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Vergiss es, heute geht‘s auf Biketour – ohne Guide, <strong>die</strong> Leute<br />
zweifeln an dem Alten, der s<strong>eine</strong>n breiten Hintern über den Sattel<br />
schwingt, der sofort ein paar Zentimeter nachgibt. Die Luft in den<br />
Breitreifen reicht für zwei Zentner aus – <strong>die</strong> Tage der Nudelsuppen<br />
haben Spuren hinterlassen.<br />
Das Rad nimmt mit Leichtigkeit Geschwindigkeit auf, ich<br />
überhole <strong>eine</strong>n Lkw am Berg (!), halte <strong>eine</strong> Vespa bei und hänge<br />
mich schliesslich an <strong>eine</strong>n tuckernden Zweitakter, der mich nach<br />
rund 12 km an der Drachenbrücke in Baisha absetzt. Hier sind <strong>die</strong><br />
Häscher schon wieder zugange – „Bamboo Rafting“ ist angesagt,<br />
<strong>die</strong> Bambusflösse rutschen über <strong>die</strong> künstlich angelegten Wehre,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Wasser für <strong>die</strong> umliegenden Reisfelder stauen, bis nach<br />
Jiuxian. Aber 180 Y für <strong>die</strong>ses einsame Vergnügen – ich simuliere<br />
<strong>eine</strong> Herzattacke, <strong>die</strong> Damen verstehen, ihre mütterlichen<br />
Gefühle erwachen: 160 Y, ich biete 50 Y, unerträglich. Bei jedem<br />
neuen Anlauf hebe ich nur <strong>die</strong> fünf Finger m<strong>eine</strong>r rechten Hand.<br />
Als sie mit 150 Y antworten, setzen m<strong>eine</strong> Herzattacken wieder<br />
ein: 140 Y drücken sie auf <strong>die</strong> Skala ihres Mobilfons. Ich hole mir<br />
ein Wasser für 2 Y, zeige m<strong>eine</strong>n leeren Geldbeutel und erzähle<br />
von der langen <strong>Reise</strong>, einsam auf <strong>eine</strong>r Bambusbank im Wasser<br />
unter <strong>eine</strong>m Sonnenschirm – „get one nice lady“, suche ich <strong>die</strong><br />
Aufmunterung „then i pay 100 Y“. Jetzt kommt Bewegung in <strong>die</strong><br />
Schar von 4 Damen, <strong>die</strong> mich umlagern: wer ist <strong>die</strong> Schönste, <strong>die</strong><br />
sich opfert, während ihre Männer auf das Ergebnis warten. Derweil<br />
stelzen <strong>die</strong> Bambusflotten an uns vorbei, unter der Drachenbrücke<br />
durch, der Yulong River führt kaum Wasser, fliesst müssig<br />
dahin. 15 Euro, davon kann <strong>eine</strong> Familie ein paar Tage leben, irgendwie<br />
sch<strong>eine</strong>n mir <strong>die</strong> Relationen nicht zu stimmen, aber an<br />
Überraschungen in China habe ich mich schon gewöhnt. Ich quäle<br />
<strong>die</strong> Damen nicht länger auf der Suche nach der Schönsten im Lande,<br />
schwinge mich auf mein Rad – in <strong>eine</strong> chinesische Odysee.<br />
Auf der kl<strong>eine</strong>n Touristenkarte sind <strong>die</strong> beiden Radwege links<br />
und rechts des Yulong Rivers eingezeichnet, den auf der rechten<br />
Uferseite habe ich gesehen, aber wenn in Jiuxian k<strong>eine</strong> Brücke ist,<br />
heisst das weitere 12 – 15 km bis zum nächsten Ort mit Brücke, also<br />
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