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Katalog 2013.pdf - Visions du Réel

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atelier – laila pakalnina<br />

177<br />

Da ist ein Film<br />

Ein Gespräch mit Laila Pakalnina<br />

Sie haben oft gesagt, dass<br />

«Filme zu Ihnen kommen». Was<br />

genau meinen Sie damit<br />

Filme kommen zu mir und das ist<br />

ein vollkommen irrationaler<br />

Vorgang. Ich zähle nicht zu<br />

den Regisseuren, die Filme<br />

«über» etwas machen können.<br />

Ich brauche etwas Visuelles,<br />

etwas Atmosphärisches.<br />

Manchmal ist das einfach<br />

nur ein Ort. Du bist an einem<br />

Ort und stellst fest, dass<br />

es ein Ort ist, an dem ein Film<br />

stattfinden könnte. Also<br />

gehst <strong>du</strong> hin und beginnst den<br />

Film. Ein Beispiel: Vor einiger<br />

Zeit habe ich mich im Winter<br />

verfahren und war plötzlich<br />

an einem Ort, an dem nur ein<br />

grosser, hoher Schornstein<br />

stand.<br />

Die ehemalige Keramikfabrik war nicht<br />

mehr in Betrieb, aber den Schornstein<br />

gab es noch und ein paar Leute lebten<br />

ebenfalls noch in der Gegend. Ich bin<br />

nicht länger als 10 bis 15 Minuten geblieben,<br />

aber ich wusste, dass ich dorthin<br />

zurückkehren musste, und hatte das<br />

Gefühl, dass «dort ein Film war». Wir sind<br />

im Frühling zurückgekehrt, einfach nur<br />

um sicher zu gehen, dass es kein Irrtum<br />

war. Ich hatte erneut dieses Gefühl, und<br />

so begannen wir mit dem Dreh. Bei<br />

meinem jüngsten Film Cetrdesmit divi<br />

(Forty Two) ist mehr oder weniger das<br />

Gleiche passiert. Im letzten Jahr bin ich<br />

den Marathon zum ersten Mal gelaufen,<br />

und das war sowohl aus athletischer als<br />

auch aus visueller Sicht sehr interessant.<br />

All die Bilder, die ich über einen Marathon<br />

im Kopf hatte und die zumeist aus<br />

Fernsehreportagen und einigen Dokumentarfilmen<br />

stammten, standen in<br />

keinem Zusammenhang mit dem, was<br />

ich erlebte. Noch als ich den Marathon<br />

beendete, wusste ich, dass ich ihn filmen<br />

und mit einer Kamera laufen möchte,<br />

was ich ein Jahr später getan habe.<br />

Verwackelte Bilder in einem Film<br />

von Laila Pakalnina – das ist fast<br />

revolutionär.<br />

(Lachen) Ja, auch mein Cutter fand das<br />

lustig und sagte, dass die Leute angesichts<br />

meiner Abneigung für Freihandaufnahmen<br />

und meiner enthusiastischen<br />

Verwen<strong>du</strong>ng von Stativen schockiert<br />

sein werden. Aber keine Angst, der<br />

Film besteht auch aus vielen statischen<br />

Einstellungen.<br />

Viele Ihrer Crewmitglieder sind schon<br />

seit Jahren mit dabei. Wie haben Sie<br />

die Leute ausgewählt, mit denen Sie<br />

gearbeitet haben und noch arbeiten<br />

Und wie arbeiten Sie mit ihnen<br />

Sie kommen zu mir, wie Ideen. Cutter,<br />

Kameramann, Toningenieur, Art Directors<br />

meiner Spielfilme… die meisten<br />

werden irgendwann Koautoren. Sie<br />

wissen bereits, wie ich sehe, aber «ich<br />

bin nur ich», ich habe Grenzen, und sie<br />

fügen dem profunden Wissen um meine<br />

Vorstellungen als Regisseurin ihren Wert<br />

hinzu.<br />

Das Schaffen oder Wiederherstellen<br />

einer Atmosphäre scheint sowohl der<br />

Ausgangspunkt als auch der Schlüssel<br />

der meisten Ihrer Arbeiten zu sein. Wie<br />

würden Sie eine Atmosphäre definieren<br />

Wie gehen Sie an das ätherische,<br />

zugleich radikale Gefühl einer anderen<br />

Wahrnehmung von Zeit und Raum<br />

heran<br />

Atmosphäre hat bei mir Vorrang, wenn<br />

ich an Filme denke. Ich mag unterschiedliche<br />

Arten des Geschichtenerzählens<br />

und unterschiedliche Arten<br />

des Filmemachens, aber Filme sollten<br />

Atmosphäre haben. Atmosphäre ist für<br />

mich eindeutig der wichtigste filmische<br />

Wert. Sie kann sogar die Geschichte<br />

ersetzen. Sie ist so wichtig, weil sie den<br />

Leuten «Zugang» zum Film gibt. Entweder<br />

manipuliert man das Publikum oder<br />

man lässt es in den Film hinein, damit<br />

es ihn gewissermassen von innen erleben.<br />

Es ist wie das Hinterlassen einer<br />

offenen Tür, oder besser, einer «offenen<br />

Einstellung». Aber natürlich besteht das<br />

Aufbauen einer Atmosphäre nicht nur<br />

daraus, einen bestimmten Teil des Films<br />

mit etwas Musik zu untermalen. Musik<br />

ist nur eines von vielen filmischen Mitteln<br />

und tatsächlich verwende ich es nur<br />

selten. Atmosphäre kann man nur mit<br />

dem Ton oder nur mit dem Schnitt entstehen<br />

lassen – alle Mittel des Filmemachens<br />

können Atmosphäre erzeugen.<br />

Ein Film mit etwas mehr Musik ist vermutlich<br />

Leiputrija (Dream Land), der,<br />

verglichen mit Ihren vorhergehenden<br />

Werken, ebenfalls <strong>du</strong>rch einen deutlich<br />

anderen visuellen Ansatz auffällt. Ich<br />

nehme an, dass viel dem Mitwirken des<br />

Kameramanns Maris Maskalans und<br />

dem Komponist Shigeru Umebayashi<br />

zuzuschreiben ist. Wie ist dieses<br />

Projekt entstanden<br />

Ich wurde von einer Pro<strong>du</strong>ktionsgesellschaft<br />

mit der Idee kontaktiert, auf einer<br />

Mülldeponie zu drehen. Ich wollte keinen<br />

eindeutig «soziallastigen» Film machen<br />

und habe daher über die Lebewesen

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