193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20737<br />
(A)<br />
Dr. Volker Wissing<br />
gewählt worden, die Bevölkerung vor Schaden zu war- macht. Damit gehen Sie aber ein unverantwortliches Ri- (C)<br />
nen, ihre Aufgabe ist es, die Menschen vor Schaden zu siko ein.<br />
bewahren.<br />
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Axel<br />
(Beifall bei der FDP)<br />
Troost [DIE LINKE])<br />
Wenn, wie es so schön heißt, Wirtschaft zu 50 Prozent Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Konjunkturpa-<br />
Psychologie ist, dann heißt das doch auch, dass von dieket kann nicht wirken, wenn es aus reinem Aktionismus<br />
sem Konjunkturpaket – unabhängig von den steuerrecht- heraus entsteht. Es reicht in einer Krisensituation nicht<br />
lichen Einzelregelungen – ein positives Signal für unsere aus, verschiedene Forderungen von Verbänden abzuar-<br />
Wirtschaft ausgehen muss. Wenn Sie mit diesem Konbeiten. Ihr Vorschlag ist ein Sammelsurium mehr oder<br />
junkturpaket etwas erreichen wollen, dann muss es die weniger sinnvoller Einzelmaßnahmen. Die Ökonomen<br />
Menschen und die Wirtschaft überzeugen. Deutschland sind sich dagegen einig: Es muss zügig ein Konjunktur-<br />
muss daran glauben, dass die Maßnahmen wirksam sind. paket geben, und es muss kraftvoll und zielgenau ausge-<br />
Das tut aber niemand in diesem Land. Sie glauben ja richtet sein. Ich füge noch eines hinzu: Wir wissen nicht,<br />
nicht einmal selbst daran.<br />
wie lange die Krise anhalten wird. Deshalb muss ein<br />
Konjunkturprogramm neben den sofortigen Effekten<br />
auch strukturelle Verbesserungen bringen, die mittelfristig<br />
wirken und unsere Volkswirtschaft stärken.<br />
Während wir heute Ihr Konjunkturpaket beraten, hört<br />
man aus Ihren Fraktionen, dass Sie schon an dem zweiten<br />
und dritten Konjunkturpaket arbeiten. Herr Kollege<br />
Schultz, es ist auch an Ihren Ausführungen deutlich geworden,<br />
dass es erhebliche Diskrepanzen zwischen dem<br />
gibt, was Sie erklären, und dem, was Mitglieder Ihrer<br />
Fraktion öffentlich erklären.<br />
Von wem geht denn hier das Rattenrennen aus? – Es<br />
geht doch von der SPD und der CDU/CSU aus. Sie sind<br />
es doch, die mit Ihrem Durcheinander in den eigenen<br />
Reihen dafür sorgen, dass das, was wir heute beraten,<br />
morgen wirkungslos verpuffen wird.<br />
(Joachim Poß [SPD]: Muss er so böse sein?)<br />
Wenn Sie ein Konjunkturprogramm mit Salamitaktik zusammenflicken,<br />
dann ist die Bilanz schon heute absehbar:<br />
Wir werden eine minimale Wirkung bei enorm hoher<br />
Neuverschuldung erleben.<br />
(Beifall bei der FDP)<br />
Das ist besonders schlimm, weil andere Staaten um<br />
uns herum entschlossen handeln und investieren: Großbritannien<br />
24 Milliarden Euro, Spanien 38 Milliarden Euro,<br />
Frankreich 40 Milliarden Euro, Italien 80 Milliarden<br />
Euro, China 450 Milliarden Euro und Amerika sage und<br />
schreibe 550 Milliarden Euro.<br />
Es geht nicht darum, wer am meisten Geld in die<br />
Hand nimmt, es geht um die Ernsthaftigkeit, mit der auf<br />
eine Bedrohung reagiert wird. Im Rest der Welt geht<br />
man von einer bevorstehenden ökonomischen Katastrophe<br />
aus und entlastet die Menschen bei den Steuern. In<br />
Deutschland heißt die Devise: erst einmal abwarten. Wo<br />
andere Länder klotzen, wird bei uns gekleckert. Die<br />
Bundesregierung scheint noch immer darauf zu hoffen,<br />
dass die Krise einen großen Bogen um Deutschland<br />
(Beifall bei der FDP)<br />
Kaum eine dieser Anforderungen ist in Ihrem Maßnahmenpaket<br />
umgesetzt.<br />
(B)<br />
(Beifall bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb<br />
[FDP]: 19-minütiger Irrtanz des Kollegen<br />
Schultz! – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das<br />
ist wie in der FDP-Fraktion!)<br />
Es gibt eine Nahles-SPD, die Konsumgutscheine fordert,<br />
und es gibt eines Steinbrück-SPD, die das Rattenrennen<br />
um Milliarden leid ist. Die CSU fordert Steuersenkungen<br />
mit voller Pendlerpauschale, und die CDU<br />
will das irgendwie auch, aber erst später oder vielleicht<br />
sogar erst nach der Wahl.<br />
Die FDP hat im Laufe der Beratungen hinsichtlich der<br />
Steuern insgesamt zehn Verbesserungsvorschläge zu Ihrem<br />
Konjunkturprogramm gemacht. Wir haben auch<br />
konkrete Anträge dazu vorgelegt. Wir haben wichtige<br />
Korrekturen der Unternehmensteuerreform gefordert.<br />
Ich nenne nur die Korrektur der Zinsschranke und Verbesserungen<br />
beim Mantelkauf, was in einer wirtschaftlich<br />
schwierigen Situation sehr dringend erforderlich ist.<br />
Unter unseren Vorschlägen sind auch Verbesserungen<br />
für kleine und mittlere Einkommen, nämlich durch eine<br />
Korrektur des Tarifverlaufs bei der Einkommensteuer.<br />
Wir wollen eine deutlich gerechtere Steuerkurve, um<br />
niedrige und mittlere Einkommen gerade in dieser<br />
schwierigen Zeit zu entlasten.<br />
(D)<br />
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Weg mit der kalten<br />
Progression!)<br />
Dies könnte im Gegensatz zu Ihren Äußerungen, Herr<br />
Kollege Schultz, schon ab Januar 2009 schnell und effektiv<br />
wirken,<br />
(Beifall bei der FDP)<br />
wenn Sie nur handlungsfähig wären.<br />
Es ist nicht hinnehmbar, dass der Bundesfinanzminister<br />
jährlich 25 Milliarden Euro einnimmt, weil kleine und<br />
mittlere Einkommen überproportional hohe Steuern zahlen.<br />
Es müsste doch eigentlich ein gemeinsames Anliegen<br />
sein – nicht nur ein Kernanliegen liberaler, sondern auch<br />
sozial- und christdemokratischer Finanzpolitik –, im<br />
Steuersystem bestehende Ungerechtigkeiten wie die kalte<br />
Progression und den Mittelstandsbauch zu beseitigen.<br />
Aber Sie haben keinen unserer Vorschläge angenommen.<br />
Sie weigern sich, kleinen und mittleren Verdienern mehr<br />
Kaufkraft zu geben. Ich halte das in dieser Situation für<br />
ökonomisch und sozialpolitisch unverantwortbar.<br />
(Beifall bei der FDP)<br />
Wir hätten die einmalige Chance, sowohl etwas für die<br />
konjunkturelle Belebung zu tun als auch strukturell drin-