193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20899<br />
(A)<br />
Katrin Kunert<br />
dam rund 1,0 Millionen Euro; Landkreis Harz rund den tatsächlich aufgewendeten Kosten für Unterkunft und (C)<br />
1,7 Millionen Euro; Landkreis Prignitz rund 0,668 Mil- Heizung, die gestiegen sind, sondern ausschließlich an<br />
lionen Euro; Wetteraukreis rund 1,0 Millionen Euro; Bo- der Zahl der Bedarfsgemeinschaften, die konjunkturell<br />
chum rund 2,65 Millionen Euro; Salzlandkreis rund bedingt vorübergehend rückläufig war. Der im Gegenzug<br />
1,83 Millionen Euro; Landkreis Anhalt-Bitterfeld rund vereinbarte Bundesanteil an den ebenfalls von den Kom-<br />
1,4 Millionen Euro; Erlangen rund 0,4 Millionen Euro;<br />
Landkreis Stormarn rund 0,546 Millionen Euro.<br />
munen zu tragenden Kosten der Grundsicherung im Alter<br />
ist nur ein schwacher Trost für die Städte und Gemeinden.<br />
Zum Schluss ein Wort zur Behauptung der Fraktion<br />
der SPD, die kommunalen Verbände seien seinerzeit in<br />
die Gespräche einbezogen gewesen. Tragfähige Alternativen<br />
zur Berechnung des Bundesanteils seien nicht erkennbar<br />
gewesen. Zum einen wurden die kommunalen<br />
Spitzenverbände im entscheidenden Moment – das heißt<br />
als im Vermittlungsausschuss die abschließende Entscheidung<br />
getroffen wurde – nicht beteiligt. Im Vermittlungsausschuss<br />
haben Bund und Länder allein entschieden.<br />
Wir wissen, dass sich der Bund die Zustimmung der<br />
Länder durch die Zusage erkauft hat, er werde die geplante<br />
Reduzierung des Bundesanteils zur Finanzierung<br />
der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbslosigkeit<br />
zurücknehmen. Zum anderen gab es sehr wohl alternative<br />
Vorschläge zur Art und Weise der Berechnung des Bundesanteils.<br />
Denn auch dieser Bundesanteil, der 2009 von 13 Prozent<br />
im Jahr auf einen Anteil von 16 Prozent im Jahr aufgestockt<br />
werden soll, ist nicht geeignet, die finanzielle<br />
Mehrbelastung der Kommunen aufgrund der deutlich gestiegenen<br />
Altersarmut abzufedern. Seit Einführung der<br />
Grundsicherung im Alter stiegen die Ausgaben der Kommunen<br />
hierfür kontinuierlich, zuletzt im Jahr 2007 um<br />
7,4 Prozent. Schon jetzt ist absehbar, dass diese Kosten in<br />
Zukunft weiter deutlich steigen werden, weil die Bundesregierung<br />
bei der Bekämpfung von Armut trotz Arbeit<br />
kläglich versagt. Niedrigverdienende warten vergebens<br />
auf den Durchbruch beim Mindestlohn und die von<br />
Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagene Entlastung bei<br />
den Sozialabgaben. Die heute zunehmende Zahl der Menschen<br />
mit niedrigem Einkommen findet sich morgen in<br />
der Altersarmut wieder.<br />
Mein Fazit: Die Reduzierung des Bundesanteils im Be- Die deutliche Zunahme des Niedriglohnsektors auf<br />
reich der Kosten der Unterkunft zeigt: Der Bund entzieht mehr als 20 Prozent führt auch bei den Kosten der Kom-<br />
sich zunehmend seiner Verantwortung, Aufgaben zu fimunen für die hier zur Debatte stehenden Unterkunftsnanzieren,<br />
die auf Bundesebene beschlossen wurden, und kosten für Arbeitslosengeld-II-Beziehende zu einem er-<br />
dies zulasten der Kommunen. Ich meine, dieser Trend höhten Kostenaufwand. Denn trotz des konjunkturellen<br />
muss gestoppt werden, und es muss hier eine Korrektur Aufschwunges stieg die Zahl der sogenannten Aufstocker,<br />
erfolgen. Der Bundesanteil muss erhöht werden. Grund- das heißt der Niedrigeinkommen, die ergänzend das Ar-<br />
(B) lage für die Berechnung müssen die realen Kosten für Unterkunft<br />
und Heizung sein.<br />
beitslosengeld II in Anspruch nehmen müssen, kontinuierlich.<br />
Da deren Einkommen zuerst auf die vom Bund finanzierte<br />
Regelleistung angerechnet wird, stocken<br />
oftmals allein die Kommunen über die Unterkunftskosten<br />
die Niedrigeinkommen auf.<br />
(D)<br />
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Mit dem vorliegenden Gesetz zur Absenkung der Bundesbeteiligung<br />
an den Kosten für Unterkunft und Heizung<br />
für Arbeitslosengeld-II-Beziehende werden die Kommunen,<br />
die den wesentlichen Teil dieser Kosten zahlen, über<br />
den Tisch gezogen. Wir kritisieren – wie auch die kommunalen<br />
Spitzenverbände – die Absenkung des Bundesanteils<br />
an den Kosten der Unterkunft von ursprünglich<br />
29,1 Prozent auf 26 Prozent. Für das Haushaltsjahr 2009<br />
entlastet sich der Bund um 700 Millionen Euro auf Kosten<br />
der Kommunen. Union und SPD verabschieden heute mit<br />
Unterstützung der Bundesländer ein Gesetz, das gerade<br />
die Ebene finanziell schwächt, auf deren Investitionskraft<br />
es in den vor uns liegenden schwierigen wirtschaftlichen<br />
Zeiten ankommt: die Städte und Gemeinden. Hauptsächlich<br />
betroffen sind wieder einmal die strukturschwachen<br />
Regionen, die besonders viele Langzeitarbeitslose zu verzeichnen<br />
haben. Durch dieses Gesetz wird die Schere zwischen<br />
armen und reichen Kommunen weiter auseinandergehen.<br />
Die Kommunen sind Opfer eines Kuhhandels zwischen<br />
Bund und Ländern geworden. Denn im Zuge der Verhandlungen<br />
zur Wohngeldnovelle wurde im Juni dieses<br />
Jahres die von uns und den kommunalen Spitzenverbänden<br />
kritisierte Berechnungsformel für die Anpassung des<br />
Bundesanteils an den Unterkunftskosten festgeschrieben.<br />
Diese Anpassungsformel orientiert sich jedoch nicht an<br />
Die finanzielle Belastung der Kommunen wird durch<br />
die in den vergangenen Jahren drastisch gestiegenen<br />
Energiepreise zusätzlich verschärft. Die Heizkosten sind<br />
im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent gestiegen. Die<br />
von Bund und Ländern nunmehr festgeschriebene Anpassungsformel<br />
für den Bundesanteil an den Kosten für Unterkunft<br />
und Heizung berücksichtigt diese Preissteigerungen<br />
nicht, da in der Formel ausschließlich auf die Zahl<br />
der Bedarfsgemeinschaften, nicht jedoch auf die tatsächlich<br />
entstehenden Kosten abgestellt wird. In diesem Jahr<br />
drohen den Kommunen nach Schätzungen des Deutschen<br />
Städtetages zusätzliche Mehrausgaben von 1 Milliarde<br />
Euro aufgrund gestiegener Heizkosten, sodass trotz der<br />
rückläufigen Zahl von Bedarfsgemeinschaften die Unterkunftskosten<br />
nicht zurückgehen werden. Dieser Trend<br />
wird sich fortsetzen. Hieran werden auch die aktuell sinkenden<br />
Energiepreise im Zuge der konjunkturellen Krise<br />
nichts ändern. Denn der Preisverfall ist nach Einschätzung<br />
von Energieexperten eher ein kurzfristiges Phänomen.<br />
Mittel- bis langfristig werden die Energiepreise wieder<br />
steigen, und zwar noch deutlicher als zuvor. Aufgrund<br />
der unzureichenden Berücksichtigung in der Anpassungsformel<br />
für den Bundesanteil werden die steigenden<br />
Energiepreise allein bei den Kommunen zu Buche schlagen.<br />
Zu Protokoll gegebene Reden