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Archiv für slavische Philologie

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»Erzengels Marienverkiindigxing« und das Annuntiationsmysteriuni. 380<br />

auszusetzen ; schließlich die rein menschlichen Gedanken Josephs, wel-<br />

cher einerseits Moses' strenges Gesetz <strong>für</strong> Ehebruch kennt, andrerseits<br />

jedoch au der Neige seines Lebens nicht <strong>für</strong> einen Ehebrecher<br />

gelten will.<br />

Ganz anders verhält sich die Sache hinsichtlich der poetischen<br />

Bearbeitung der in Rede stehenden Motive. In der Hymnologie werden<br />

sie nämlich mit schlichten, gewöhnlichen Worten wiedergegeben, als ob<br />

dadurch beabsichtigt wäre, daß die Gläubigen diesem ungewöhnlichen<br />

Ereignisse das volle Verständnis entgegenbringen. Deswegen wurden<br />

den Liedern die Texte des Alten und Neuen Testamentes mit einer un-<br />

bedeutenden Beimischung der Bilder aus dem menschlichen Leben zu-<br />

grunde gelegt, wodurch die Liederdichter in den Stand gesetzt wurden,<br />

das Ereignis auf eine zugänglichere und begreiflichere Art und Weise<br />

darzustellen. Schließlieh ist auch der Umstand nicht ohne Einfluß ge-<br />

blieben, daß der Kanon <strong>für</strong> die Verkündigungsfeier von mehreren Verfassern<br />

herrührt. In der oben behandelten Verktindignngshomilie kommt<br />

nichts ähnliches vor. Diese Predigt ist vor allem Produkt des schaffen-<br />

den Gedankens eines Dichters, welcher sich zur Aufgabe gestellt hatte,<br />

das erhabene Ereignis auf Grund der kanonischen Texte Lukas und<br />

Matthäus zu schildern, hierbei aber auch Bilder eigener Schöpferkraft in<br />

sein Werk aufnahm. So macht der Dichter auf die Schönheit des Him-<br />

melsboten aufmerksam, welche auch der Jungfrau, obwohl sie verwirrt<br />

und vom Schamgefühl ergriffen war, nicht entging; er schildert ferner<br />

das Zweifeln und die Be<strong>für</strong>chtung Mariens, betrogen zu werden, obwohl<br />

es sich übrigens aus dem Gespräche ergibt, daß sie das Verlangen hat<br />

und einverstanden ist, Mutter zu werden. Hier gibt sich der Verfasser<br />

als Dichter realistischer Färbung zu erkennen ; die realistischen An-<br />

klänge kehren dann noch klarer in den Bildern wieder, wie z. B. : als<br />

Maria auf ihre Armut, sowie die Sterblichkeit der Menschen hinweist,<br />

oder als der Himmelsbote ihr das Königtum und die Herrschermacht<br />

ihres Sohnes verkündet, schließlich auch wie die Jungfrau ihre künftige<br />

Mutterschaft durch die Bekleidung zu verheimlichen trachtet. Nicht<br />

weniger realistisch wird Josephs Zweifeln geschildert und dessen Bereit-<br />

willigkeit, der Braut, welche »als Weib sich vergangen«, zu verzeihen,<br />

sobald ihm der Verführer namhaft gemacht werden wird. Mariens<br />

Apostrophen an den Engel würden auch einem großen Dichter zur un-<br />

bestrittenen Zierde gereichen.<br />

Über den Zusammenhang dieser Homilie mit dem Kanon <strong>für</strong> den

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