Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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300 Besprechungen<br />
Rosenbaums Buch ist von Interesse, weil es eine vergleichbare aktuelle Einführung<br />
in das italienische Parteiensystem nicht gibt. Wie ihr 1975 erschienenes<br />
Buch "Neofaschismus in Italien" wirkt auch dieses leider wie hastig aus einem<br />
reichhaltigen Zettelkasten kompiliert (das Manuskript wurde übrigens noch vor<br />
den 76er Wahlen abgeschlossen). Die Auswahl der Informationen und die Gliederung<br />
der Darstellung wirken oft geradezu zufällig. Weithin ist das Buch eine<br />
Chronik skandalöser Episoden und Situationen, deren Hintergründe jedoch nur<br />
unzureichend analysiert werden. Der Leser wird mit zahllosen Belanglosigkeiten<br />
gefüttert, wobei sich eine gewisse Tendenz zur Personalisierung politischer Zusammenhänge<br />
zeigt. Bei der Darstellung der KP-Politik entgeht Rosenbaum<br />
nicht immer der Gefahr des "Kaffeesatzlesens". Ihre Erklärungsversuche komplizierter<br />
Probleme - zumal ökonomischer - fallen ofi allzu simpel aus. Quellenangaben,<br />
die besonders angesichts der vielen statistischen Daten notwendig wären,<br />
fehlen weitgehend. Auch fallen ständig Namen und Begriffe, die in einer<br />
"Einführung" erst erklärt werden müßten. Als störend empfand ich auch die<br />
zahlreichen stilistischen Mängel des Textes, der sich oft wie die allzu hilflose<br />
Nachahmung einer SPIEGEL-Reportage liest. Auch wegen etlicher inhaltlicher<br />
Ungenauigkeiten, dem z. T. desolaten Anmerkungsteil und nicht wenigen unerträglichen<br />
Plattheiten sollte man das Buch dem Lektorat um die Ohren schlagen.<br />
Winfried Roth (Berlin/West)<br />
Verdier, Robert: P . S . / P . C. Une lutte pour ['entente. Editions Seghers, Paris<br />
1976 (331 S., br, 40 frs.).<br />
Die erste Gesamtdarstellung der Geschichte der Beziehungen zwischen sozialistischer<br />
und kommunistischer Partei in Frankreich seit der Spaltung der französischen<br />
Arbeiterbewegung im Jahre 1920 bis in die aktuelle Zeit des Gemeinsamen<br />
Regierungsprogramms beider Parteien dürfte gerade den deutschen Leser<br />
interessieren, der mit Engels finden könnte, "daß das Vergleichen der entsprechenden<br />
französischen Epochen erst den rechten Maßstab gibt. weil dort das grade<br />
Gegenteil von dem geschieht, was bei uns." (AS IL S. 468). Verdier ist nicht<br />
"unparteilich". Er war von 1946 bis 1950 Mitarbeiter Leon Blums bei der sozialistischen<br />
Parteizeitung "Le Populaire", dann selbst politischer Leiter dieser Zeitung<br />
bis 1954 und ist heute Mitglied des Politbüros der sozialistischen Partei.<br />
Andrerseits gewinnt das Buch gerade dadurch eine politische Aktualität, daß es<br />
nicht nur Aufschluß gibt über das Verhältnis eines führenden französischen Sozialisten<br />
zur Geschichte seiner eigenen als auch der der kommunistischen Partei,<br />
sondern auch und gerade über die Virulenz dieses Geschichtsbewußtseins in der<br />
gegenwärtigen politischen <strong>Diskussion</strong> zwischen Sozialisten und Kommunisten in<br />
Frankreich. Der Verfasser will "denjenigen Kenntnisse (. .. ) vermitteln, die den<br />
Ursprung der Divergen:::en zwischen Sozialisten und Kommunisten kennenlernen<br />
wollen und abschätzen wollen, was von diesen Divergenzen heute übrig geblieben<br />
ist." (6, Herv. v. Rez.) Angesichts eines solcherart formulierten Erkenntnisinteresses<br />
nimmt es nicht Wunder, daß Verdier als aktuellen Aufhänger seines<br />
historischen Rückblicks nicht das Gemeinsame Regierungsprogramm von p.s.<br />
und P.c. nimmt, sondern eine sekundäre, an läßlich einer munizipalen Nachwahl<br />
abgegebene Erklärung des Politbüros der P.c. vom 7. 10. 1974, von der p.s. als<br />
Affront gegen sie interpretiert (5, vgl. 285-291). Es erklärt auch die Auswahl der<br />
im Annex abgedruckten Dokumente: die 21 Bedingungen der Kommunistischen<br />
DAS ARGUMENT 102/1977 ©