Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Entwicklung sozialistischer Kräjte in der BRD 189<br />
rechter Flügel, trotz des verbalen Bekenntnisses zum "demokratischen <strong>Sozialismus</strong>",<br />
sozialistische Positionen vertreten. Das wird sie - im Sinne der obigen<br />
Definition - auch selbst weit von sich weisen. Ihre Positionen haben theoretisch<br />
und praktisch, wirtschaftlich und politisch einen Inhalt, der den Kapitalismus als<br />
die beste der möglichen Welten bejaht und rechtfertigt. In den 1968 verabschiedeten<br />
"Nürnberger Perspektiven für die 70er Jahre" hatte die SPD-Führung sogar<br />
das Wort <strong>Sozialismus</strong> getilgt, was den Vorzug der Aufrichtigkeit besaß und<br />
was von Repräsentanten des rechten Flügels auch als die längst HUlige Abkehr<br />
von der Zielvorstellung einer "neuen Gesellschaft" und als das Eingeständnis<br />
begrüßt wurde, daß die SPD nur noch die Verbesserung der bestehenden Gesellschaft<br />
erstrebt.<br />
Die Tatsache, daß im Orientierungsrahmen 85 nunmehr ausgiebig vom "demokratischen<br />
<strong>Sozialismus</strong>" die Rede ist, widerspiegelt zweifellos die seit dem<br />
Ender der 60er Jahre in die SPD eingedrungene <strong>Theorie</strong>diskussion. Sie stellt einen<br />
Tribut an antikapitalistische Stimmungen und Strömungen in der SPD dar,<br />
zeugt aber keineswegs von einer Bekehrung des rechten Flügels. Im OR 85 wird<br />
ja der demokratische <strong>Sozialismus</strong> nicht in ökonomischen und politischen, sondern<br />
in ewigen ethischen Kategorien definiert, so daß der CDU-Ideologe Kurt<br />
Biedenkopf ausnahmsweise zu Recht sagen konnte, er könne darin keine spezifisch<br />
sozialistische Zielsetzung erblicken (Der Spiegel, 10.2. 1975). Die Verfasser<br />
des OR 85 proklamierten den demokratischen <strong>Sozialismus</strong> bei gleichzeitiger Verewigung<br />
der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, ein absurder Widersinn,<br />
den wohl niemand ernst nehmen kann. Wenn es in der Grundsatzerklärung der<br />
Portugiesischen Sozialistischen Partei (Punkt 7) heißt: "Die sozialistische Partei<br />
lehnt die Richtung jener Bewegungen ab, die sich sozialdemokratisch oder sogar<br />
sozialistisch nennen und doch nur, bewußt oder faktisch, die Strukturen des Kapitalismus<br />
beibehalten und den Interessen des Imperialismus dienen", so dürfte<br />
das haargenau die <strong>Theorie</strong> und Praxis des rechten Flügels der SPD charakterisieren.<br />
Er aber beherrscht die gesamte offiZielle Politik der Partei auf Bundes- und<br />
Landesebene und In den meisten Fällen auch in den kommunalen Parlamenten.<br />
Um nicht mißverstanden zu werden: Wenn die DKP von Aktionsgemeinschaft<br />
in den dringenden sozialen und politischen Fragen spricht, dann meint sie<br />
(und Ihre Mitglieder praktizieren es, wo immer das möglich ist) Aktionsgemeinschaft<br />
mit allen Sozialdemokraten, gleich welcher Richtung sie sich zurechnen.<br />
In den Gewerkschaften geraten Vielfach ja auch jene, die weitgehend mit der offiZiellen<br />
sozialdemokratischen Politik übereinstimmen, in den wirtschafts- und<br />
SOZialpolitischen Fragen zunehmend in Widerspruch zu dieser Politik. Es geht<br />
hier nur um eine realistische Bestimmung der ideellen und praktischen Positionen<br />
im Sinne der oben genannten sozialistischen Kriterien. Auch die Tatsache,<br />
daß in der sozial demokratischen Anhänger- und Wählerschaft die Formel vom<br />
demokratischen <strong>Sozialismus</strong> anders interpretiert wird, und daß in sie Vielfach antikapitaliStische<br />
und planwirtschaftliehe Vorstellungen projiziert werden, kann an<br />
dieser Feststellung über die offizielle SPD-Politik nichts ändern.<br />
In der sozialdemokratischen Linken, die genau zu bestimmen Infolge der fließenden<br />
Grenzen und der in den letzten Jahren erfolgten Integration früher füh-<br />
DAS ARGUMENT 102/1977 ©