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eine Reise gegen die Zeit

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Tür nicht mehr auf. Der zweite Obermieter steigt ab, versucht sich<br />

vergeblich am Türschloss. Notausgang Fenster – Fehlanzeige.<br />

Das alles spielt sich an m<strong>eine</strong>m rechten Ohr ab, das an der Türe<br />

liegt. Als <strong>die</strong> Abteiltür auch durch Rütteln und Schütteln ihren<br />

Widerstand nicht aufgibt, kommt mein jahrelang missbrauchtes,<br />

häufig unterdrücktes technisches Feingefühl zum Einsatz: Ein<br />

leichter Druck <strong>gegen</strong> den Riegel – <strong>die</strong> Tür ist auf. Das verschafft<br />

mir Respekt. Das Öffnen der Tür erhöht wiederum den Lärmpegel<br />

um mindestens 10 db. Ich lege mich zur Ruhe, da mir der Porridge,<br />

den der Service austeilt, <strong>die</strong> Geschmacksnerven tötet. Wasser<br />

schmeckt doch auch wunderbar. Eine halbvolle Wasserflasche<br />

schlägt vom Fensterbrett auf den Boden, ich rette m<strong>eine</strong> Flasche<br />

vor der Verderbnis. Ruhe ist angesagt, das Handy des Obermieters<br />

durchkreuzt <strong>die</strong> Pläne – es ist mit Babygeschrei im Anrufsound<br />

gestylt, das dem Baby im Nachbarabteil in nichts nachsteht.<br />

„Helo“ höre ich raus, ansonsten telefoniert er so laut, dass sein<br />

Kompagnon in Saigon ihn auch ohne Funknetz hören muss. Der<br />

andere Obermieter beginnt wieder zu husten, das aber erhöht<br />

automatisch <strong>die</strong> Fonzahl des Ferngesprächs. Rytmisch begleitet<br />

<strong>die</strong> Frau das Konzert, indem sie den Naseninhalt nach oben zieht,<br />

obwohl nun längstens alles im Hirn verstaut ist. Ich bin stumm<br />

und dirigiere <strong>die</strong> Einsätze in Gedanken und denke, wie schön sind<br />

<strong>die</strong> Gerüche der Früchte. Ich habe doch meditieren gelernt, also:<br />

akzeptieren – und weg. Die Türe schlägt, der Wagen springt an<br />

Schienenkanten auf und ab, Schniefen, Schneuzen, Schreien. Es<br />

klopft vom Nachbarabteil <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> dünne Wand. Der Zug steht,<br />

er wartet auf der eingleisigen Strecke <strong>die</strong> Passage des Gegenzuges<br />

ab. Ein Augenblick der tiefen Ruhe, ehe der Gegen-Express geräuschvoll<br />

durch <strong>die</strong> Abteile saust. Bei <strong>die</strong>ser Abwechslung schlafe<br />

ich wirklich ein.<br />

Der Morgen dräut. Pastellfarben <strong>die</strong> Morgenröte. Wir passieren<br />

Doc Cao, fahren entlang der Nationalstrasse 1 zwischen Hügeln<br />

im Westen und der See im Osten. Strohhüte arbeiten schon<br />

im Reisfeld. Am Meeresarm sind Teiche parzelliert – zur Fischaufzucht<br />

oder als Schlamm für <strong>die</strong> Shrimps. Motorräder sind mit<br />

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