193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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20850 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />
(A)<br />
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse<br />
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Für und die nicht die Stelle bekommen, die sie ausfüllen könn- (C)<br />
eine tatsächliche Chancengleichheit von ten. Trotz der zunehmenden Anzahl von Gleichstellungs-<br />
Frauen und Männern<br />
programmen am Arbeitsplatz klagen in Deutschland<br />
– Drucksache 16/11175 –<br />
45 Prozent der weiblichen Angestellten darüber, dass sie<br />
trotz gleicher Qualifikation und Fähigkeiten ein geringe-<br />
Überweisungsvorschlag:<br />
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)<br />
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie<br />
Ausschuss für Arbeit und Soziales<br />
Folgende Redner haben ihre Reden zu Protokoll gegeben:<br />
Eva Möllring, Renate Gradistanac, Ina Lenke,<br />
Kirsten Tackmann, Irmingard Schewe-Gerigk.<br />
res Gehalt bekommen als ihre männlichen Kollegen. In<br />
England und Spanien sind es nur 30 Prozent und in den<br />
Niederlanden 28 Prozent. Gleichzeitig geben bei uns<br />
40 Prozent der Frauen an, weniger Aufstiegschancen zu<br />
haben als ihre männlichen Kollegen. Zwar sind es in Spanien<br />
sogar 50 Prozent, aber in England sind es<br />
24 Prozent und in den Niederlanden 20 Prozent. Deshalb<br />
müssen wir jetzt für diese Frauen handeln. Ich glaube,<br />
Dr. Eva Möllring (CDU/CSU):<br />
wir sind uns alle einig, dass die Politik für das Thema eine<br />
Frauen verdienen in Deutschland 23 Prozent weniger Verantwortung trägt.<br />
(B)<br />
als Männer. Diese Zahl ist schon oft genannt worden,<br />
aber sie ist trotzdem immer wieder schockierend. Das<br />
Problem ist nicht neu, und so manche Wissenschaftlerin,<br />
Politikerin und Gewerkschafterin beißt sich seit Jahren<br />
vergeblich die Zähne aus, um die Situation zu ändern.<br />
Deutschland ist mit seiner Lohndifferenz so ziemlich am<br />
Ende der europäischen Skala, aber im Grunde sieht es international<br />
nicht viel besser aus. Denn was nützt es, wenn<br />
der Lohnabstand in Malta zwar geringer ist, dafür aber<br />
die Lohnhöhe mit unserer nicht mithalten kann? Was können<br />
wir also als Gesetzgeber tun, um endlich frischen<br />
Wind in diese Misere zu bringen?<br />
Es ist nicht so, dass wir die Ursachen für die Lohnunterschiede<br />
nicht kennen würden. Vielmehr gibt es eine<br />
Reihe von Studien, die weitgehend zu übereinstimmenden<br />
Ergebnissen kommen. Ich möchte die wichtigsten Gründe<br />
nennen: Wenn Frauen die gut bezahlten, erfolgversprechenden<br />
Berufe wählen würden, wenn sie sich nicht um<br />
ihre Familie kümmern, sondern sich auf ihre Karriere<br />
konzentrieren würden, wenn Frauen hohe Gehälter und<br />
Nebenzahlungen einfordern würden, wenn auf der anderen<br />
Seite die Tarifparteien die Arbeit von Frauen und die<br />
Arbeit von Männern gleich bewerten würden, wenn es<br />
Chefsache wäre, Frauen in leitende Positionen zu bringen,<br />
und wenn Betriebe und Arbeitsvermittlung Frauen<br />
auch während Berufsunterbrechungen zielführend weiterbilden<br />
würden, dann würden Frauen sicherlich fast genauso<br />
viel verdienen wie Männer.<br />
Ich nenne dazu sechs entscheidende Punkte. Wir müssen<br />
uns dahinterklemmen, dass die Bundesregierung die<br />
freiwillige Vereinbarung mit der Wirtschaft ausbaut und<br />
die Ziele und Methoden, die schon drinstehen, konsequent<br />
umgesetzt werden. Dazu sollten wir einen Wettbewerb<br />
zwischen Firmen und Behörden installieren, wer die<br />
meisten Frauen in Führungspositionen bringt. In den<br />
Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen beträgt<br />
der Anteil von Frauen 1,2 Prozent. Da müssen wirklich<br />
noch Berge versetzt werden. Eine angemessene<br />
Quote liegt in diesem Bereich in weiter Ferne, weil ja in<br />
der Ebene darunter auch nicht viel mehr Frauen arbeiten<br />
und wir ohne eine konsequente durchgängige Förderung<br />
gar keine Frauen haben, die für diese höchste Ebene das<br />
berufspraktische Wissen und die Erfahrung erlernt haben.<br />
Diese Förderung muss deshalb von den Spitzenverbänden<br />
der Wirtschaft und von der Bundesregierung auch<br />
kontrolliert und konstruktiv begleitet werden. Die Tätigkeitsbeschreibungen<br />
für die Tarifverträge müssen fair, gerecht<br />
und diskriminierungsfrei sein. Dazu sind die Tarifparteien<br />
schon aufgrund der EU-Richtlinien verpflichtet.<br />
Wir brauchen deshalb keine weitere gesetzliche Auflage.<br />
Es geht vor allem darum, dass sich die Regierung die Beschreibungen<br />
auch anschaut und geprüft wird, ob die Beschreibungen<br />
die Tätigkeiten von Frauen und Männern<br />
korrekt bewerten. Das passiert bisher nur ansatzweise bei<br />
den Tarifpartnern. Und wenn überhaupt Beschreibungen<br />
erneuert werden, dann ist das ein jahrelanger Prozess.<br />
(D)<br />
Aus der Analyse ergeben sich die Handlungsfelder.<br />
Zwei Entwicklungen sprechen dafür, dass sich die Situa-<br />
Deshalb muss sich die Politik klar und unmissverständlich<br />
dafür einsetzen.<br />
tion jetzt tatsächlich langsam verbessert. Viele junge<br />
Frauen sind beruflich ehrgeiziger als ihre Mütter und<br />
Großmütter. Sie werden in Zukunft durch das Elterngeld<br />
und den Ausbau der Kinderbetreuung in dieser Einstel-<br />
Wir schlagen vor, einen freiwilligen Lohntest zu entwerfen<br />
und einzuführen, wie er in der Schweiz seit 2001<br />
mit viel Erfolg angeboten wird.<br />
lung gut unterstützt. Die Betriebe spüren den Mangel an Es muss mehr zielführende Weiterbildung durch Be-<br />
Fachkräften, und zwar besonders die großen Unternehtriebe – gerade in den Zeiten der Berufsunterbrechung –<br />
men, wo schon heute 56,4 Prozent über einen Engpass angeboten werden, und die Mütter und Väter müssen da-<br />
von technischen Fachkräften klagen, und selbst in den für eine ausreichende finanzielle Unterstützung erhalten.<br />
mittelgroßen technischen Firmen sind es fast 40 Prozent.<br />
Da zeigen sich wirklich eine Bewegung und großes Interesse,<br />
Frauen für diese Berufe zu begeistern und in die<br />
Verantwortung zu bringen.<br />
Aber es geht nicht schnell genug. Vielleicht für die Generation,<br />
die heute am Beginn ihres Berufslebens steht,<br />
Haushaltskräfte sind unentbehrliche Hilfen, wenn man<br />
mit Familie im Beruf erfolgreich sein will. Es gibt keinen<br />
Grund, dass betriebliche Mitarbeiter steuerlich besser<br />
abgesetzt werden als die Mitarbeiter, die zwischenzeitlich<br />
die Arbeit im Haus erledigen.<br />
aber nicht für die vielen Frauen, die heute schon am Ar- Die Länder müssen die naturwissenschaftliche Bilbeitsplatz<br />
sitzen, die schlechter bezahlt werden als andere dung von Mädchen konsequent fördern, damit sie aus der