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Als ich sie wieder aufmache, sitze ich bei <strong>eine</strong>m Mangosaft<br />
im „Le Malraux“ unter <strong>eine</strong>m Bild des französischen Intellektuellen,<br />
Linken, Schriftstellers und Kultur-/Aussenministers aus<br />
deGaulle‘s <strong>Zeit</strong>en, André Malraux - quelle surprise. Er hat in s<strong>eine</strong>n<br />
Schriften „La condition humaine“ <strong>die</strong> Shanghai-Aufstände<br />
und in „La Tentation de l‘Occident“ 1925 schon <strong>die</strong> Missstände<br />
der französischen Kolonisation in Indochina gegeisselt – „Originalität<br />
ist Mangel an Belesenheit“ fällt mir ein, na klar, alles ist<br />
schon mal seit Aristoteles gedacht und geschrieben worden, weit<br />
ist <strong>die</strong> Menschheit in <strong>die</strong>sen zweitausend Jahren weder mit dem<br />
Toleranzgebot Buddha‘s, noch dem Liebesgebot Christi, noch mit<br />
der Gottesfurcht der Juden gekommen. Du bist nur ein Teil <strong>die</strong>ser<br />
unvollkommenen Welt – und <strong>die</strong>ses leckere französische „Teilchen“<br />
habe ich mir schmecken lassen.<br />
Der nachmittägliche Verkehr rauscht an den Fenstern vorbei,<br />
es ist wie im „Cafe de Flore“ im VI. Arrondissement, Saint-Germain:<br />
Menschen gucken. Ich lese in den „Vietnam News“ über <strong>die</strong><br />
Rede des Staatspräsidenten Nguyen Minh Triet am 02.09.2010<br />
aus Anlass des Nationalfeiertages, in der er – was sonst – <strong>die</strong> Rolle<br />
und Bedeutung Ho Chi Minh‘s für Freiheit und Unabhängigkeit<br />
<strong>die</strong>ses Landes würdigt. Niemand spricht englisch oder französisch<br />
in <strong>die</strong>sem Laden, erst recht erklärt mir k<strong>eine</strong>r wie <strong>die</strong>ser<br />
Malraux in das Lokal kommt. Mit <strong>die</strong>ser Unvollkommenheit<br />
musst du leben.<br />
Das ist um so leichter, als sich <strong>die</strong>se Neugier am Abend mit<br />
Nga stillen lässt. Pünktlich um 1930 spricht sie an der Rezeption<br />
vor, ich stehe schon hinter ihr, sie ahnt es – überhaupt hat sie<br />
ein gutes Gefühl. Sie sagt, dass sie eigentlich nie mit Kunden von<br />
„Exo“ zusammentrifft, sie ist seit November 2009 im Hanoi Büro<br />
für das „operative Management“, lies: Bus-, Bahn-, Schiffs- und<br />
Flugkarten, zuständig, hat deutsch stu<strong>die</strong>rt und sich mit ihren 29<br />
Jahren <strong>eine</strong> gute Stellung erarbeitet. An m<strong>eine</strong>r Stimme am Telefon<br />
habe sie m<strong>eine</strong> „Friedlichkeit“ – <strong>die</strong>ser unruhige Unfried !<br />
- erkannt. Sie kommt aus dem durch den Nationalfeiertag verlän-<br />
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