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193. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20941<br />

(A) Zum Zweiten berührt die Aufstauung des Tigris und Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen. Im parla- (C)<br />

des Euphrats im Rahmen des umfangreichen Südostanamentarischen Raum haben wir Grünen bereits vor über<br />

tolien-Projektes ganz direkt die Interessen der Nachbar- zwei Jahren dazu aufgefordert, die Hermesbürgschaft<br />

länder Syrien und Irak. Die Regierungen dieser Länder nicht zu bewilligen. Leider ohne Erfolg. Aber unsere Ar-<br />

wurden jedoch nicht in die Planungen für den Ilisu-Staudamm<br />

einbezogen. Wenn es durch das Projekt in bestimmten<br />

Perioden zum Wassermangel kommt, sind internationale<br />

Spannungen zwischen der Türkei und den<br />

Anrainern nur eine Frage der Zeit.<br />

gumente haben Wirkungskraft gezeigt. Zusammen mit<br />

engagierten Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland,<br />

Österreich, der Schweiz und der Türkei ist es gelungen,<br />

die negativen Auswirkungen des Staudammprojekts<br />

einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und<br />

Drittens würden durch eine Flutung der Region um<br />

Ilisu einige der wichtigsten Kulturgüter der Menschheitsgeschichte<br />

unwiederbringlich verloren gehen. Mit<br />

der Stadt Hasankeyf würden eine Jahrtausende alte Stadt<br />

und deren kulturelle Schätze versinken.<br />

den Druck auf die Entscheidungsträger bis heute aufrechtzuerhalten.<br />

Diesem Druck und den offensichtlichen<br />

Fehlleistungen der türkischen Regierung bei der Erfüllung<br />

festgelegter Auflagen in den Bereichen Umsiedlung,<br />

Umwelt und Kultur konnte sich die Bundesregierung<br />

nicht verschließen. Zusammen mit Österreich und<br />

der Schweiz wurde der Türkei durch eine „Umweltstörungsanzeige“<br />

eine Frist bis Ende nächster Woche gestellt.<br />

Bis dahin muss ein tragfähiges Konzept stehen,<br />

das den Willen erkennen lässt, die Auflagen zu erfüllen.<br />

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mit einigen Bewohnern<br />

Hasankeyfs sowie dem Bürgermeister der Stadt<br />

persönlich zu reden. Sowohl sie als auch Vertreter der<br />

türkischen Umweltverbände treten nach wie vor vehement<br />

gegen die Umsetzung des Staudamm-Projektes ein.<br />

Wie mir der Bürgermeister Abdulvahap Kusen beschrieb,<br />

würde es auch gravierende Folgen für die lokale<br />

Wirtschaft haben, die ohnehin schwach entwickelt ist.<br />

(B)<br />

Dass die türkische Regierung die an die Vergabe der<br />

Exportkreditgarantien geknüpften Auflagen nicht erfüllt,<br />

musste im Oktober dieses Jahres selbst die Bundesregierung<br />

einräumen. Sie drohte zusammen mit Österreich<br />

und der Schweiz der türkischen Regierung, die Bürgschaften<br />

für das Ilisu-Projekt zurückzuziehen und gab<br />

ihr 60 Tage Zeit, um die 153 Auflagen in die Tat umzusetzen<br />

oder einen entsprechenden Plan zu erstellen. Am<br />

12. Dezember wird diese Frist ablaufen.<br />

Es darf auf keinen Fall zu einem faulen Kompromiss<br />

kommen. Seit über anderthalb Jahren kennt die türkische<br />

Regierung die Auflagen. Seit über anderthalb Jahren ist<br />

nichts passiert, keine Umweltverträglichkeitsprüfung,<br />

kein geeigneter Umsiedlungsplan, keine Machbarkeitsstudien<br />

zur Rettung jahrtausendealter Kulturgüter. Was<br />

bisher passiert ist, sind Enteignungen von Menschen, die<br />

im Weg stehen, und vorbereitende Baumaßnahmen für<br />

den Staudamm. Warum sollten wir davon ausgehen, dass<br />

sich an dieser Politik etwas ändert? Wann ist es genug?<br />

Wann sieht die Bundesregierung ein, dass sie sich an<br />

dem skandalträchtigen Projekt nicht beteiligen darf? (D)<br />

Nach Einschätzung von Umweltorganisationen und<br />

anderen Beobachtern deutet derzeit nichts darauf hin,<br />

dass die türkische Regierung gewillt ist, sich an die Auflagen<br />

zu halten. Für uns bedeutet das: Die Bundesregierung<br />

muss die bestehenden Bürgschaftsverträge umgehend<br />

widerrufen.<br />

Und doch gibt es erste Anzeichen dafür, dass der Türkei<br />

eine weitere Schonfrist eingeräumt wird und<br />

Deutschland, Österreich und die Schweiz weiter am Ball<br />

bleiben. Das ist absurd. Besonders die Intensivierung<br />

der Bauarbeiten während der 60-Tage-Frist zeigt, dass<br />

die Türkei die Sache nicht ernst nimmt. Ob es sich dabei<br />

um indirekte oder direkte Baumaßnahmen handelt, ist<br />

letztendlich irrelevant. Die Türkei schafft Tatsachen: Der<br />

Bau soll so schnell wie möglich vorangetrieben werden.<br />

Das ist ein Affront gegen die Bedenken Deutschlands,<br />

Österreichs und der Schweiz. Und doch scheint dies<br />

nicht auszureichen.<br />

Lassen Sie uns ein Zeichen setzen, dass die Zerstörung<br />

von Gesellschaft und Natur auch im fernen Anatolien<br />

uns hier nicht unberührt lässt, gerade wenn sie mit<br />

deutscher Unterstützung geschieht. Hier können Sie sich<br />

ganz konkret für die Menschenrechte einsetzen, wenn<br />

Sie es mit dem Antrag zu Menschenrechten, der morgen<br />

an dieser Stelle verabschiedet wird, wirklich ernst meinen.<br />

Fordern Sie also mit uns die Bundesregierung auf,<br />

aus diesem unverantwortlichen Projekt unverzüglich<br />

auszusteigen und die Hermesbürgschaften für Ilisu zurückzuziehen.<br />

Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein falsches<br />

Projekt wird auch durch die Vergabe von Exportkreditgarantien<br />

nicht richtig. Der illegale Baubeginn<br />

muss zum Stopp der Bürgschaften führen. Noch stehen<br />

die Exportkreditgarantien für die am Ilisu-Staudammprojekt<br />

beteiligten Unternehmen aus Deutschland,<br />

Österreich und der Schweiz. Die deutsche Bundesregierung<br />

hat eine Hermesbürgschaft in Höhe von 93,5 Millionen<br />

Euro für die Züblin AG im März des letzten Jahres<br />

bewilligt, trotz der massiven Einwände vieler<br />

Die Position der Bundesregierung wurde dem Ausschuss<br />

für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

gestern vorgeführt: Der Damm wird so oder so<br />

gebaut, und wenn Deutschland mit im Boot sitzt, können<br />

die Dinge zum Positiven beeinflusst werden. Zwar seien<br />

die Verfehlungen der Türkei nicht akzeptabel, aber die<br />

Mängel behebbar. Das klingt danach, dass wirtschaftliche<br />

Interessen einmal mehr Vorrang vor sozialer und<br />

ökologischer Nachhaltigkeit bekommen. Soziale und<br />

ökologische Nachhaltigkeit würde aus grüner Sicht bedeuten,<br />

den Damm erst gar nicht zu bauen und sinnvolle<br />

Alternativen für die Entwicklung der Region und die<br />

Energieversorgungsprobleme der Türkei zu schaffen.<br />

Die Türkei hat hohes Potenzial, Energie aus erneuerbaren<br />

Quellen zu erzeugen. Doch eine Prüfung von Alternativen<br />

hat nicht stattgefunden.

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