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193. Sitzung - Deutscher Bundestag

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20940 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008<br />

(A) scher, kulturpolitischer, ökologischer und menschenrigkeiten durchaus zur Entwicklung in einer bisher stark (C)<br />

rechtspolitischer Art, die mit dem Projekt verbunden benachteiligten Region der Türkei beitragen.<br />

sind. Vieles von dem nimmt auch die FDP sehr ernst,<br />

wobei ich mir die Frage stelle, wie das, was Sie hier über<br />

die Türkei und ihr Verhalten in der vorliegenden Frage<br />

äußern, eigentlich zusammenpasst mit ihrem vehementen<br />

Eintreten für einen möglichst zügigen Beitritt der<br />

Türkei zu Europäischen Union. Das gilt insbesondere für<br />

Frau Roth, die sich zu diesem Projekt auch vorgestern<br />

wieder in extremer Form geäußert hat. Wie wollen Sie<br />

denn, Frau Roth, eigentlich glaubhaft für den Beitritt eines<br />

Landes zur EU streiten, das „sich in verantwortungsloser<br />

Weise über jegliche Vereinbarungen hinwegsetzt“?<br />

Noch wichtiger ist uns als Liberalen aber insbeson-<br />

Entscheidend ist aber heute vielmehr, dass wir es gegenwärtig<br />

noch mit einem schwebenden Verfahren zu<br />

tun haben. Der entsprechende Expertenbericht legt in der<br />

Tat nahe, dass sich die Türkei an viele Vorgaben nicht<br />

hält bzw. nicht gehalten hat. Für einen solchen Fall sind<br />

eindeutige Verfahren vorgesehen, nämlich etwaige neue<br />

Fristen und dann gegebenenfalls die Rücknahme der Exportbürgschaft.<br />

Diese Prüfungen sollten wir in Ruhe abwarten,<br />

anstatt die entsprechenden Entscheidungen hier<br />

aus dem warmen Parlamentssessel heraus vorwegnehmen<br />

zu wollen.<br />

dere die grundsätzliche Frage, ob es wirklich richtig ist, Darüber hinaus sind jetzt auch die Kreditversicherer<br />

dass hier das Parlament in die Einzelprüfung derartiger aus Deutschland, der Schweiz und Österreich gefordert,<br />

Projekte eingreift. Aus diesem Grunde ist aus unserer sich an ihrer Verantwortung und ihren Kriterien orientie-<br />

Sicht der Antrag der Linken in keiner Weise zustimren. Sollten diese zu dem Schluss gelangen, dass die<br />

mungsfähig. Es gibt aus guten Gründen einen Kriterien- Verletzungen von Absprachen durch die Türkei in so ekkatalog,<br />

der festlegt, welche Projekte überhaupt geeignet latantem Maße vorliegen, wie Sie das behaupten, so wer-<br />

sind, eine Hermesbürgschaft in Anspruch zu nehmen. den sie von sich aus handeln. Dazu bedarf es keiner poli-<br />

Über die Ausgestaltung dieser Kriterien ließe sich in der tischen Einflussnahme. Eine andere Frage ist, ob<br />

Tat streiten, aber das muss dann eben auch gemacht wer- dadurch das Gesamtprojekt in irgendeiner Weise geden.bremst<br />

würde.<br />

Bei einer Güterabwägung zwischen den Auswirkun- Alles in allem will ich zum Abschluss nicht verhehgen<br />

des konkreten Projektes und dem letzten Mittel einer len, dass es sicherlich Projekte gibt, bei denen es eingän-<br />

Rücknahme der Hermesbürgschaft kommen wir zu angiger ist, warum es zu einer Hermesbürgschaft kommt.<br />

(B)<br />

deren Ergebnissen als Sie. Für die FDP ist klar, dass, wie<br />

im Bereich des Welthandels, auch bei der Vergabe von<br />

Exportbürgschaften durch den deutschen Staat vergabefremde<br />

Aspekte wie Umwelt- und Sozialstandards keine<br />

Rolle spielen sollten. Die Bundesrepublik Deutschland<br />

Gleichwohl aber lehnt die FDP-Fraktion aus prinzipiellen<br />

verfahrenstechnischen wie entwicklungs- und außenwirtschaftspolitischen<br />

Gründen den vorliegenden Antrag<br />

ab.<br />

(D)<br />

sollte sich nicht zum Zensor der türkischen, indischen<br />

oder chinesischen Energiepolitik machen.<br />

Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE): In diesen Tagen<br />

muss sich die Bundesregierung entscheiden: Will sie<br />

endlich die Notbremse ziehen und sich aus dem Bau des<br />

Ilisu-Staudammes im Südosten der Türkei zurückziehen?<br />

Oder will sie weiterhin dieses unsoziale und die<br />

Umwelt zerstörende Großprojekt politisch und finanziell<br />

unterstützen?<br />

Wir als Liberale haben stets betont, dass die Nutzung<br />

komparativer Kostenvorteile durch Entwicklungs- und<br />

Schwellenländer völlig legitim ist. Deshalb ist der intellektuelle<br />

Ansatz, diesen Ländern unsere weit fortgeschrittenen<br />

Umwelt- und Sozialstandards aufzuzwingen,<br />

nicht nur illegitim, er schadet auch der Entwicklung<br />

dieser Staaten. Überträgt man nun diesen Grundgedanken<br />

auf den vorliegenden Fall einer Hermesbürgschaft<br />

für den Ilisu-Staudamm, so kommt man nicht umhin<br />

festzustellen, dass auch hier derartige Erwägungen keine<br />

Rolle spielen sollten. Bei Hermesbürgschaften geht es<br />

um die Exportförderung deutscher Unternehmen und<br />

nicht darum, anderen Ländern unsere Standards aufzuzwingen.<br />

Im Übrigen ist der vorliegende Antrag in einem Duktus<br />

verfasst, der die Pläne zum Bau des Ilisu-Staudamms<br />

in ein Licht taucht, als wäre dieses Projekt der Ausfluss<br />

der Überlegungen einer dunklen Macht. Sie ignorieren<br />

vollständig, dass es aus türkischer Sicht eben doch auch<br />

gute Gründe für den Bau des Staudamms gibt. So geht es<br />

immerhin um die Errichtung einer leistungsfähigen<br />

Energieerzeugungsanlage auf Basis erneuerbarer Energien,<br />

etwas, was gerade Linke wie Grüne den Entwicklungs-<br />

und Schwellenländern bei jeder passenden und<br />

unpassenden Gelegenheit ins Stammbuch schreiben.<br />

Weiterhin kann das Projekt natürlich bei allen Schwie-<br />

Seit mehr als zwei Jahren beschäftigen wir uns hier<br />

und in den Ausschüssen mit dem Thema der Exportkreditversicherung<br />

für die Züblin AG zum Bau des Ilisu-<br />

Staudammes. Meine Partei und die Kollegen von Bündnis<br />

90/Die Grünen haben wiederholt und detailliert die<br />

Gründe dargelegt, die gegen diese unverantwortliche<br />

Hermesbürgschaft der Bundesregierung sprechen. Ich<br />

möchte die wichtigsten Punkte dennoch noch einmal<br />

kurz ansprechen.<br />

Erstens sind bis zu 78 000 Menschen durch das Großprojekt<br />

in ihrer Existenzgrundlage bedroht. Von ihnen<br />

werden schätzungsweise mehr als 10 000 Menschen ihren<br />

Landbesitz verlieren. Die Enteignungen, Umsiedlungen<br />

und Entschädigungen der betroffenen Bevölkerung,<br />

die bereits begonnen haben, bleiben weit hinter den erforderlichen<br />

internationalen Standards zurück. Zudem<br />

droht eine doppelte Vertreibung: Das Land, auf dem die<br />

Bewohner der Region angesiedelt werden sollen, ist zum<br />

Teil bereits bewohnt. Dort werden die Menschen aufgefordert,<br />

ihren Besitz zu Spottpreisen zu verkaufen.

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