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Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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244 Besprechungen<br />

abends These, daß "der Anarchismus zum Fortschritt in jedem Sinne beiträgt,<br />

den man sich aussuchen mag" (44 f.), kann die Konsequenz völliger Beliebigkeit<br />

nicht vermieden werden. Denn diese "Lösung" umgeht zwar die von Feyerabend<br />

kritisierte Festlegung auf einen bestimmten Fortschrittsbegriff, sie ist aber<br />

keine, wenn nicht wenigstens ein Rahmen für das, was man sich "aussuchen"<br />

kann, gesetzt wird. Wie wollte man wohl sonst Einspruch erheben können,<br />

wenn Rückschritt als "Fortschritt" verkauft werden soll?<br />

Daß Feyerabend im Dilemma seiner Gegner stecken bleibt, liegt vor allem<br />

damn, daß seine historischen Analysen nur an dem Gesichtspunkt orientiert<br />

sind, die Annahme einer Autonomie der Wissenschaft zu widerlegen. Zwar untersucht<br />

er intensiv das Handeln der an der Wissenschaft Beteiligten (und nicht<br />

nur, was sie sagen), doch es interessiert ihn nur insofern, als es zeigt, daß es<br />

nicht durch Methodologien oder Ähnliches geleitet wird; die Frage, welches aber<br />

die bewegenden Kräfte in Wahrheit sind, positiv zu beantworten zu suchen,<br />

kommt ihm nicht in den Sinn. Wenn man nicht die Kategorie der Praxis zur<br />

Grundkategorie der Erkenntnistheorie macht und Erkenntnisgewinn mit vermehrten<br />

Handlungsmöglichkeiten in Zusammenhang bringt, muß dunkel bleiben,<br />

wie gerade wissenschaftsexterne Antriebe letztlich allein die Vernünftigkeit<br />

der Fortentwicklung der Wissenschaft garantieren können. Feyerabends Einbeziehung<br />

der Wissenschaftsgeschichte in die Wissenschaftstheorie ist durch ein<br />

Übergehen der bestimmenden Momente der Geschichte der Gesellschaft gekennzeichnet,<br />

in der keineswegs "alles geht". Für Feyerabend und manche seiner<br />

Leser mag es vielleicht möglich sein, ihren "Neigungen unter allen Umständen<br />

freien Lauf zu lassen" (219). Sie können es aber nur, weil die ,,freiwilligen<br />

Sklaven" (398), von denen Feyerabend nicht ohne intellektuelle Arroganz<br />

spricht, ihnen die profane Lebenserhaltung sichern, die nicht ohne <strong>Theorie</strong>n gewährleistet<br />

werden kann, deren Erkenntnisgehalt in den Handlungsmöglichkeiten,<br />

die sie zur Verfügung stellen, unzweifelbar sichtbar wird.<br />

Bernd Wiese (Berlin/West)<br />

Kahl, Joachim: Pos i t iv i s mus als K 0 n s e r va ti vi s mus. Pahl-Rugenstein<br />

Verlag, Köln 1976 (301 S., br., 14,80 DM).<br />

Am Beispiel von E. Topitsch arbeitet der Autor die theoretische Struktur und<br />

ideologische Funktion der positivistischen Denkweise heraus. In minutiöser<br />

Kleinarbeit (915 Anmerkungen) untersucht er die geistigen Quellen und besonderen<br />

Ausdrucksformen des Positivismus (M. Weber, Popper, V. Kraft, Wittgenstein,<br />

Carnap), seine Ideologie- und Religionstheorie, seinen Antihegelianismus<br />

und Antimarxismus in ihrem inneren Zusammenhang und ihrer konservativen<br />

gesellschaftlichen Funktion. Am Schluß steht der Versuch, den auch in marxistischer<br />

Forschung oft diffusen Begriff des Positivismus zu präzisieren. Als Anhang<br />

beigegeben ist dem Buch eine Bibliographie zu E. Topitsch. Der Autor unterscheidet<br />

mit M. Buhr zwischen Positivismus als einer auch schulmäßig auftretenden<br />

"Richtung" und Positivismus als "Denkweise" (254). Der Positivismus<br />

als philosophische Strömung hat einen periodisierbaren Gestaltwandel durchgemacht,<br />

umfaßt <strong>Theorie</strong>n von Denkern wie Hume, Comte, Mach, Wittgenstein,<br />

Schlick, Popper usw. Der Positivismus als Denkweise zeigt einen relativ "invarianten<br />

Gehalt" mit (mindestens) vier Prinzipien: Nominalismus, Phänomenalismus,<br />

Dezisionismus, Naturalismus (255).

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