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Guilin<br />
M i t t w o c h, 08.09.2010<br />
Wenn <strong>die</strong> zwei Fischköpfe nicht gewesen wären, ich hätte auf<br />
dem Absatz kehrt machen mögen – und wäre wieder zurück in<br />
jenes friedliche, gelassene, landschaftlich reizvolle, gastfreundliche<br />
Land, das ich um Mitternacht im Zug nach Guilin verlassen<br />
hatte. Ab Mitternacht ist alles sauber und ordentlich, <strong>die</strong> Liegen<br />
mit weisser Bettwäsche ausgestattet, mit Teppichen <strong>die</strong> Flure<br />
und Abteile ausgelegt, <strong>die</strong> Schaffner in korrekter Uniform mit<br />
Schirmmütze. Der Aufwand, der ab der Grenzstation Dong Dung<br />
mit Robert, dem Engländer, und Luc, dem Chinesen, in den beiden<br />
neuen chinesischen Waggons betrieben wird, ist grossartig: Wir<br />
sind <strong>die</strong> einzigen Passagiere in dem Zubringer nach Nanning, der<br />
Hauptstadt der Provinz Guanxi. Dort wird um 0600 der Zug umgekoppelt<br />
– und erhält endlich das gewohnte chinesische Gesicht:<br />
1000 m lang. „Nanning – Beijing“ steht nun auf den Waggons.<br />
Wir müssen den Zug verlassen, haben zwei Stunden <strong>Zeit</strong>, uns<br />
im erwachenden Nanning umzutun, wechseln RMB ( 10 Yüan =<br />
1 €) an <strong>eine</strong>m ATM Schalter und legen den Schalter um: Auf der<br />
Suche nach <strong>eine</strong>r Bank, <strong>die</strong> westliche Maestro-Karten akzeptiert,<br />
sind wir den Chinesen hilflos ausgeliefert, selbst Luc, der das<br />
Sprachproblem für uns überwindet, schafft es nicht, <strong>eine</strong> brauchbare<br />
Antwort zu finden, denn wir benötigen <strong>eine</strong> Bank mit Westbeziehungen.<br />
Da ist der nächste Unterschied – <strong>die</strong> Chinesen haben<br />
es nicht mit den Fremden, ich glaube, deshalb sind sie bei ihren<br />
Nachbarn auch nicht sehr beliebt. Ein blosses „Nein“ ist noch <strong>die</strong><br />
freundlichste Form der Antwort auf <strong>die</strong> Frage, ob jemand <strong>eine</strong><br />
Bank in der Nähe des Bahnhofs kenne – wir waren ja beide blank,<br />
Rob und ich, weil wir aus Vietnam k<strong>eine</strong> Dong ausführen durften,<br />
jedenfalls offiziell. In <strong>eine</strong>m andern Land Asiens wäre der Rundspruch<br />
und spätestens dann jemand gelaufen, der uns <strong>die</strong> Bank<br />
gezeigt hätte, aber hier – fremde Länder, fremde Sitten. Ich setze<br />
mein Pfadfindergesicht auf, justiere m<strong>eine</strong>n Kompass – und in<br />
Nullkommanix stehen wir vor <strong>eine</strong>r HSBC Bank und haben unse-<br />
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