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Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis: WS1011 Geschichts- und ...

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- V - Neuzeit<br />

(2 SWS)<br />

Mi 12.00-14.00 – Koserstr. 20, Hs B<br />

(Hörsaal)<br />

Mythologie kann als eine f<strong>und</strong>amentale Wissensordnung der Frühen Neuzeit bezeichnet<br />

werden. Sie bildet gleichsam ein Gefäß für die alten Mythen Homers, Vergils, Ovids,<br />

Philostrats, etc., aber auch ein archaisches Reservoir, welches an die Ursprünge der Erde<br />

<strong>und</strong> menschlicher <strong>und</strong> göttlicher Psyche erinnernd, immer wiederkehrende Konstanten einer<br />

Erzählung vom Schicksal Einzelner, sowie größerer sozialer Gruppen <strong>und</strong> ganzer<br />

Zeitabschnitte bis hin zu kosmologischer <strong>und</strong> astrologischer Betrachtung enthält. Als<br />

kulturelles Gedächtnis, das es in der Frühen Neuzeit nicht nur aufgr<strong>und</strong> seines ehrwürdigen<br />

Alters zu bewahren gilt, formt es teils deutliche, teils verschleierte, kostbare ‚Wahrheiten‘<br />

wie die Bibel, die für Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft als gültig erachtet werden, um sie für die<br />

jeweilig zeitgenössische Kultur zu adaptieren. Komplexe Lesarten sind infolgedessen<br />

politischen, philosophischen, ethischen <strong>und</strong> ästhetischen Interessen der Auftraggeber <strong>und</strong><br />

Künstler zuzuordnen. Anders als Märchen <strong>und</strong> Legenden werden daher mythologische<br />

Themen in Kunst <strong>und</strong> Literatur als hohe Gattung klassifiziert <strong>und</strong> wenden sich an gebildete<br />

Rezipienten. So finden wir die ersten großformatigen Bilder <strong>und</strong> Skulpturen mit<br />

mythischem Personal zunächst im Umkreis der Höfe <strong>und</strong> Hofkünstler. Ziel der Vorlesung<br />

ist es, frühneuzeitliche, mythologische Denk- <strong>und</strong> Ordnungssysteme <strong>und</strong> ihre Anwendung<br />

in den Künsten zu verdeutlichen. Es gilt, der Topik <strong>und</strong> den Vermittlungsstrategien der<br />

Mythologie (Graphik/Handbücher etc.) nachzugehen <strong>und</strong> umgekehrt der Frage, wieweit die<br />

Künste selbst, an der Formung einer mythologischen Wissensordnung teilhaben. Wie<br />

vermögen Künstler - da Mythen poetische Muster sind - im Rahmen der Verfremdung,<br />

ihren Gestalten <strong>und</strong> ihrer Handlung eine verlebendigende Emotionalität <strong>und</strong> Dramatik zu<br />

verleihen? Wie spannungsvoll verschränken sich eine neue, literarische Ansprüche<br />

integrierende Kunst <strong>und</strong> eine alte mythische Fiktion? Wie grenzen sich mythologische<br />

Konzepte der Hochkunst von anderen Gattungen ab? Es sind demnach konkrete Analysen,<br />

die vorgestellt werden, als Fallbeispiele dienen Bilder <strong>und</strong> Skulpturen von Künstlern der<br />

Renaissance, des Barock <strong>und</strong> auch späterer Perioden, wie Botticelli, Piero di Cosimo,<br />

Giulio Romano, Tizian, Heemskerk, Cellini, Giambologna, Bernini, Rubens, Poussin,<br />

Velázquez, etc. aus den Bereichen der Gartenkunst, der Innenausstattung <strong>und</strong> der<br />

öffentlichen Plätze.<br />

Lit.: Einen Eindruck einer frühneuzeitlichen, mythologischen Denkweise vermittelt etwa<br />

das im Reprint neu gedruckte, von Benjamin Hederich herausgegebene „Gründliche(s)<br />

mythologische(s) Lexikon“ von 1773; Jean Seznec, Das Fortleben der antiken Götter. Die<br />

mythologische Tradition im Humanismus <strong>und</strong> in der Kunst der Renaissance, Aus dem<br />

Franz. von Heinz Jatho, München: Fink 1990; Bodo Guthmüller: Studien zur antiken<br />

Mythologie in der italienischen Renaissance, Weinheim 1986; Walter, Hermann; Horn,<br />

Hans-Jürgen: Die Rezeption der Metamorphosen des Ovid in der Neuzeit. Der antike<br />

Mythos in Text <strong>und</strong> Bild. Berlin 1995; Bodo Guthmüller <strong>und</strong> Wilhelm Kühlmann (Hg):<br />

Renaissancekultur <strong>und</strong> antike Mythologie, Tübingen 1999; Hans-K. <strong>und</strong> Susanne Lücke:<br />

Antike Mythologie. Der Mythos <strong>und</strong> seine Überlieferung in Literatur <strong>und</strong> bildender Kunst,<br />

Reinbek 1999; Luba Freedman / Gerlinde Huber-Rebenich (Hg.): Wege zum Mythos (=<br />

Ikonographische Repertorien zur Rezeption des antiken Mythos in Europa; Beiheft III),<br />

Berlin: Gebr. Mann Verlag 2001; Angelo Walther: Die Mythen der Antike in der bildenden<br />

Kunst, Düsseldorf 2003.<br />

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