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eine Reise gegen die Zeit

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Waren oder Menschen besetzt – bis zu fünf passen auf ein Moped,<br />

plus Gepäck. 0530. Das Morgenkonzert setzt ein, nicht von<br />

schlechten Eltern, jene körperlichen Untiefen, aus denen Sänger<br />

im Bass <strong>die</strong> Orgeltöne holen. Hier gibt es <strong>eine</strong>n Gesang der Untiefe,<br />

wenn sich schliesslich nach vielen Konzentrationsversuchen<br />

der Schleim löst und das erlösende Geräusch sich vom Waschtisch<br />

durch <strong>die</strong> Abteile verbreitet. Mein Obermieter übt schon mal trocken<br />

den gleichen Schleimtrick. Die Frau entdeckt, dass sie ja eigentlich<br />

auch trocken nachlegen kann, also Nase hoch – und.... Der<br />

nackte Nachtschweiss wird durch <strong>die</strong> Luftkühlung verteilt. Alles<br />

dreht und krümmt sich im Tai Qi Takt. Der Gang ist besetzt mit<br />

Trainingseinheiten, an denen ich mich vorbei schlage, um m<strong>eine</strong><br />

Blase zu leeren – innerlich stimme ich ein in den gottesfürchtigen<br />

Choral „Oh, wie wohl ist mir am Morgen...“ Auf dem Rückweg<br />

ein paar Verrenkungen. Mein Obermieter hat sich zum Frühsport<br />

entschlossen, er grüsst stumm, aber freundlich. Ich bleibe stumm.<br />

Die Abteiltür ist wieder zugefallen, der Mechanismus von aussen<br />

wirkt anders als der von drinnen, 6 Zuschauer, drei Mechaniker<br />

machen sich an der Tür zu schaffen – <strong>die</strong>smal hilft Gewalt.<br />

Der Service schiebt sich durch den Waggon – Frühstückszeit<br />

0710. Klebreis und ein Scheibchen Pressfleisch, das nach abgestandenem<br />

Leberkäs riecht 10.000 D, da kann ich nicht viel falsch<br />

machen. Der Zug hält, <strong>die</strong> Frau steigt über das Gepäck – und aus.<br />

Die Lücke nutzt ein blinder Passagier, um s<strong>eine</strong>n Kaffee anzubieten.<br />

Eher ein gutgemeinter zuckersüsser Espresso mit Milch,<br />

ein Hauch von Kaffeeduft entführt m<strong>eine</strong> am Reis verklebten Gedanken,<br />

ich schrecke auf, sie deutet an, für <strong>die</strong>ses Gemisch auch<br />

noch 20.000 D zu kassieren. Ich reiche ihr das Plastikschälchen<br />

zurück, sie gibt sich mit 10.000 D zufrieden. Ein Passagier steigt<br />

in das leer gewordene Abteilbett, kuschelt sich in <strong>die</strong> Bezüge, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Frau hinterlassen hat – und schlägt sich im Dreiertakt auf <strong>die</strong><br />

Beinmuskeln, ein Telefonanruf „Helo“, <strong>die</strong> Leitung bricht ab. Er<br />

klopft sich weiter mit der Faust arytmisch auf <strong>die</strong> Schenkel. Dat,<br />

da dat datdatdat – do,do, do, do machen <strong>die</strong> Räder auf den Schienen<br />

– klack, klack, klack. Ich möchte – nur stumm sein. Huè sol-<br />

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