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eine Reise gegen die Zeit

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gerten Wochenende gerade von ihrer Familie, <strong>die</strong> im Norden Vietnams,<br />

80 km von Hanoi wohnt. Mutter 58 und Vater 62 leben wie<br />

<strong>eine</strong> jüngere Schwester. Den Vietnamkrieg haben <strong>die</strong> Eltern unter<br />

Bomben in der Schule zugebracht. Sie hat allen verziehen, den<br />

Franzosen mehr, den Amerikanern weniger, registriert aber <strong>die</strong><br />

Bemühungen, Vietnam auf dem Weg wirtschaftlicher Erholung<br />

ein paar Dollar mehr zuzuschreiben, ohne eigentliche Kompensation<br />

der Folgen <strong>die</strong>ses völkerrechtswidrigen Krieges. Ein Bild Bac<br />

Ho‘s schmückt ihren Schreibtisch im Büro, deshalb muss sie sich<br />

manchmal fragen lassen, warum sie k<strong>eine</strong>n Schauspieler oder<br />

Freund, sondern Onkel Ho dort stehen hat - „weil sie ihn verehrt“.<br />

Bei mir hatte „Willi“ <strong>die</strong>sen Kultstatus – mit Klampfe in der Hand<br />

und Zigarette im Mund, jedenfalls bis zu s<strong>eine</strong>m „Extremistenerlass“.<br />

Trotzdem sieht sie <strong>die</strong> Distanz zwischen Kader und Volk;<br />

in <strong>Zeit</strong>en des „Doi Moi“ wird das Leben anderswo diktiert als im<br />

Zentralkomitee. Sie liebt ihr Land, weil es schöne Landschaften<br />

bietet, besonders im Norden, und der Traditionen wegen – etwa<br />

der Familienbindung, in der der Vater das Oberhaupt ist, in der<br />

religiösen Verehrung Buddha‘s. Da bin ich bei ihr – auch ich sehe<br />

schmerzlich den Verfall der Einheit „Familie“ und den Verlust an<br />

Idolen. Im November plant sie zu heiraten, weil es sonst zu spät<br />

sein kann, ihre Freundinnen sind alle schon verheiratet. Das alles<br />

erzählt sich über drei Stunden bei <strong>eine</strong>m Menu – mit Gingertee –<br />

im Restaurant „Wilder Reis“ – für 25 US$ ein reizender Abend in<br />

deutscher Sprache – „Freundlichkeit ist in der Fremde <strong>die</strong> einzige<br />

Währung, <strong>die</strong> zählt“, fragt sie – von wem das ist, antworte ich –<br />

na, von wem? Malraux lässt grüssen, nein – von mir. Sie lächelt,<br />

sie muss wohl jetzt das Bild auf dem Schreibtisch austauschen.<br />

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