07.01.2015 Views

Katalog 2013.pdf - Visions du Réel

Katalog 2013.pdf - Visions du Réel

Katalog 2013.pdf - Visions du Réel

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

atelier – laila pakalnina<br />

179<br />

par dzimTENITI<br />

sollen, es ist aber vermutlich einer der<br />

Gründe, warum meine Filmografie aus<br />

mehr Dokumentar- als Spielfilmen<br />

besteht. Meine Filme sind billig. Nehmen<br />

wir den letzten Film: Die Crew bestand<br />

aus dem Kameramann, einem Toningenieur,<br />

der gleichzeitig der Klangregisseur<br />

ist, und einem Cutter, und ich selbst<br />

pro<strong>du</strong>ziere den Film. Filmemachen ist<br />

für mich keine «Ausrede», zehn Jahre<br />

lang über einer Idee zu brüten. Für die<br />

Umsetzung einer Idee können ein paar<br />

Jahre nötig sein, aber mit den meisten<br />

Ideen muss man einfach so schnell wie<br />

möglich etwas machen, denn man verändert<br />

sich ständig und vermutlich wird<br />

man irgendwann das Bedürfnis haben,<br />

auf die nächste Idee zuzugehen.<br />

Sie haben ebenfalls als Journalistin<br />

gearbeitet. Haben die beiden Sichtweisen<br />

der Journalistin und der<br />

Regisseurin je interagiert<br />

Ich war neun Jahre lang als Journalistin<br />

tätig, dann wurde die Zeitung, für die<br />

ich arbeitete, verkauft, und wir fanden<br />

nicht heraus, wer der neue Herausgeber<br />

war. Viele Journalisten, die mögliche<br />

politische Manipulationen befürchteten,<br />

zogen sich damals zurück – so auch ich.<br />

Das war im Jahr 2009. Und was die Interaktion<br />

betrifft, meine ich, dass das Filmemachen<br />

eher mein Schreiben beeinflusst<br />

hat als anders herum. Mir fiel häufig auf,<br />

dass ich meine Kolumnen «in Bildern»<br />

schrieb. Aber auch das Gegenteil kam<br />

vor. Die Idee für Pitons und Picas kam<br />

beim Lesen der Nachrichtenagenturen.<br />

Ich würde sagen, dass ich diese Filme in<br />

den Nachrichten gefunden habe.<br />

Bei der Präsentation von Pitons wurden<br />

Sie gefragt, ob Sie traumatisierende<br />

Erlebnisse in der Schule gehabt haben<br />

und Sie antworteten, dass das absolut<br />

nicht der Fall sei. Ich frage mich nun, ob<br />

diese Antwort auch Ihre Erfahrungen<br />

am VGIK (dem Gerasimow-Institut für<br />

Kinematographie, Moskau) umfasst.<br />

Wie wurden Ihre ersten Werke dort aufgenommen<br />

und wie haben Sie diese<br />

Lehrjahre in Erinnerung behalten<br />

Vor dem VGIK habe ich an der Universität<br />

Moskau einen Abschluss gemacht,<br />

und dort wurde ein traditioneller akademischer<br />

Ansatz verfolgt. Dann begann<br />

ich am VGIK, wo nach vollkommen anderen<br />

Methoden vorgegangen wurde, und<br />

ich fand alles etwas seltsam. Während<br />

der Zeit, die ich dort verbracht habe,<br />

fragte ich mich ständig, ob es eine gute<br />

Schule ist oder nicht. Erst nach dem<br />

Abschluss wurde mir klar, dass die Ausbil<strong>du</strong>ng,<br />

die ich dort erhalten habe, von<br />

sehr hoher Qualität war. Woran ich mich<br />

erinnern kann ist, dass die Methode<br />

darin bestand, einem das Gefühl zu<br />

geben, man sei nichts wert, um die Entschlossenheit<br />

zu fördern, das Gegenteil<br />

zu beweisen. Zuerst war das natürlich<br />

ein Schock, aber für mich hat es funktioniert:<br />

Ich wollte ihnen wirklich zeigen,<br />

dass ich etwas zustande bekomme.<br />

Manche Schulen tendieren zu übermässigem<br />

Lob für frühe Zeichen von Talent;<br />

am VGIK zählte das ganz klar nicht zu<br />

den Gewohnheiten und erst später habe<br />

ich erkannt, wie wertvoll es für mich war,<br />

diese Art Ausbil<strong>du</strong>ng erhalten zu haben.<br />

Und wir hatten die Möglichkeit, ununterbrochen<br />

zu üben. In unserer Freizeit<br />

schnitten wir unermüdlich jeden Schnipsel<br />

35-mm-Film, den wir finden konnten,<br />

und sei es im Mülleimer.<br />

Eine der nützlichsten Lektionen habe<br />

ich von meinem Lehrer Viktor Lisakovich<br />

gelernt, der uns aufforderte, die Schneidefehler<br />

der anderen zu identifizieren<br />

und zu korrigieren. Ich denke, dass mir<br />

dank dieser Kurse klar wurde, dass<br />

auch ein Einzelbild den Unterschied<br />

machen kann, und ich habe den Sinn<br />

des Schneidens begriffen. Ein weiteres<br />

essentielles Erbe der Jahre am VGIK<br />

war für mich die grossartige Möglichkeit,<br />

Filme zu sehen. VGIK hat Zugang<br />

zum Moskauer Filmarchiv mit seiner<br />

wundervollen Sammlung an Filmen<br />

aus der ganzen Welt, die wir auf der<br />

Kinoleinwand sehen konnten. Ich habe<br />

noch viele weitere Regeln gelernt, die<br />

für mich bis heute gelten. Dazu gehört,<br />

deinen Kameramann niemals zu kritisieren,<br />

wenn deine Arbeit als Regisseurin<br />

nicht deinen Erwartungen entspricht.<br />

Vela (The Linen) und Doms (The Dome)<br />

sind Ihre Abschlussfilme vom VGIK.<br />

Wie wurden sie von Ihren Lehrern<br />

aufgenommen<br />

Ich glaube, mein Lehrer hat erkannt, dass<br />

ich etwas anderes machen wollte und er<br />

hat es zugelassen, ohne jedoch wirklich<br />

zu wissen, was er mit mir anfangen sollte.<br />

Darum hat er mir nicht geholfen, hat aber<br />

auch nicht gesagt, dass ich etwas falsch<br />

mache, obgleich seine Filme sich stark<br />

von meinen unterscheiden.<br />

Fühlen Sie sich jetzt als Regisseurin<br />

sehr anders als damals bei Ihren ersten<br />

Erfahrungen<br />

Das VGIK hat mich vor einigen Jahren<br />

als Mitglied der Jury für die Arbeiten<br />

der Studenten eingeladen und vor Ort<br />

fing ich an, die Träume, Ideen und Ideale,<br />

die ich als Studentin den Film betreffend<br />

hatte, mit denen zu vergleichen, die<br />

ich heute habe. Meines Erachtens nach<br />

kann ich mich glücklich schätzen, denn<br />

ich glaube, dass ich sie nicht verraten<br />

habe. Natürlich haben sie sich verändert,<br />

sie entsprechen aber immer noch dem,<br />

was ich damals, zu einem anderen Zeitpunkt,<br />

empfand.<br />

Über Skype geführtes Interview,<br />

Nyon, Januar 2013<br />

Paolo Moretti

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!