193. Sitzung - Deutscher Bundestag
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Winfried Nachtwei<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20839<br />
(A) keit und das unzureichende Engagement der damaligen nötig und lächerlich, sondern ausdrücklich für kontra- (C)<br />
Bundesregierung beigetragen. Das muss man, finde ich, produktiv, weil nämlich dadurch Gerüchte und Dämoni-<br />
eindeutig kritisieren. Es ist an der Zeit, dass sich die sierungen gefördert werden.<br />
Bundesregierung – man steht ja immer sozusagen in Verantwortungskontinuität<br />
– bei Herrn Kurnaz ausdrücklich<br />
entschuldigt.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der FDP sowie des Abg. Paul Schäfer<br />
[Köln] [DIE LINKE])<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,<br />
bei der FDP und der LINKEN sowie des Abg.<br />
Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Jürgen<br />
Herrmann [CDU/CSU]: Das könnte der ehemalige<br />
Außenminister auch einmal machen!)<br />
Was die Unterrichtung der Obleute im Verteidigungsausschuss<br />
und im Auswärtigen Ausschuss betrifft, so<br />
sind wir bis zum heutigen Tag auf den Goodwill der<br />
Minister angewiesen. Hier sind verbriefte, direkte Kontrollrechte<br />
notwendig, wie wir diese in unserem Antrag<br />
angeführt haben. Wir müssen überlegen, ob eine Anpassung<br />
des Parlamentsbeteiligungsgesetzes notwendig ist.<br />
Um das klar zum Schluss zu sagen: Es geht nicht nur um<br />
einige Kontrollrechte mehr des Parlaments; vielmehr ist<br />
dieses Mehr an Kontrollrechten des Parlaments ganz<br />
zentral im Interesse der Spezialsoldaten, zum Beispiel<br />
der des Kommandos Spezialkräfte; denn von ihnen werden<br />
extrem hohe Leistungen erwartet. Sie müssen über<br />
diese Leistungen schweigen wie ein Grab, sogar gegenüber<br />
der eigenen Frau. Umso mehr müssen solche Soldaten<br />
sicher sein können, dass ihre Einsätze wirklich dringlich<br />
und verantwortbar sind.<br />
Der andere Auftrag des Untersuchungsausschusses<br />
war, fünf Jahre nach der Entsendung des Kommandos<br />
Spezialkräfte nach Afghanistan diesen Einsatz im Rahmen<br />
der parlamentarischen Kontrolle zu überprüfen. Die<br />
wesentlichen Ergebnisse dieser Aufklärung waren, dass<br />
die Startbedingungen – es ging regelrecht in den Nebel<br />
hinein – für die Soldaten äußerst strapaziös waren. Außerdem<br />
bewegten sich alle Einsätze im Bereich der sogenannten<br />
Spezialaufklärung und der Durchsuchung von<br />
verdächtigen Objekten. Im Einsatz selbst – Kollegin<br />
Hoff hat darauf hingewiesen – waren die Eingriffsrechte<br />
ungeklärt und blieben es auch die ganze Zeit, was zur<br />
Folge hatte, dass der Auftrag, den die Soldaten hatten,<br />
nur sozusagen auf der unteren Ebene durchgeführt werden<br />
konnte.<br />
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:<br />
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.<br />
Bei diesen Einsätzen gab es keine Gefechte, es gab<br />
keine Toten oder Verwundeten. Die Befürchtungen, die Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
viele von uns damals im Parlament und in der Gesell- Ja, das ist genau in Sicht.<br />
(B)<br />
schaft hatten, dass wir unter Rot-Grün sozusagen in eine<br />
Art Vietnamkrieg hineinrutschen würden, haben sich<br />
Gott sei Dank nicht bewahrheitet. Wir mussten auch ei-<br />
(Heiterkeit)<br />
(D)<br />
nes, was damals von Kanzler Schröder sehr vollmundig Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:<br />
angekündigt wurde, nicht unter Beweis stellen, nämlich<br />
uneingeschränkte Solidarität. Nein, dieses Beispiel zeigt,<br />
Aber hoffentlich in kurzer Sicht.<br />
dass es eine sehr bewusst eingegrenzte Solidarität war. Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Dafür bietet die parlamentarische Kontrolle die beste<br />
Gewähr.<br />
Es stellte sich heraus, dass die KSK-Soldaten im<br />
Grunde schon nach einigen Monaten von der amerikanischen<br />
Führung von Enduring Freedom nicht mehr benötigt<br />
wurden. Trotzdem wurden sie mit mehreren Kontingenten<br />
über Jahre hinweg dort belassen. Ich habe bereits<br />
festgestellt und wiederhole es wieder: Soldaten nur aus<br />
symbolpolitischen Gründen in einen hochriskanten Einsatz<br />
zu schicken, ist gegenüber den Soldaten nicht zu<br />
verantworten.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der<br />
CDU/CSU)<br />
Die Konsequenzen: Im Laufe der Jahre hat es – das<br />
haben gerade die Obleute im Verteidigungsausschuss<br />
mitbekommen – eine gewisse Weiterentwicklung der<br />
Unterrichtung über geheimhaltungsbedürftige Einsätze<br />
gegeben. Insgesamt aber ist die jetzige Unterrichtungsweise<br />
noch unzureichend. Der Schutz von Personen und<br />
Operationen wird von niemandem infrage gestellt. Aber<br />
deshalb – so habe ich bisher den Antrag der Koalition<br />
gelesen – die Totalgeheimhaltung über KSK-Einsätze<br />
für das Parlament insgesamt und für die Öffentlichkeit<br />
insgesamt aufrechtzuerhalten, halte ich nicht nur für un-<br />
Danke schön.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:<br />
Das Wort hat nun Kollege Jürgen Herrmann, CDU/<br />
CSU-Fraktion.<br />
(Beifall bei der CDU/CSU)<br />
Jürgen Herrmann (CDU/CSU):<br />
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und<br />
Herren! Endlich, nachdem wir viel darüber diskutiert<br />
und uns ausgetauscht haben, liegt der Abschlussbericht<br />
über den Untersuchungsausschuss hinsichtlich der möglichen<br />
Misshandlungen von Herrn Kurnaz vor. Wir erhalten<br />
darin einen umfassenden Überblick über circa ein<br />
Jahr Einsatzgeschehen in Afghanistan im Raum Kandahar.<br />
Der zeitliche Aufwand, dem wir uns als Parlamentarier<br />
unterzogen haben, war sicherlich enorm. Wir haben<br />
sehr viele Stunden damit verbracht, die Wahrheit ans<br />
Licht zu bringen. Ich werde hier einige Argumente brin-