sehr bewegendes Erlebnis gehabt. Da hat sich<br />
ein Schüler gemeldet und mich inständig gebeten, gegen<br />
einen Mindestlohn zu votieren, weil seine Mutter als Friseurin<br />
arbeitet und sonst ihre Stelle verlieren würde. Deshalb<br />
müssen wir sehr aufpassen, dass wir den Menschen<br />
hier nicht Steine statt Brot geben.<br />
An dieser Stelle sollten wir auch die Erfahrungen in<br />
unseren Nachbarländern einbeziehen. In Frankreich<br />
wurde 1950 ein Mindestlohn eingeführt. Inzwischen werden<br />
15,6 Prozent der Arbeitnehmer zu diesem Mindestlohn<br />
beschäftigt. Man spricht bereits seit Jahren von<br />
einer Niedriglohnfalle und versucht, diese wieder zu lösen<br />
– ohne Erfolg. Stattdessen hat sich der Anteil der Arbeitnehmer,<br />
die Niedriglohn beziehen, in den zehn Jahren<br />
seit 1994 nochmals verdoppelt. So stellt man keine Entgeltgleichheit<br />
zwischen den Geschlechtern her. Das kann<br />
nicht die Lösung des Problems sein.<br />
EU-Kommissar Spidla hat das europäische Lohngefälle<br />
zwischen Männern und Frauen gerade eben erst erneut<br />
kritisiert. Ich zitiere: „Eine Differenz von 15 Prozent<br />
ist inakzeptabel, besonders wenn man bedenkt, dass<br />
60 Prozent der neu geschaffenen Stellen von Frauen besetzt<br />
werden.“ Das Statistische Bundesamt hat den Verdienstabstand<br />
für das Jahr 2006 erstmals auf einer erweiterten<br />
Datenbasis erhoben. Der Bruttostundenverdienst<br />
von Frauen lag sowohl im Jahr 2006 als auch im Jahr<br />
2007 um 23 Prozent unter dem der Männer. Das deutsche<br />
Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist erst recht<br />
inakzeptabel.<br />
Differenziert man den Verdienstabstand nach unterschiedlichen<br />
Branchen, so zeigt sich, dass es keinen Wirtschaftszweig<br />
gibt, in dem Frauen mehr verdienen als<br />
Männer. Der Verdienstabstand variiert je nach Wirtschaftszweig<br />
erheblich. Am größten ist er mit 30 Prozent<br />
im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen und<br />
beim Kredit- und Versicherungsgewerbe mit 29 Prozent.<br />
Auch bei der Berufswahl gibt es erhebliche Unterschiede<br />
zwischen den Geschlechtern. Während gut bezahlte<br />
Berufe immer noch Männersache sind, arbeiten<br />
Frauen überwiegend in schlecht bezahlten Berufen. So<br />
sind 81,5 Prozent der Stellen als Geschäftsführer und Geschäftsbereichsleiter<br />
in unserem Land mit Männern be-<br />
(D)<br />
Renate Gradistanac (SPD):<br />
90 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sind<br />
Frauen in den Parlamenten immer noch unterrepräsentiert.<br />
Unterrepräsentiert sind Frauen aber nicht nur in<br />
der Politik. 50 Jahre nach Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes<br />
gibt es für eine tatsächliche<br />
Gleichberechtigung auf allen Ebenen noch viel zu tun.<br />
setzt. Bei einem Bruttojahresverdienst von 91 180 Euro<br />
beträgt der Frauenanteil in dieser Berufsgruppe gerade<br />
einmal 18,5 Prozent. Der Bruttojahresverdienst von Friseuren<br />
liegt bei 15 787 Euro, bei einem Frauenanteil von<br />
90,8 Prozent und einem Männeranteil von nur<br />
9,2 Prozent.<br />
An geringsten ist der Verdienstabstand noch beim Einstieg<br />
in das Berufsleben. Im Jahr 2006 lag er bei den<br />
Frauen sind heute gut ausgebildet, ihr Anteil unter den 25- bis 29-Jährigen bei 8 Prozent. Bei den 35- bis 39-Jäh-<br />
Studierenden ist deutlich angestiegen, und die Abschlüsse rigen springt der Verdienstabstand auf 21 Prozent. Am<br />
von Frauen sind nicht selten besser als die von Männern. größten ist er bei den 60-Jährigen mit 30 Prozent. Warum<br />
Aber auch bei guten Startchancen im Beruf ist es für der Verdienstabstand auf einmal um mehr als das 2,5-Fa-<br />
Frauen nach wie vor wesentlich schwieriger, bei gleicher che ansteigt, erklärt sich, wenn man das Alter von Frauen<br />
Tätigkeit auch die gleiche Bezahlung wie ihre männlichen bei der Geburt ihres ersten Kindes berücksichtigt. Dieses<br />
Kollegen zu erhalten oder in Führungspositionen aufzu- liegt im Durchschnitt bei knapp 30 Jahren. Der Anschluss<br />
steigen. Frauen sind häufiger als Männer von Arbeitslo- an die Verdienstentwicklung der Männer wird also auch<br />
sigkeit und Altersarmut betroffen.<br />
durch Erwerbsunterbrechungen und Kindererziehungs-<br />
Die höheren Männerverdienste können schon lange<br />
zeiten verpasst.<br />
nicht mehr mit besseren Qualifikationen erklärt werden. Erziehungsbedingte Erwerbsunterbrechungen scha-<br />
Führungspositionen werden vornehmlich von Männern den aber nicht nur den Karrierechancen von Frauen.<br />
wahrgenommen, obwohl keine großen Unterschiede beim Gravierend wirkt sich auch aus, dass eine Rückkehr in<br />
Bildungsabschluss festzustellen sind. Nach einer Studie den Beruf für viele Frauen einen Wechsel von der Voll-<br />
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung lassen zeit- in die Teilzeitbeschäftigung oder einen Minijob be-<br />
Zu Protokoll gegebene Reden