eine Reise gegen die Zeit

Abgesang
Das Atmen fällt mir schwer, ein Lastexband stärkt meine
Weichteile – die Lunge und ein paar Rippen haben Schaden genommen
und mir ein paar Ruhetage in Chiang Khong/Thailand
bereitet. Im Nam Khong Riverside Hotel hat sich der Wirt ein
Herz und mir eine Sorge genommen und im dritten Stock ein
grosses Zimmer 311 mit wunderbarer Aussicht auf meinen Strom
Mae Nam Khong für 800 Baht vermietet. Die Zwangspause auf
dem Weg nach Bangkok verleitet mich nun dennoch zu einem Abgesang
auf eine glückliche Zeit, nach der Bilanz zu ziehen nicht
einfach fällt.
Wo anfangen, wo aufhören, wo verweilen, wo fliehen – Das
wilde Sarawak. Das muslimische Malaysia. Das königliche Thailand.
Das freundliche Laos. Das verstörte Cambodia. Das quirlige
Vietnam. Das selbstbewusste China. Das fromme Tibet: Sie alle
haben eindrucksvolle Charaktere vertieft hinterlassen. Die Flussreisen
gegen die Zeit auf dem Barang Rajang in Sarawak, auf dem
Mekong mit seinen bewegenden Erinnerungen und Erfahrungen,
der liebliche Li mit seinen Karstfelsen, die grossen Ströme der
Welt Brahmaputra, Mekong und der in Qinghai kurz gestreifte
Irrawadi – ich weiss kein Thema, das alles erfassen könnte: Der
Reichtum der Tempel, Klöster und Moscheen, die Attraktivität
der Landschaften, die Vielfalt der Völker, Kulturen und Sprachen,
die theokratischen Verfassungen im islamischen Malaysia
und buddhistischen Thailand, die Konfrontation und Konnotation
von Kapitalismus und Kommunismus in Laos, Cambodia, Vietnam
und China, die Beutelei und Kriegslüsternheit des Westens
(Briten,Franzosen,Amerikaner), die fatale Ergebenheit buddhistischer
Suche nach Karma, die identitätsstiftende Idolwirkung
grosser Persönlichkeiten wie Mao Tse Tung, Ho Chi Minh, Bhumiphol,
Dalai Lama, der Verlust an nationaler Identität in Ländern
ohne Idol – Malaysia zerrissen zwischen den hierarchisch
geführten muslimischen Sultansprovinzen und den parlamentarisch
regierten sultansfreien Regionen – Sarawak, Sabah, Kuala
246