193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20829<br />
(A)<br />
Gert Weisskirchen (Wiesloch)<br />
rung zwischen Moskau, Baku und Eriwan gegeben hat, mieden wird, dass man von Russland an diesem Punkt (C)<br />
um vielleicht einen anderen Weg zur Lösung des Berg- möglicherweise kritisiert werden kann. Ich glaube nicht,<br />
Karabach-Konflikts zu gehen. Ich glaube, hier ergibt dass Russland in diesem Punkt recht hat; das habe ich<br />
sich vielleicht eine neue Chance. Das kann aber nur ge- auch gesagt. Leider gibt es aber in Russland solche<br />
hen, wenn alle Beteiligten in dieser Region damit aufhö- Kräfte, die das tun. Ich halte das für falsch und hoffe,<br />
ren, Nationalismus zu propagieren und den anderen als dass wir aus solchen Konflikten für künftige Entschei-<br />
einen Feind zu bezeichnen. Wenn das nämlich geschieht, dungen besser lernen können.<br />
dann wird der südliche Kaukasus niemals den Weg zu einer<br />
Zone des Friedens und der wirklichen Kooperation<br />
(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Danke schön!)<br />
finden können.<br />
– Bitte schön.<br />
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:<br />
Kollege Weisskirchen, gestatten Sie keine Zwischenfrage,<br />
sondern eine Nachfrage des Kollegen Stinner, weil<br />
Ihre Redezeit ja schon vorüber ist?<br />
Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):<br />
Aber gerne. Ich versuche, sie knapp zu beantworten.<br />
Dr. Rainer Stinner (FDP):<br />
Vielen Dank, lieber Herr Weisskirchen. – Sehr geehrter<br />
Herr Präsident! Lieber Herr Weisskirchen, Sie haben<br />
für mich kryptisch gesprochen. Deshalb frage ich Sie<br />
ganz konkret: War nach Ihrer Einschätzung des Kosovo<br />
der Ahtisaari-Prozess falsch, war der Troika-Prozess<br />
falsch, und was hätten wir im Lichte der Erfahrung, die<br />
wir jetzt mit Georgien gemacht haben, im Kosovo anders<br />
machen sollen?<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:<br />
Der Kollege Michael Link von der FDP-Fraktion hat<br />
seine Rede zu Protokoll gegeben. 1)<br />
Damit erteile ich Kollegen Hakki Keskin, Fraktion<br />
Die Linke, das Wort.<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE):<br />
Danke. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />
Leider debattieren wir erst zu dieser späteren<br />
Stunde das Thema Frieden im Südkaukasus, dem wir in<br />
den letzten Jahren nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt<br />
haben.<br />
(B)<br />
Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):<br />
Das möchte ich Ihnen gerne beantworten. – Das war<br />
gar nicht kryptisch. Wenn Sie zu dem entsprechenden<br />
Zeitpunkt im Ausschuss gewesen wären, dann wüssten<br />
Sie – der Kollege Hoyer weiß das –, was ich gesagt<br />
habe, auch zu Dan Fried, mit dem ich an diesem Punkt<br />
eine offene und harte Kontroverse ausgetragen habe.<br />
Der Krieg zwischen Georgien und Russland hat uns<br />
sicherlich alle tief geschockt. Die kriegerische Eskalation<br />
hatte sich allerdings schon seit Längerem angekündigt.<br />
Die Bundesregierung hätte als Koordinatorin der<br />
Freundschaftsgruppe des UN-Generalsekretärs nicht erst<br />
fünf Minuten vor zwölf aktiv werden dürfen, sondern<br />
bereits in den zurückliegenden Jahren mehr zu den Vermittlungsbemühungen<br />
von UNO und OSZE beitragen<br />
müssen.<br />
(D)<br />
Warum haben wir nicht die Chance genutzt, die<br />
Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats wenigstens<br />
noch etwas länger als präsent wirken zu lassen? Warum<br />
kann man nicht mehr auf Zeit spielen und Zeit gewinnen,<br />
wenn es darauf ankommt, um dadurch vielleicht<br />
dazu beizutragen, Konflikte nicht explodieren zu lassen?<br />
Lieber Herr Stinner, ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin<br />
dafür, lieber Zeit zu gewinnen und damit die Probleme<br />
möglicherweise nicht wirklich zu lösen; das gebe ich ja<br />
zu.<br />
Nachdem die Waffen nun hoffentlich für immer<br />
schweigen, müssen wir uns damit auseinandersetzen,<br />
wie die Konflikte im Südkaukasus friedlich beigelegt<br />
werden können. Ich teile die Einschätzung meines Kollegen<br />
Weisskirchen: Die Anerkennung der Unabhängigkeit<br />
der abtrünnigen Provinzen ist völkerrechtswidrig.<br />
Dennoch müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass<br />
sich Südossetien und Abchasien spätestens seit der Anerkennung<br />
der Unabhängigkeit durch Russland im Zustand<br />
einer De-facto-Unabhängigkeit befinden.<br />
Ist denn das Problem Kosovo gelöst? Schauen Sie<br />
sich doch einmal an, wie im Kosovo gegenwärtig gegen<br />
EULEX demonstriert wird.<br />
Meiner Meinung nach hat die vor allem von der US-<br />
Regierung betriebene Politik der Einkreisung Russlands<br />
die Region destabilisiert und zur Eskalation beigetragen.<br />
(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ Diese Politik muss schnellstens beendet werden.<br />
DIE GRÜNEN]: Das hat die Regierung gestern<br />
aber anders gesehen!)<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
– Liebe Kollegin Beck, ich halte es geradezu für absurd,<br />
dass man sich innerhalb des Kosovo gegen die Friedensbemühungen<br />
auflehnt, die die Europäische Union in der<br />
Region unternimmt.<br />
Die Alternativen lauten: radikale Abrüstungsschritte auf<br />
allen Seiten, der Verzicht auf die Aufnahme Georgiens<br />
in die NATO und der Aufbau eines neuen regionalen Sicherheitssystems,<br />
auch unter Einbeziehung Russlands.<br />
Lieber Kollege Stinner, das soll ja nur heißen: Man<br />
kann sich manchmal auch überlegen, unvollkommene<br />
(Beifall bei der LINKEN)<br />
Prozesse etwas länger laufen zu lassen, wenn damit ver- 1) Anlage 11