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Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Sprach- und Literaturwissenschaft 253<br />

Leist, Anton (Hrsg.): Ans ätz e zur m at e r i a I ist i s ehe n S p ra c h -<br />

theorie. Scriptor Verlag, Kronberg/Ts. 1975 (419 S., br., 19,80 DM).<br />

Auch Ansätze einer materialistischen Sprachtheorie können keineswegs voraussetzungslos<br />

beginnen. Bei der Arbeit an einer solchen <strong>Theorie</strong> muß das Verhältnis<br />

von Gesellschaftstheorie und Sprach theorie mindestens skizziert sein,<br />

was ohne explizierte erkenntnistheoretische Position kaum zu leisten ist. Die<br />

Klärung dieses Verhältnisses muß einerseits berücksichtigen, was die marxistischen<br />

Klassiker und diejenigen, die sich in marxistischer Tradition stehend begreifen,<br />

zur materialistischen Sprachtheorie beitragen können, und es müssen<br />

andererseits Kategorien erarbeitet werden, mit denen man "ansetzen" kann. Unter<br />

Aufarbeitung bürgerlicher Sprachtheorie ließe sich so ein Programm entwikkeIn,<br />

welches politische und didaktische Reichweite erzielen kann.<br />

Das vorliegende Buch erfüllt diese Voraussetzungen nur bedingt. Gleichwohl<br />

finden sich schon in der Einleitung von Leist und auch in anderen Beiträgen<br />

Elemente (wie der Totalitätsanspruch materialistischer <strong>Theorie</strong>, ihr Anspruch,<br />

Sprachursprung und Sprachveränderung zu erklären, usw.), die in der Tat Bestandteil<br />

jeder materialistischen <strong>Theorie</strong> sein müssen. Sie werden freilich oft bloß<br />

ausgebreitet, d. h. ihr Vermittlungszusammenhang ist nur stellenweise klar markiert.<br />

Bei Leist hat das u. a. zur Folge, daß seine eigene Forderung nach einer<br />

stringenten <strong>Theorie</strong>sprache völlig verkümmert. Was "symbolvermittelte Interaktion",<br />

"symbolische Fähigkeiten", "das Verhältnis von sprachlicher Kompetenz<br />

und Determination durch Sprache" bedeutet. welchen Platz der Kompetenzbegriff<br />

bei Leist überhaupt einnimmt. bleibt unklar. Insofern sind an seinem aufwendigen<br />

Programm materialistischer Sprachtheorie manche Vorbehalte angebracht.<br />

Wissenschaftlich unredlich scheint mir Leist dort, wo er behauptet, "im<br />

Bereich der Erkenntnistheorie (habe) der bisherige Marxismus zur Klärung der<br />

Beziehung von Sprache und Arbeit. Sprache und Praxis wenig oder nichts beigetragen"<br />

(19). Schließlich haben mindestens zwei sprachtheoretische Ansätze -<br />

nämlich die Sprechhandlungstheorie und die Sprechtätigkeitstheorie - gen au dort<br />

vorgearbeitet. Gerade diese beiden wohl am weitesten entwickelten materialistischen<br />

<strong>Theorie</strong>versuche werden indes nirgends systematisch besprochen.<br />

Im 1. Kapitel, "Rezeption und Kritik" überschrieben, bildet die text<strong>kritische</strong><br />

Auseinandersetzung von Christoph Hering mit Ulrich Erckenbrecht eine gut begründete<br />

und geschlossene Arbeit. Hering weist überzeugend nach, daß es unzulässig<br />

ist, die sprachtheoretischen Äußerungen von Marx bloß historisch zu analysieren,<br />

da es Marx vor allem um die logische Analyse ging. Demgegenüber ergeben<br />

die Thesen zu Feuerbach und Marx von Hans Joas nicht wesentlich mehr<br />

als die Erkenntnis, daß Intersubjektivität bei Feuerbach halt vorkommt. Ein Musterbeispiel,<br />

wie man bürgerliche und auch <strong>kritische</strong> Sprachwissenschaft nicht<br />

aufarbeiten soll, bietet Rudolf Lüscher, "Der immer noch nicht ganz qualifiZierte<br />

Sprecher". Nur auf dem Wege "einer rationalen Rekonstruktion des Chomsky'schen<br />

Programms und seiner psycholinguistischen und soziolinguistischen<br />

Umformungen" (22) - so immanent und voraussetzungslos - läßt sich diese<br />

Sprachwissenschaft nicht aufarbeiten (von Utz Maas hätte Lüscher da einiges<br />

lernen können). Heraus kommt denn auch nur ein Referat über die verschiedenen<br />

Glaubensrichtungen der GTG'ler.<br />

Im H. Kapitel, "Sprache und Handeln", werden vorwiegend Probleme der<br />

Phylo- und Ontogenese der Sprache behandelt. Möglicherweise hat Leists Bemerkung,<br />

daß materialistische Sprachtheorie "auf eine möglichst breite Basis<br />

DAS ARGUMENT 10211977 ©

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