Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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274 Besprechungen<br />
<strong>Diskussion</strong> um Bildungsplanung zu konstatieren, so bleibt anzumerken, daß<br />
auch bei Hesse die Analyse jener gesamt-gesellschaftlichen Zwänge im wesentlichen<br />
ausgespart bleibt, die das Scheitern "emanzipatorischer" Curricula erst erklären<br />
und damit Lernprozesse bei den Betroffenen (den damit befaßten Sozialund<br />
Erziehungswissenschaftlern, aber auch bei Lehrern, Schülern und Eltern)<br />
einleiten könnte.<br />
Arno Ramme (Berlin/Wcst)<br />
Wessei, Karl-Friedrich: P ä da g 0 g i kin Phi los 0 phi e und Pr a xis.<br />
Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin/DDR 1975 (I88 S .. br., 9,60<br />
M).<br />
Es ist nicht zufällig, daß ein Fachmann auf dem Gebiet der Wissenschaftstheorie<br />
diese pädagogisch-philosophische Studie verfaßt hat. Wer die "Deutsche<br />
Zeitschrift für Philosophie" aufmerksam liest, dem sind in den letzten drei Jahren<br />
Wesseis Beiträge zu interdisziplinären und pädagogischen Fragen sicherlich<br />
nicht entgangen. Die vorliegende Arbeit ist eine systematische Entwicklung der<br />
dort angedeuteten Einsichten. WesseI gehört zu einer neuen Generation von Intellektuellen<br />
im <strong>Sozialismus</strong>, die sich zwar mit den Werten der früheren Generation<br />
identifiziert, aber ihre Verwirklichung für fern hält. Die in Streit befindlichen<br />
Generationen sind allerdings in diesem Fall nicht unbedingt chronologisch<br />
zu bestimmen. WesseI selbst, wie etwa auch der überragende Fachpädagoge Ignacy<br />
Szaniawski (Warschau), gehören zu einer älteren Generation. Es handelt<br />
sich vielmehr um die Dynamik der schon geschaffenen Tatsachen.<br />
"Pädagogik, Philosophie und Praxis" bedeutet zunächst: 1. Man dürfe nicht<br />
mehr mit den Schablonen der Pionierzeit auskommen. Unter anderem erfordere<br />
die wissenschaftliche Komplexität, die sich unter dem Namen Pädagogik verbirgt.<br />
ein enges Verhältnis mit anderen Wissenschaften, eine genaue Kenntnis<br />
der allgemeinen Tendenzen der Wissenschaftsentwicklung und die Berücksichtigung<br />
der konkreten Beziehungen zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen<br />
(44). Die Gesetzmäßigkeit des pädagogischen Prozesses<br />
solle nicht einfachhin behauptet, sondern in ihren bestimmten Mechanismen,<br />
Verhältnissen, Auswirkungen entwickelt werden. Z. B. ändere sich mit dem<br />
Fortschreiten der Gesellschaft die Beziehung zwischen Vergangenheit und Zukunft,<br />
was die Position der verschiedenen Generationen untereinander und damit<br />
auch die pädagogische Praxis stark modifiziere (das "Generationenproblem"<br />
hat also nicht nur eine bürgerliche Form und darf nicht unter einer falschen Homogenität<br />
der "wahren Sozialisten" aufgehoben werden: 62-65). In allen entscheidenden<br />
Punkten bleibe die sozialistische Pädagogik immer noch auf der<br />
Ebene der allgemeinen Aussagen.<br />
2. Es sei falsch, wenn man die Pädagogik auf Technik der Wissensvermittlung<br />
(etwa als "Optimierung", "Maximierung") reduziert. Und auch falsch, wenn<br />
man dieses Ziel auf die Bildung einer sozialistischen Weltanschauung und Haltung<br />
erweitert. Worum es in Wirklichkeit geht, sei der Reifungsprozeß von Persönlichkeiten<br />
unter historisch wie individuell eigenen Bestimmungen, die zur<br />
Entfaltung gebracht werden müssen. Gerade der <strong>Sozialismus</strong> soll eine unendliche<br />
Menge von Möglichkeiten freimachen (48 f.). So erhält die Pädagogik philosophische<br />
Qualität und ist weder bloße Technik noch fromme Ideologie, sondern<br />
verbindliche, volle Wissenschaft. "Die Pädagogik als Wissenschaft hat quantitativ<br />
und qualitativ die Menge von Möglichkeiten anzugeben, die das Ziel von Bil-