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193. Sitzung - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – <strong>193.</strong> <strong>Sitzung</strong>. Berlin, Donnerstag, den 4. Dezember 2008 20919<br />

(A) und Verbraucher auf sichere Lebensmittel gewahrt, ha- Eine Möglichkeit, sich dieser Sorge entgegenzustem- (C)<br />

ben die Züchter Rechtssicherheit.<br />

men, sind die vielen aktiven Bewegungen vor Ort. Es<br />

Jeder würde es als Ungeheuerlichkeit empfinden,<br />

wenn einem Autobauer, der ein den rechtlichen<br />

Vorschriften entsprechendes Fahrzeug produziert, die<br />

Zulassung einfach mal so verweigert würde. Dies wäre<br />

Willkür. Was bei Autos Willkür ist, ist auch bei Pflanzensorten<br />

Willkür. Wir wollen das nicht.<br />

gibt Widerstand nicht nur aus gentechnikfreien Kommunen<br />

oder Kirchen, sondern auch durch die gentechnikfreien<br />

Regionen. Das Netzwerk der Gentechnikfrei-Bewegung<br />

wird immer stärker und breiter: Bäuerinnen und<br />

Bauern, Imkereien, Ärztinnen und Ärzte, Vertreterinnen<br />

und Vertreter des Lebens- und Futtermittelhandels, von<br />

Saatgut- und Verarbeitungsunternehmen, von Bioverbänden,<br />

Bildungs- und Kultureinrichtungen, von Medien,<br />

Politik, Verwaltung, Natur- und Umweltschutz, Organisationen<br />

aus der Entwicklungszusammenarbeit und<br />

Kirchen. Sie alle arbeiten zusammen, um den unschätzbaren<br />

Wert der gentechnikfreien Landwirtschaft zu erhalten<br />

und die Verunreinigungsgefahr, die von der Gentechnikindustrie<br />

zumindest in Kauf genommen wird, zu<br />

unterbinden.<br />

Der vor kurzem von österreichischen Wissenschaftlern<br />

vorgelegte Mehrgenerationen-Mäuseversuch ist<br />

nicht geeignet, die Sicherheit zugelassener gentechnisch<br />

veränderter Sorten in Zweifel zu ziehen. Die zehnfach<br />

höhere Belastung des GVO-Futters mit Schimmelpilzen,<br />

die zu einer fünffach erhöhten Belastung mit Pilzgiften<br />

führte, zusammen mit der sechsfach erhöhten mikrobiellen<br />

Belastung gegenüber dem nichttransgenen Futter<br />

wirft die Frage auf, worauf die im Fütterungsversuch gezeigten<br />

Unterschiede zurückzuführen sind. Das gefundene<br />

Pilzgift Deoxynivalenol verursacht bei Nutztieren<br />

eine Wachstumsverzögerung und schwächt das Immunsystem.<br />

Es ist ungeklärt, warum trotz dieser Unterschiede<br />

des Futters der Versuch durchgeführt wurde.<br />

(B)<br />

Die von Bündnis 90/Die Grünen geforderte Übernahme<br />

einer bayerischen Initiative zur hoheitlichen Ausweisung<br />

von sogenannten gentechnikfreien Zonen lehnt<br />

die FDP-<strong>Bundestag</strong>sfraktion ebenfalls ab. Der Europäische<br />

Gerichtshof ist in Europa für die bindende Auslegung<br />

europäischen Rechts zuständig. Er hat sehr eindeutig<br />

und inhaltlich nachvollziehbar entschieden, dass die<br />

hoheitliche Ausweisung von sogenannten gentechnikfreien<br />

Regionen nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Die<br />

Diskussion um die hoheitliche Ausweisung von sogenannten<br />

gentechnikfreien Regionen ist ein Kampfinstrument<br />

gegen die Grüne Gentechnik, mehr nicht. In<br />

Schleswig-Holstein haben die Grünen innerhalb eines<br />

Jahres kaum über 10 000 Stimmen für ein „gentechnikfreies<br />

Schleswig-Holstein“ sammeln können – bei einer<br />

Bevölkerung von 2,8 Millionen Menschen. Das Thema<br />

war bei uns erkennbar kein Renner.<br />

Die öffentlichkeitswirksamen Erfolge der ersten beiden<br />

gentechnikfreien Regionen Warbel-Recknitz in<br />

Mecklenburg-Vorpommern und Uckermark-Barnim in<br />

Brandenburg waren Anfang 2004 die Initialzündung.<br />

Viele Initiativen wurden anschließend aktiv und gründeten<br />

gentechnikfreie Regionen. Deutschlandweit gibt es<br />

nun 105 gentechnikfreie Regionen. Dort engagieren sich<br />

über 22 000 Landwirtinnen und Landwirte. Das sind<br />

über 770 000 Hektar gentechnikfreie landwirtschaftliche<br />

Nutzfläche. Hört sich ziemlich stark an. Erst recht verglichen<br />

mit den lediglich 3 200 Hektar, die in diesem<br />

Jahr mit der gentechnisch veränderten Maislinie MON 810<br />

bestellt worden sind. Tausende Aktive stehen sogar weniger<br />

werdenden Landwirtschaftsbetrieben gegenüber.<br />

Doch der Schein trügt.<br />

Wie so oft hängt die Aktivität jeder gentechnikfreien<br />

Region vom Engagement Weniger ab. Bei uns in Brandenburg<br />

ist die gentechnikfreie Region Teltow-Fläming<br />

so ein positives Beispiel. Doch auch hier sind der Motor<br />

ein einziger Bauer und seine Frau. Die Linke fordert<br />

bereits seit langem, dass die vielen gentechnikfreien Regionen<br />

unterstützt werden, weil sie im Interesse der<br />

übergroßen gentechnikskeptischen oder -ablehnenden<br />

Mehrheit handeln. Wenn wir wollen, dass sich Regionen<br />

(D)<br />

Mit der hoheitlichen Ausweisung von sogenannten selbstbestimmt und selbstermächtigt entscheiden kön-<br />

gentechnikfreien Regionen würde den Landwirten die nen, brauchen sie einerseits einen klaren rechtlichen Sta-<br />

Freiheit genommen, zu entscheiden, welche der in tus und andererseits eine finanzielle bzw. strukturelle<br />

Europa zugelassenen Sorten sie auf ihrem Land anbauen Unterstützung. Nur wenn die Koordination mehrerer<br />

dürfen. Das ist Bevormundung. Der freiwillige Zusam- gentechnikfreier Regionen zum Beispiel über Landesmenschluss<br />

von Landwirten, auf den Anbau gentechmittel finanziert werden könnte – selbstverständlich mit<br />

nisch verbesserter Sorten verzichten zu wollen, ist eine Ausschreibung für eine unabhängige Koordination –, ha-<br />

gesetzlich gegebene Möglichkeit, die wir unterstützen. ben die aktiven Landwirtinnen und Landwirte vor Ort<br />

Die Entscheidungsfreiheit jedes Landwirts bleibt erhal- die Möglichkeit, mehr politisch und weniger organisatoten.<br />

Wir brauchen in Deutschland mehr Freiheit und risch für ihre Interessen arbeiten zu können. Zivilcou-<br />

mehr Fachlichkeit bei Entscheidungen statt Bevormunrage und ehrenamtliches Engagement werden von der<br />

dung und politische Willkür.<br />

Politik immer wieder gefordert. Hier könnten wir es unterstützen,<br />

ganz konkret.<br />

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die Agrogentechnik<br />

polarisiert. Dass gentechnisch veränderte Pflanzen<br />

ungeklärte Risiken bergen, ist kaum ernsthaft zu bestreiten.<br />

Koexistenz, also das Nebeneinander von<br />

gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Pflanzen,<br />

ist auf Dauer unmöglich. Das besorgt viele Bürgerinnen<br />

und Bürger und muss ernst genommen werden.<br />

Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Die SPD ist dafür.<br />

Die CSU mehrheitlich auch. Die Grünen und wir<br />

Linke sowieso. Aber eine Mehrheit kommt wohl trotzdem<br />

nicht zustande. Wieso, frage ich mich. Was befürchten<br />

die Befürworter der Agrogentechnik eigentlich,<br />

wenn sich die Menschen, die diese Risikotechnologie<br />

kritisch bewerten, gegen sie schützen können? Warum

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