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Katalog 2013.pdf - Visions du Réel

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168 atelier – laila pakalnina<br />

Eine Sache<br />

der Atmosphäre<br />

Das Kino von Laila Pakalnina<br />

«Dieser Film wurde gemacht,<br />

um sich darüber zu freuen,<br />

dass es das Kino gibt.<br />

Gäbe es das Kino nicht,<br />

müsste ich Eisverkäuferin<br />

werden (das war mein<br />

erster Traumberuf).<br />

Aber Kino ist besser als<br />

Eiscreme!»<br />

Stellungnahme der<br />

Regisseurin in «Picas», 2012<br />

Laila Pakalnina ist keine rationelle Filmemacherin.<br />

In dieser wohlüberlegten<br />

Inkohärenz hat sie als Pro<strong>du</strong>zentin<br />

und Regisseurin mehr als zwanzig Filme<br />

geschaffen. «Ein Film ist ein Film», so<br />

ihre Worte wobei unerheblich ist, ob<br />

es sich um einen Kurzfilm oder einen<br />

mittellangen Film, einen Spielfilm, eine<br />

Doku oder eine Fiktion handelt: Die<br />

Vorgehensweise und die Pro<strong>du</strong>ktionsmethoden<br />

mögen sich unterscheiden,<br />

nicht so die Haltung, die trotz einer kontinuierlichen<br />

Evolution alle ihre Filme<br />

<strong>du</strong>rchdringt.<br />

Ihre ersten Arbeiten, besonders die Trilogie<br />

Vela (The Linen, 1991), Pramis (The<br />

Ferry, 1994) und Pasts (The Mail, 1995),<br />

enthalten bereits einige der Eigenarten<br />

und besonderen Merkmale ihrer späteren<br />

Filme. Vela ist ihre Abschlussarbeit<br />

vom VGIK, dem renommierten<br />

staatlichen Filminstitut in Moskau, wo<br />

sie den Filmemacher Gints Berzins<br />

kennenlernte, der ab diesen Filmen<br />

regelmässig ihr Kameramann war<br />

und massgeblich zur Entstehung von<br />

Pakalninas charakteristischem Bildstil<br />

beigetragen hat. Die drei Filme<br />

haben Alltagsroutinen fast könnte<br />

man sagen, nichts Besonderes zum<br />

Thema. Das Aussergewöhnliche dieser<br />

drei Schwarzweissfilme ist die geringe<br />

Bedeutung der Sprache und die maximale<br />

Relevanz kleiner Gesten, die Verwen<strong>du</strong>ng<br />

von Ton, die extrem stil- und<br />

bedeutungsvollen Bildeinstellungen und<br />

natürlich die Atmosphäre, die vielleicht<br />

sogar das wichtigste Konzept in der filmischen<br />

Denkweise der Regisseurin<br />

ist. Bereits in diesen drei Filmen ist eine<br />

zugleich komplexe und extrem zugängliche<br />

Welt erkennbar, eine einzigartige<br />

Mischung aus Leichtigkeit, Empathie,<br />

Aufmerksamkeit und Tiefe, die der oft<br />

problematischen Realität Pakalninas<br />

etwas <strong>du</strong>rch und <strong>du</strong>rch Poetisches verleiht.<br />

Auf einer anderen Ebene ist ein<br />

weiteres wiederkehrendes Element<br />

der Filme Pakalninas zu erkennen: ihr<br />

Heimatland. Doms (The Dome) wurde<br />

1991 gedreht; im gleichen Jahr entstand<br />

mit Vela einer ihrer vermutlich wildesten<br />

Filme. Sie filmt, wie Rigas grösste<br />

Kirche zu einem Unterschlupf für die<br />

Menschen wird, die sich während der<br />

Strassenkämpfe für die Unabhängigkeit<br />

eingesetzt haben. Pakalnina legt<br />

eine direktere soziale und politische<br />

Herangehensweise an den Tag, die sie<br />

später als Verfasserin von Leitartikeln<br />

für die Diena, die wichtigste lettische<br />

Tageszeitung, weiter entwickeln wird.<br />

Der von der Trilogie und Doms sowie<br />

allen Arbeiten von Anfang bis Mitte der<br />

1990er-Jahre gebildete Korpus kann<br />

ebenfalls als eine sehr persönliche<br />

und einzigartige Dokumentation des<br />

Übergangs von einem Lettland unter<br />

sowjetischer Besatzung zu einem unabhängigen<br />

Lettland betrachtet werden.<br />

In Ozols (The Oak, 1997) ist ein offenkundigerer,<br />

auf langen Panorama-<br />

Aufnahmen und frontalen, fast<br />

«schwebenden» Präsentationen ihrer<br />

Figuren beruhender Formenapparat zu<br />

beobachten, der später sowohl in Fiktionen<br />

als auch Dokumentarfilmen Anwen<strong>du</strong>ng<br />

finden wird. Wir finden hier auch<br />

ein ausgeprägtes Gespür für die Natur<br />

– und den Menschen als Teil davon –<br />

das ein charakteristisches Merkmal von<br />

Pakalninas poetischem Universum sein<br />

wird. Kurpe (The Shoe, 1998), ihr erster<br />

Spielfilm, der in die Selektion der Filmfestspiele<br />

von Cannes aufgenommen<br />

wurde, und Pitons (The Python, 2003),<br />

ihr zweiter Spielfilm, auf den Filmfestspielen<br />

von Venedig gezeigt, sind eng<br />

miteinander verbunden und bauen die<br />

bereits sehr reiche stilistische und emotionale<br />

Palette ihrer Filmografie weiter<br />

aus. In beiden Filmen übernimmt Pakalnina<br />

die Idee einer (zwecklosen) Suche:<br />

Mit einem ebenso feinen wie scharfen<br />

Sinn für Humor inszeniert sie gesellschaftskritische<br />

«absurde Dramen», die<br />

oft den Verweis auf Jacques Tati nach<br />

sich ziehen. Die minutiös geplanten<br />

Einstellungen lassen die Handlung wie<br />

zufällig aus dem Bild laufen und fangen<br />

in Ton und Bild Fragmente ein, die keineswegs<br />

nur dekorativ sind, sondern<br />

die Erzählung häufig «leiten». In Sachen<br />

Definition ihres Stils ist Tonmeister<br />

Anrjis Krenbergs, der an den meisten

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