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Ablauf der Entscheidungs- prozesse zur Anlage einer perkutanen ...

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3. <strong>Entscheidungs</strong>findung <strong>zur</strong> PEG<br />

Die Literaturrecherche zeigt, dass im deutschsprachigen Raum kaum Studien durchgeführt<br />

wurden, die sich mit dem Prozess <strong>der</strong> <strong>Entscheidungs</strong>findung im Vorfeld <strong>einer</strong> PEG-<strong>Anlage</strong><br />

auseinan<strong>der</strong>setzen. Lediglich in <strong>einer</strong> Studie, die vom Gesundheitsamt Bremen zum Thema<br />

PEG-Ernährung in <strong>der</strong> stationären Altenpflege durchgeführt wurde, befasste man sich mit<br />

<strong>der</strong> Frage, auf wessen Initiative die <strong>Anlage</strong> <strong>einer</strong> PEG-Sonde durchgeführt wird. Es zeigt<br />

sich, dass in den beteiligten Einrichtungen nach Ansicht <strong>der</strong> befragten Heimleitungen in 75%<br />

<strong>der</strong> Fälle die Initiative <strong>zur</strong> <strong>Anlage</strong> <strong>einer</strong> PEG-Sonde vom Haus- o<strong>der</strong> Klinikarzt ausgeht. Des<br />

Weiteren werden Mitarbeiter <strong>der</strong> Einrichtungen (14,3%), Angehörige (13,1%) und rechtliche<br />

Betreuer (10,4%) genannt. Bewohner selbst werden nur in 0,9% <strong>der</strong> Fälle als Initiatoren für<br />

die PEG-<strong>Anlage</strong> genannt (Becker & Hilbert, 2004).<br />

International finden sich verschiedene Studien, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des<br />

<strong>Entscheidungs</strong><strong>prozesse</strong>s im Vorfeld <strong>der</strong> <strong>Anlage</strong> <strong>einer</strong> PEG-Sonde auseinan<strong>der</strong>setzen.<br />

Im Folgenden werden Themenbereiche aufgeführt, die in den einzelnen Studien bearbeitet<br />

wurden.<br />

3.1 Rechtliche und ethische Aspekte<br />

Einen wichtigen Schritt des Prozesses stellt die medizinische Indikationsstellung dar. Diese<br />

bedarf jedoch <strong>einer</strong> differenzierteren Begründung als die bloße Tatsache, dass <strong>der</strong> Patient<br />

un<strong>zur</strong>eichend isst. Der Nachweis positiver Auswirkungen auf Lebensqualität und/o<strong>der</strong> Lebensdauer<br />

muss <strong>der</strong> Einleitung dieser invasiven Behandlungsform zu Grunde liegen. In diesem<br />

Zusammenhang ist problematisch, dass dieser Nutzen, wie bereits aufgeführt, häufig<br />

nicht nachgewiesen ist.<br />

Auch unter ethischen Gesichtspunkten besteht ein Dilemma. Jahrhun<strong>der</strong>telang war die hippokratische<br />

o<strong>der</strong> Fürsorgeethik Handlungsgrundlage des Arztes. Er nutzte seine ärztliche<br />

Fachkompetenz, um dem Kranken zu nützen und Schaden zu vermeiden, berief sich dabei<br />

allein auf sein Urteil, ohne dass <strong>der</strong> Patient als entscheidungsberechtigtes Subjekt die maßgebliche<br />

Rolle spielte (Paternalismus). Die zeitgenössische Ethik stellt hingegen die Autonomie<br />

des Menschen in den Mittelpunkt und ordnet die Fürsorgepflicht des Arztes dem<br />

Selbstbestimmungsrecht des Patienten unter. Dies erfor<strong>der</strong>t das aktive Einbeziehen des Patienten<br />

in den <strong>Entscheidungs</strong>prozess und lässt Konflikte zwischen dem fürsorgeorientierten<br />

Arzt und seinem Patienten entstehen, wenn dieser die ärztlich vorgeschlagene Maßnahme<br />

ablehnt.<br />

Diese dargestellte ethische Problematik hat gewichtige juristische Bedeutung. Nach deutscher<br />

Rechtslage stellt je<strong>der</strong> medizinische Eingriff eine Körperverletzung dar und ist nur<br />

dann nicht rechtswidrig, wenn sie mit Einwilligung des Patienten vorgenommen wird (§§ 223<br />

und 228 StGB). Der Arzt würde sich also strafbar machen, handelte er ohne das Einverständnis<br />

des Patienten o<strong>der</strong> sogar gegen dessen Willen. Er ist somit verpflichtet, das Einverständnis<br />

des Patienten einzuholen. Aufgrund <strong>der</strong> technisch einfachen <strong>Anlage</strong>, <strong>der</strong> relativen<br />

Kostengünstigkeit, <strong>der</strong> niedrigen Komplikationsrate und <strong>der</strong> guten Verfügbarkeit kommt die<br />

PEG zunehmend bei betagten und schwerkranken Patienten zum Einsatz, sodass dadurch<br />

auch die Zahl <strong>der</strong> nicht einwilligungsfähigen Patienten steigt. In diesem Fall sind als <strong>Entscheidungs</strong>träger<br />

die durch eine gesetzliche Betreuung, eine Vorsorgevollmacht o<strong>der</strong> eine<br />

Betreuungsverfügung Bevollmächtigten in den <strong>Entscheidungs</strong>prozess einzubeziehen bzw. in<br />

ungeregelten Situationen Betreuungsverfahren einzuleiten. Da Behandlungsverzicht o<strong>der</strong><br />

Behandlungsabbruch mit letztendlich möglicher Todesfolge vom Gesetzgeber im Betreuungsrecht<br />

nicht geregelt sind, müssen in diesem Zusammenhang auch die höchstrichterlichen<br />

Rechtsprechungen beachtet werden. Das sog. Kemptener Urteil des Bundesgerichtshofes<br />

(BGH) vom 13.09.1994 definierte den „mutmaßlichen Willen“ des Patienten als wesentliches<br />

Kriterium für einen Behandlungsverzicht o<strong>der</strong> – abbruch und stellte hohe Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an dessen Dokumentation (Bundesgerichtshof 1994). Das Urteil des BGH vom<br />

17.03.2003 stärkte nochmals die rechtliche Bedeutung <strong>der</strong> Patientenverfügung („Ist ein Pati-<br />

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