Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Sprach- und Literaturwissenschaft 257<br />
gesellschaftlich-politischen Aktionen mit den ästhetischen und kulturellen Intentionen"<br />
nicht an der literarischen Praxis gemessen (83). In den durchgeführten<br />
Aufführungen (14 Stücke/ 66) des Mainzer "National-Bürgertheaters" überwiegen<br />
Unterhaltungsstücke mit begrenzten politischen Anspielungen. Aktuelle<br />
revolutionäre Stücke, die aufgeführt wurden, waren u. a. die Dramen von Nikolaus<br />
Müller. Der Dokumentarteil (137-306) enthält neben Müllers "Freiheitsbaum"<br />
(1793), die Stücke "Die Rebellion" (! 791), "Der klägliche König" (1792),<br />
"Die Aristokraten in Deutschland" (1792).<br />
Der Darstellungsteil (135 S.) ist weithin als Kommentar zu den abgedruckten<br />
Stücken zu lesen. Steiner bringt eine Fülle neuer detaillierter Informationen über<br />
Verfasser und Inhalte ,jakobinischer" Dramen und deren historischen und ideologischen<br />
Umkreis (mit Namensregister 332-335). Das Spezifikum der herangezogenen<br />
Stücke gegenüber zahlreichen anderen, die die Französische Revolution<br />
als Ereignis thematisieren, sieht Steiner in den in ihnen auftretenden "Zügen einer<br />
jakobinischen Gesinnung" (33). Voraussetzung für die Einschätzung der einzelnen<br />
Texte wäre die Beantwortung der von der deutschen Jakobinismusforschung<br />
insgesamt vernachlässigten Frage nach den speZifischen Inhalten jakobinischer<br />
Ideologie, wie sie sich in Deutschland ausbildete. Daß Steiner dies nicht<br />
leistet, erschwert die Beurteilung der Relevanz der dokumentierten Stücke ebenso<br />
wie die Benutzung des Bandes für eine darauf aufbauende Weiterarbeit. Jedenfalls<br />
scheinen die breit dargestellten, auf das Theater bezogenen praktischen<br />
und theoretischen Bemühungen (64 u. 79) der Mainzer Jakobiner mit einem<br />
Stück gegenüber den "Vorläufern" unterrepräsentiert.<br />
Die informative Studie über die Tätigkeit des Theaterdirektors G. F. W. Großmann<br />
(1743-1796) (93-135) zeigt eindringlich die schwierigen Bedingungen progressiver<br />
Theaterpraxis zu Ende des 18. Jahrhunderts. Sie steht aber nicht in direktem<br />
Zusammenhang zum "Jakobinerschauspiel und Jakobinertheater".<br />
In der detaillierten Erschließung von Verfassern und Inhalten progressiver<br />
Stücke leistet Gerhard Steiners Buch Beträchtliches. Offen bleibt die besondere<br />
Produktions- und Wirkungsfunktion des literarischen Mediums Drama, deren<br />
entschiedene BerückSichtigung aber auch erst den vollen Zugang zu den spezifischen<br />
ideologischen Gehalten und der <strong>kritische</strong>n ErkenntniS der einzelnen Stükke<br />
offenlegen könnte.<br />
Hans-Joachim Ruckhäberle (Pfaffenhofen/Ilm)<br />
Mattenklott, Gert, u. Klaus R. Scherpe (Hrsg.): Dem 0 kr a t i s c h - re v 0 -<br />
I u t ion ä r e L i t e rat u r i n D e u t s chi a n d: Vor m ä r z. Literatur<br />
im historischen Prozeß, Bd. 312. Scriptor Verlag, Kronberg/Ts. 1974 (Xl, 263<br />
S, br., 12,80 DM).<br />
Vaßen, Florian (Hrsg.): Res tau rat ion, Vor m ä r z und 48 e r Re v 0 -<br />
lu t ion. Die deutsche Literatur, Bd. 10. Philipp Reclam, Stuttgart 1975 (324<br />
S., br., 6,40 DM).<br />
Die Hrsg. beider Bände fordern zu Recht, daß die Literatur vor 1848/49 über<br />
alle politischen Gliederungsversuche hinaus auf die wichtigsten beiden gesellschaftlichen<br />
Widersprüche der Zeit zu beziehen ist: den Kampf des industrie-kapitalistischen<br />
Bürgertums gegen den Feudalstaat einerseits und die der aufkommenden<br />
kapitalistischen Produktionsweise entspringende proletarische Bewegung<br />
andererseits (M/S. 2, V.9). Von hier erfährt das Jahr 1830 als untere Zeitgrenze<br />
bei der Bände seine Rechtfertigung; zugleich wird deutlich, daß die literarische<br />
Entwicklung im "Vormärz" (als Begriff von M/S.4 mit Vorbehalt, von<br />
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