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Der Gang ist anstrengend in der gestauten Hitze des Tages. Ein gezapftes<br />
schwarzes Tsingtao-Bier lasse ich mir schmecken, schon<br />
sind <strong>die</strong> Mosquitos von Verkäuferinnen um mich rum – ein Fächer<br />
ist fällig 10 Y, ein mittelloser Künstler übereicht mir <strong>eine</strong>n Scherenschnitt<br />
– aus Liebe zum Kollegen 10 Y. Eine fliegende Agentin<br />
erzählt mir was von <strong>eine</strong>r „Impression“, ein „Son et Lumière“ auf<br />
chinesisch. M<strong>eine</strong> „Ente auf Kastanie“ schmeckt wunderbar, derweil<br />
vermittelt mich m<strong>eine</strong> Be<strong>die</strong>nung für 100 Y Anzahlung zur<br />
Show, treibt mich beim Essen an und führt mich schliesslich zum<br />
Bus, der mich ins Nachbardorf bringt. 80 Y noch an <strong>eine</strong> Dame<br />
mit Vortasche, 180 Y habe ich bezahlt – und bislang nichts in der<br />
Hand. Der Fahrer scheint es zu ahnen, er gibt uns ein Papierfetzen<br />
mit 165 Y/B 2 - mir wie den 10 anderen Besuchern aus dem<br />
Mini. Wir sind nicht <strong>die</strong> einzigen an <strong>die</strong>sem Abend, Busse schleusen<br />
sich durch <strong>die</strong> Massen – China ist immer Masse – Wir bleiben<br />
unentschlossen stehen, bis ein weiterer junger Mann auftaucht,<br />
uns im Gedränge auf <strong>eine</strong>n leeren Platz vor dem Kartenschalter<br />
bugsiert, erst stehen heisst und dann im Gänsemarsch durch den<br />
Eingang führt, Busse und Menschen bilden <strong>eine</strong> undurchdringliche<br />
Einheit, wir finden <strong>eine</strong>n schnellen Schritt, warm genug ist<br />
es, vorsorglich werden Plastik-Regenmäntel ausgegeben – und<br />
dann ist es endlich so weit: Eine Karte B 2 Reihe 24, Platz 48 – ich<br />
finde Platz in <strong>eine</strong>m Auditorium, das mich an <strong>die</strong> See-Festspiele in<br />
Bregenz erinnert, ich schätze 10.000 Zuschauer. Und dann vibrieren<br />
<strong>die</strong> Bauchdecken, ein Sound setzt rundum ein, Lichter blitzen<br />
auf, <strong>die</strong> Landschaft mit ihren Bergen und Hügeln und Wassern<br />
in ein zauberhaft schmeichelndes Blau getaucht, <strong>die</strong> ersten<br />
Sängerinnen in Zhangou Tracht melden sich im Countersopran.<br />
Und dann lässt mich das Spiel der Farben und <strong>die</strong> Choreografie<br />
des Spiels nicht mehr los. Ich schätze der Regisseur, der auch <strong>die</strong><br />
Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking choreografiert hat,<br />
arbeitet gern in Massen: 200 Bambusflösser sind im Wasser, 300<br />
Sängerinnen in wechselnden Kostümen bevölkern <strong>die</strong> Stege und<br />
fünf Spielebenen, schaukelnde Sichelmonde, flatternde rote Bahnen<br />
quer durchs Wasser gezogen können von Ariane Mnouchkine<br />
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