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193. Sitzung - Deutscher Bundestag

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20944 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />

(A) schiedenen Parteien und die Akzeptanz unserer europäi- Ziel des Europäischen Netzwerkes soll es sein, die (C)<br />

schen Nachbarn erst ermöglicht.<br />

schwierige Geschichte des 20. Jahrhunderts in einem<br />

Als nächster Schritt steht die Besetzung der Stiftungsgremien<br />

an. Neben <strong>Bundestag</strong> und Bundesregierung<br />

werden der Bund der Vertriebenen, die beiden großen<br />

Kirchen in Deutschland sowie der Zentralrat der Juden<br />

Mitglieder des Stiftungsrates benennen. Die Gremienbe-<br />

grenzüberschreitenden Dialog so aufzuarbeiten, dass daraus<br />

Versöhnung erwachsen kann und nicht Spannungen<br />

verstärkt oder neu geschaffen werden. War das Netzwerk<br />

zunächst vor allem auf die Geschichte von Vertreibung fokussiert,<br />

hat sich der Ansatz inzwischen verändert.<br />

Heute liegt der Schwerpunkt auf der Beschäftigung mit<br />

setzung der unselbstständigen Stiftung „Flucht, Vertrei- den beiden Totalitarismen des 20. Jahrhunderts in<br />

bung, Versöhnung“ sollte unseren Willen zur breiten Europa und ihre Überwindung. Ich hoffe sehr, dass die<br />

gesellschaftlichen Beteiligung widerspiegeln sowie zur Arbeit des Europäischen Netzwerkes „Erinnerung und<br />

weiteren Akzeptanz durch die europäischen Partner bei- Solidarität“ durch die Besetzung der nötigen Gremien<br />

tragen. Wie wir alle wissen, wird das noch einmal sehr und die Arbeitsaufnahme des Sekretariats in Warschau<br />

wichtig sein. Dass der zu bildende wissenschaftliche Be- im kommenden Jahr an Dynamik gewinnt und dass das<br />

raterkreis der Stiftung neben deutschen auch internatio- Netzwerk – inzwischen eine Stiftung polnischen<br />

nale Wissenschaftler, vor allem auch aus unseren östli- Rechts – demnächst seine Arbeit beginnen kann. 2009<br />

chen Nachbarstaaten, umfasst, halten wir von der SPD als Jubiläumsjahr der Umbrüche von 1989 wäre dafür<br />

für unverzichtbar.<br />

ein guter Zeitpunkt.<br />

Mit der Schaffung der gesetzlichen Grundlage und<br />

der Gremienbesetzung ist die Arbeit noch nicht getan.<br />

Der größte Auftrag bleibt die Erarbeitung des Konzepts<br />

einer Dauerausstellung zu Flucht und Vertreibung im<br />

20. Jahrhundert, ihren Hintergründen, Zusammenhängen<br />

und Folgen in europäischer Dimension. Der Hauptakzent<br />

wird auf der Flucht und Vertreibung der Deutschen<br />

liegen, doch auch andere – auch von deutscher<br />

Seite veranlasste – Flucht- und Vertreibungssituationen<br />

sollen thematisiert werden. Die SPD hat ein internationales<br />

wissenschaftliches Symposium angeregt, das für<br />

Wenn wir in Deutschland an 1989 erinnern, können<br />

wir dies nicht in angemessener Weise, ohne die Geschichte<br />

Polens, Tschechiens, Ungarns oder anderer<br />

europäischer Länder mitzudenken. Das Europäische<br />

Netzwerk „Erinnerung und Solidarität“ bietet uns eine<br />

gute Möglichkeit, den engen Rahmen national fokussierter<br />

Geschichtsbetrachtung zu verlassen. Wenn wir eine<br />

gemeinsame europäische Zukunft wollen, müssen wir<br />

auch bereit sein, unsere Vergangenheit aus der Sicht anderer<br />

Europäer zu betrachten und ihre Perspektiven einzubinden.<br />

(B)<br />

die Erarbeitung der Ausstellung eine wichtige Rolle<br />

spielen wird und für das Frühjahr 2009 vorgesehen ist.<br />

Wenn diese Chance entsprechend genutzt wird, kann das<br />

Symposium viel zur Akzeptanz der unselbstständigen<br />

Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in unseren<br />

mittelosteuropäischen Nachbarländern und dabei insbe-<br />

Ich bin überzeugt, dass dies auch mit der heute zu beschließenden<br />

Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“<br />

für das schwierige Thema Flucht und Vertreibung<br />

gelingen kann. Doch daran werden alle in diesem Hause<br />

mitwirken müssen.<br />

(D)<br />

sondere in Polen beitragen. Den Teilnehmern des Symposiums<br />

aus dem In- und Ausland soll die Möglichkeit<br />

gegeben werden, aus ihrer Perspektive Kriterien für dieses<br />

Projekt zu benennen und Vorschläge zu unterbreiten.<br />

So werden sie wesentlich zur inhaltlichen Ausgestaltung<br />

der Ausstellung beitragen können.<br />

Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Wir beenden<br />

heute – nach zehnjähriger Debatte – eine anhaltende<br />

Diskussion um eine angemessene Erinnerungskultur für<br />

Flucht und Vertreibung. Vor fast zehn Jahren haben der<br />

Bund der Vertriebenen und die Stiftung „Zentrum gegen<br />

Vertreibungen“ den Stein ins Rollen gebracht und die<br />

Politik zum Handeln getrieben. Die beiden Ausstellungen<br />

„Erzwungene Wege“ des Bundes der Vertriebenen<br />

und „Flucht, Vertreibung, Integration“ des Hauses der<br />

Geschichte haben die Debatte über Erinnerung und Vertreibung<br />

entscheidend geprägt. Sie bilden eine Art<br />

Schnittstelle zwischen dem breiten öffentlichen Interesse<br />

an dem Thema „Flucht und Vertreibung“ und der politischen<br />

und wissenschaftlichen Diskussion um die Frage<br />

eines angemessenen Gedenkens und Erinnerns. Flucht<br />

und Vertreibung muss als Teil der deutschen Geschichte<br />

anerkannt und aufgegriffen werden.<br />

Die harten und langwierigen Auseinandersetzungen<br />

über den Umgang mit der Geschichte von Flucht und<br />

Vertreibung haben uns einmal mehr gezeigt, dass wir unsere<br />

Geschichte nicht im Alleingang, sondern nur grenzüberschreitend<br />

wirklich verstehen und bearbeiten können.<br />

Ein wichtiger Meilenstein für dieses Verständnis<br />

war die gemeinsame Danziger Erklärung der damaligen<br />

Präsidenten Deutschlands und Polens, Johannes Rau und<br />

Aleksander Kwaśniewski, in der sie 2003 zum Dialog<br />

über die auch die Gegenwart noch belastende Geschichte<br />

der Vertreibungen und Zwangsmigrationen im 20. Jahrhundert<br />

aufriefen und gleichzeitig allen Entschädigungsforderungen<br />

eine klare Absage erteilten. Auf der Linie<br />

dieser Erklärung unterzeichneten dann im Februar 2005<br />

die Kulturminister Polens, Deutschlands, Ungarns und<br />

der Slowakei eine Absichtserklärung zur Gründung des<br />

Europäischen Netzwerkes „Erinnerung und Solidarität“.<br />

Die Tschechische Republik erklärte sich ebenso wie<br />

Österreich bereit, auf Projektebene zu kooperieren.<br />

Hinter uns liegt eine kontroverse Debatte, die schlussendlich<br />

– und das möchte ich als Oppositionspolitiker<br />

hervorheben – zu einem tragfähigen Ergebnis geführt<br />

hat. Dem Staatsminister ist für sein Verhandlungsgeschick<br />

mit unseren polnischen Nachbarn – und hier insbesondere<br />

mit dem Staatssekretär in der Kanzlei des Ministerpräsidenten,<br />

Professor Wladyslaw Bartoszewski –<br />

und für die gute Bilanz zu gratulieren: Endlich wird das

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